Die SPD/Linke-Fraktion fordert, die Busspur für ambulante Pflegedienste freizugeben. Die Umwege wegen der Baustellen kosten die Helfer wertvolle Zeit.

Böblingen - Wenn Birgit Häberle ihren Dienst als Altenpflegerin im ambulanten Dienst antritt, weiß sie nie genau, was sie erwartet. „Mal habe ich bei einer Tour sieben Patienten, mal 22“, erzählt die 52-Jährige. Manche ihrer Kunden brauchen eine intensive Pflege, werden gewaschen und angezogen. „Bei manchen geht es aber auch sehr schnell. Da gebe ich eine Spritze und bin vier Minuten später wieder weg.“

 

Probleme bereiten der Pflegerin und ihren Kollegen vor allem diese Patienten. Denn oft ist die An- und Abreise zu ihnen länger als die eigentliche Tätigkeit. Dazu trägt maßgeblich die Verkehrssituation in Böblingen bei. „In der ganzen Stadt gibt es seit Monaten Baustellen und Straßensperrungen“, berichtet Birgit Häberle. Besonders die seit Wochen gesperrte Talstraße mache den Pflegediensten das Arbeiten schwer. Dort dürfen im Moment nur Busse und Taxen fahren. Alle anderen Autofahrer werden über das Flugfeld umgeleitet. „Wenn wir einen Patienten in der Wilhelmstraße versorgen müssen, kostet uns der Umweg locker zehn Minuten – und zurück dasselbe“, klagt Häberle. Wenn sie dann endlich beim Patienten angekommen sei, beginne das Problem mit der Parkplatzsuche.

Patienten müssen Medikamente pünktlich einnehmen

Ihre Chefin Annegret Spengler von der Sozialstation der Böblinger Kirchengemeinden bestätigt die Erfahrungen ihrer Angestellten. Die Verkehrssituation sei häufig Thema bei Dienstbesprechungen. 200 Mitarbeiter hat Spengler. Etwa 50 davon sind täglich im Einsatz. 300 Patienten pro Tag betreuen sie. Besonders prekär sei es, wenn Patienten zum Beispiel auf pünktliche Medikamenteneinnahme oder das Messen des Blutzuckers zu bestimmten Terminen angewiesen seien. „Da kann ich nicht einfach eine Stunde später kommen“, sagt Birgit Häberle.

Nun ist die Böblingerin nicht nur Altenpflegerin, sondern auch ein Mitglied der SPD/Linke-Fraktion des Gemeinderats in ihrer Heimatstadt. Deshalb stellte sie als Stadträtin die Anfrage, die Busspur in der Talstraße auch für Pflegedienste freizugeben. Damit würden viele Umwege über das Flugfeld gespart. Die Stadt jedoch lehnte ab – aus Gründen der Gleichbehandlung.

Auf eine Anfrage unserer Zeitung zu diesem Thema antwortete Fabian Strauch, der Pressesprecher der Stadt: „Als Behörde ist die Stadt Böblingen dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Eine Ausnahmegenehmigung für Pflege- und Sozialdienste kann deshalb nicht erteilt werden. Alternativ wird die parallel verlaufende Konrad-Zuse-Straße empfohlen.“

Birgit Häberle und ihre SPD/Linke-Fraktion wollen diese Ablehnung nicht einfach so hinnehmen. Deshalb hat der Fraktionschef Florian Wahl Ende Oktober einen offiziellen Antrag in den Gemeinderat eingebracht. „Die Situation ist für Patienten sowie für Pflegekräfte kaum zumutbar. Deswegen fordern wir, dass für die Ambulante Pflege – in Zeiten wie diesen – zumindest die gleichen Ausnahmegenehmigungen wie für Taxis und Busse gelten sollen“, heißt es in dem Antrag. Außerdem fordert die SPD: „Die Nutzung von Busspuren sollte grundsätzlich in Zukunft möglich sein.“

Parkplatzsuche ist ein Riesenproblem

In der Nachbarstadt Sindelfingen sind die Verkehrsprobleme die gleichen. Extra ausgewiesene Busspuren, auf die Pflegedienste ausweichen könnten, gibt es dort gar nicht. „Vor allem in der Rushhour stehen unsere Pflegekräfte oft im Stau“, berichtet Thomas Jaskolka, ein Pflegedienstleiter der Ökumenischen Sozialstation, deren Mitarbeiter täglich bis zu 600 Patienten in Sindelfingen, Maichingen und Magstadt versorgen. Noch schlimmer sei die Parksituation. „Vor allem in den älteren Wohngebieten wie dem Eichholz finden unsere Mitarbeiter oft keinen Parkplatz“, klagt Jaskolka. Wenn sie dann aus Verzweiflung kurz in der zweiten Reihe parken, um einem Patienten schnell eine Spritze zu verabreichen, gebe es oft Ärger mit Anwohnern oder anderen Autofahrern. „Es wäre schön, wenn die Leute etwas Verständnis aufbringen. Bei uns geht es immer um kranke Menschen“, sagt Thomas Jaskolka.