Frankreichs Hauptstadt macht den nächsten Schritt in Richtung einer Stadt mit weniger Autos. Die Metropole soll auf diesem Weg für ihre Bewohner lebenswerter werden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Der Verkehr in Paris wird ausgebremst. Von Ende August an gilt in fast der gesamten Innenstadt der französischen Metropole Tempo 30. „Wir setzen damit ein Wahlversprechen in die Tat um“, rühmt sich David Belliard, im Pariser Rathaus zuständig für Umgestaltung des öffentlichen Raums und Mobilität. Ausgenommen von der Geschwindigkeitsbegrenzung sind einige zentrale Boulevards wie die Champs-Élysées und wichtige Verbindungsachsen der Stadt, ebenso der viel befahrene Stadtring Périphérique.

 

Wichtig ist die Sicherheit im Verkehr

Was sich im ersten Moment wie eine verkehrstechnische Revolution anhört, ist in den Augen von Grünen-Politiker David Belliard lediglich die Konsequenz aus zahlreichen Untersuchungen, Befragungen und Analysen. Zum einen gelte nach Angaben der Verwaltung bereits jetzt schon für rund 60 Prozent der Straßen der Innenstadt Tempo 30. Zum anderen hätten zahlreiche Versuche gezeigt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos in Paris wegen des dichten Verkehrs im Moment bei gerade einmal 14 Kilometern pro Stunde liege.

„Der Hauptgrund für Tempo 30 ist die Sicherheit“, unterstreicht David Belliard. „Die meisten tödlichen oder schweren Unfälle werden durch Autos oder Motorräder verursacht.“ Jedes Jahr würden 18 Fußgänger Opfer von solchen tödlichen Unfällen. „Das Todesrisiko ist bei einem Unfall mit Tempo 30 neun Mal geringer als bei Tempo 50 und die Verletzungen sind weniger gravierend“, heißt es in einer Erklärung der Stadtverwaltung.

Die Lebensqualität soll gesteigert werden

Die Geschwindigkeitsbegrenzung habe auch direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen, denn der Lärm werde deutlich reduziert. „Eine Absenkung von Tempo 50 auf 30 reduziert den Lärmpegel effektiv zwar nur um drei Dezibel,“ erklärt Belliard, für die Anwohner fühle es sich aber an, als sei der Lärm halbiert worden. Und er fügt hinzu, dass bei einer Umfrage fast 60 Prozent der Befragten für die Tempo-30-Regelrungen waren. Keine Rolle gespielt hat bei der Entscheidung die Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Der sei nach Angaben der Stadtverwaltung bei beiden Geschwindigkeiten etwa gleich.

Kritik kommt von der konservativen Opposition im Stadtrat von Paris. „Wir haben es kommen sehen, aber nicht so schnell und wir dachten, dass es eine echte Debatte über das Thema geben würde“, sagt Aurélien Véron von der Partei Les Républicains. Er beklagt, dass es eine „Anhäufung von Maßnahmen gibt, die darauf abzielen, den Platz für Autos zu reduzieren“.

Kampf gegen die Luftverschmutzung

Mit dieser Aussage liegt der der konservative Politiker durchaus richtig. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat Autos und Luftverschmutzung schon länger den Kampf angesagt und vor allem im Zuge der Corona-Maßnahmen die Fahrradwege stark ausgebaut. Sinkt die Luftqualität wird zudem der Verkehr deutlich eingeschränkt, Schadstoff-Plaketten für Autos sind Pflicht. Einige Straßen sind für den Verkehr ganz gesperrt - zum Beispiel das rechte Seine-Ufer - stattdessen ist dort eine Flaniermeile entstanden. Zudem wird die Zahl der Parkplätze immer weiter reduziert. Geplant ist auch, einige Zonen in der Innenstadt von Pariser zu verkehrsberuhigten Zonen umzubauen und den Durchgangsverkehr auszusperren.

Bei der Entscheidung für ein flächendeckendes Tempo 30 konnten sich die Verantwortlichen in Paris auch an anderen französischen Städten wie Rennes, Nantes oder Lille orientieren. Die meisten Erkenntnisse stammen allerdings aus Grenoble, wo bereits 2016 eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt wurde. „Die Unfallzahlen sind dort tatsächlich gesunken“, unterstreicht die Verkehrsexpertin Lucile Ramackers in der Tageszeitung „Le Parisien“. Ein weiterer Effekt: Grenoble sei in Sachen Fahrradnutzung seit der Einführung des Tempolimits die Nummer eins in Frankreich, erklärt Ramackers. Eine Entwicklung, die das gesamte Stadtbild verändert habe.