Stuttgart liegt auf einem Spitzenplatz - leider. Ein Navi-Hersteller hat festgestellt, dass es in wenigen anderen Regionen so viele Staus gibt wie hier.

Stuttgart – Endlich Feierabend – und nichts geht mehr. Allzu oft stehen die Stuttgarter Autofahrer und auch die Pendler aus dem Umland vor und nach der Arbeit im Stau. Passiert ein Unfall oder wird eine Baustelle eingerichtet, ist dies nicht selten der Dolchstoß für den fließenden Verkehr. Aber auch ohne Zwischenfälle schiebt sich bisweilen eine Blechlawine rund um den Kessel. Im Jahr summieren sich die Verkehrsbehinderungen auf Autobahnen und Bundesstraßen in der Region Stuttgart auf rund 13.000 Kilometer.

 

Eine europaweite Staustudie, die der Navigationshersteller TomTom durchgeführt hat, zeigt: Stuttgart liegt im innerdeutschen Vergleich auf Rang vier der stauanfälligsten Städte. Demnach staut es sich im Schnitt täglich auf 21,3 Prozent der Hauptverkehrsstraßen. Nur in München, Hamburg und Bonn steht hierzulande der Verkehr öfter still als in der Schwabenmetropole. Im Gesamtranking – der Blick wurde auf 50 europäische Städte gerichtet – liegt München auf Platz 25, Hamburg an 32. Stelle, Bonn und Stuttgart auf den Plätzen 37 und 38. Essen und Köln beschließen die Liste auf den Rängen 49 und 50.

Die B 14 ist besonders belastet

Die höchste Verkehrsbelastung in ganz Europa gibt es laut der Studie in Brüssel, wo sich der Verkehr durchschnittlich auf 38,9 Prozent der Hauptverkehrsstraßen staut. Im Ländervergleich ist Großbritannien das am meisten von Stau geplagte Land Europas: von keinem anderen europäischen Staat tauchen 16 Städte in dem Ranking auf.

Zum Vorgehen in der Studie: Betrachtet wurde die Fläche von 12 Quadratkilometern rund um das jeweilige Stadtzentrum. Somit fiel nicht nur der innerstädtische Verkehr in die Analyse, sondern auch die an der Stadt vorbeiführenden Straßen – in Stuttgart somit auch die besonders viel befahrenen Autobahnen 8 und 81. Erstere ist zwischen den Autobahndreiecken Leonberg und Stuttgart mit einem durchschnittlichen Verkehr von 148.600 Kraftfahrzeugen am Tag die meist befahrenste Autobahn Deutschlands.

Laut der Studie dauern die Fahrzeiten dort im Berufsverkehr, also zwischen 7 und 9 Uhr sowie zwischen 16 und 18 Uhr, bis zu zwei Drittel länger. Auf den Bundesstraßen sticht besonders die B 14 hervor: Im Bereich zwischen dem Kreisverkehr Schattenring und der Kreuzung Post-/Uferstraße benötigen Autofahrer zur Rush Hour im Schnitt beinahe die doppelte Zeit. Auf der B 27 zwischen dem Kreuz Stuttgart-Degerloch bis zur Kreuzung Bebelstraße/Schwabstraße muss ein Viertel der normalen Fahrzeit hinzu addiert werden.

Viele Einwohner, viel Verkehr

Thomas Kiwitt, leitender technischer Direktor im Verband Region Stuttgart, führt auf Nachfrage der StZ verschiedene Faktoren an, warum sich der Verkehr in der Region so ballt. Zum einen setzen laut Kiwitt die dichte Besiedelung und die besondere Topografie einige Zwangspunkte, die verhindern, dass die Straßen optimal geleitet werden können. Ferner leben in der Region ein Viertel der Einwohner Baden-Württembergs, während die Fläche lediglich ein Zehntel ausmacht. Mit anderen Worten: hier knubbelt sich’s.

Allein diese beiden Faktoren würden schon ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bewirken – doch damit nicht genug. Darüber hinaus ist ein hoher Teil der Wirtschaftskraft – vor allem im produzierenden Gewerbe – im Raum Stuttgart angesiedelt, was immensen Güterverkehr zur Folge hat. Als letzten staurelevanten Punkt nennt Kiwitt den Transitverkehr: insbesondere die Autobahn 8 passieren täglich etliche Lastwagen, die an Stuttgart vorbei wollen. Kiwitts Fazit: „Wir sind am Limit unserer Kapazitäten.“

Im baden-württembergischen Generalverkehrsplan 2010, den das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr herausgegeben hat, werden düstere Prognosen für die Zukunft vorausgesagt. Die Experten gehen davon aus, dass die Verkehrsbelastung auf den baden-württembergischen Autobahnen im Jahr 2025 um 26 Prozent über dem Niveau des Jahres 2005 liegen wird. Als Grund wird zum einen der zunehmende Personenverkehr genannt: Mehr Menschen werden Autos besitzen und gleichzeitig mehr Kilometer pro Tag zurücklegen. Noch dramatischer wird laut Generalverkehrsplan der Güterverkehr zulegen: Auf Autobahnen wird mit einer Steigerung von bis zu 70 Prozent gerechnet.

Mehr Verkehr muss auf den Wasserweg

Thomas Kiwitt sieht nur zwei Möglichkeiten, wie die Belastung auf den Straßen in der Region künftig verbessert oder zumindest konstant gehalten werden kann. Einerseits, indem der Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgebaut wird. „Mit einem attraktiven und leistungsfähigen Nahverkehr gelingt es, Leute von der Straße auf die Schienen zu bringen“, sagt er. Zum anderen seien auf dem Wasserweg noch freie Kapazitäten, die genutzt werden müssten. „Auf dem Neckar ist noch Platz“, betont Kiwitt. Der Regionalverband arbeite derzeit aktiv daran, dass sich der Bund für den Schleusenausbau auf dem Neckar einsetzt.

Die Daten ermittelte TomTom anhand von anonymen Geschwindigkeitsprofilen, die auf den weltweit genutzten TomTom-Navigationsgeräten aufgezeichnet werden. Die auf diese Weise gewonnenen Zahlen zeigen auf, wie schnell sich der Verkehr zu verschiedenen Tageszeiten auf einer Straße bewegt. Er gilt dann als verzögert, sobald ein Fahrer nur noch mit 70 Prozent der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist.

Die Verarbeitung der Geschwindigkeitsprofile ist nicht unumstritten: In den Niederlanden beschwerten sich im Mai Navi-Nutzer, dass TomTom die Daten an die Polizei verkauft hatte. Das Unternehmen entschuldigte sich, verhandelte aber nur kurz darauf mit Behörden in Australien.