Der Remsecker Gemeinderat einigt sich auf einen Entwurf zum Bau einer neuen Neckarquerung. Obwohl das Bauwerk deutlich kleiner werden soll als ursprünglich geplant, sollen die Dauerstaus verschwinden. Jetzt haben die Bürger das letzte Wort.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Remseck - Dass über große Bauprojekte lange gestritten wird, ist nicht ungewöhnlich. Dass sich Befürworter und Gegner jahrelang unversöhnlich gegenüber stehen, ist ebenfalls normal. Insofern ist die Debatte über die Lösung der Verkehrsprobleme, die in Remseck und den umliegenden Kommunen seit Ewigkeiten geführt wird, ein Lehrstück: darüber, wie schwer es oftmals ist, zu Kompromissen zu finden. Erst war es der Nordostring, der die Menschen entzweite – manche sehen in der Trasse von Waiblingen über Remseck nach Kornwestheim den einzig wirksamen Ansatz im Kampf gegen den Dauerstau. Viele andere fürchten, dass neue Straßen nur noch mehr Verkehr anlocken.

 

Im besonders staugeplagten Remseck ist der Ringschluss im Norden Stuttgarts vergleichsweise populär, aber abwarten, ob das Megaprojekt vielleicht eines fernen Tages realisiert wird, will man dort nicht. Also entwickelte die Stadt eine Alternativlösung: die Westrandbrücke. Eine Querung, die den Verkehr westlich der bereits existierenden Neckarbrücke über den Fluss führen soll. „Denn eines ist völlig klar: So geht es nicht mehr weiter“, sagt der Oberbürgermeister Dirk Schönberger.

Nadelöhr für zigtausende Pendler

Das sehen vermutlich auch alle Pendler so, die täglich von Waiblingen aus in Richtung Ludwigsburg fahren oder in umgekehrter Richtung unterwegs sind – und für die Remseck jeden Tag aufs Neue zum Nadelöhr wird. Knapp 35 000 Fahrzeuge donnern bei Neckarrems täglich über den Neckar – über eine Brücke, die marode und schlecht angebunden ist. Zahlreiche dicht aufeinander folgende Zubringer, Abbiegespuren und Ampeln provozieren regelmäßig lange Staus. Die Idee, die Verkehrsführung grundlegend zu ändern, ist alt, und trotzdem wurde auch über den Bau der Westrandbrücke sofort heftig gestritten. Schnell bildete sich eine Bürgerinitiative, von einer „Monsterbrücke“ war die Rede.

So weit, so normal. Außergewöhnlich war dann erst, was vor wenigen Tagen im Remsecker Gemeinderat geschehen ist. Die versammelten Stadträte haben sich auf eine Variante geeinigt, und zwar einstimmig. „Ich glaube, wir haben den bestmöglichen Kompromiss gefunden“, sagt Schönberger (parteilos), und ist sich darin weitgehend einig mit den Fraktionen. „Wir stehen mit großen Engagement hinter dieser Brückenlösung“, sagt der Freie-Wähler-Fraktionschef Gerhard Waldbauer.

Das liegt auch daran, dass die Entwürfe seit Anfang 2019 mehrfach verändert und dabei Anregungen aus der Bevölkerung berücksichtigt wurden. Ursprünglich war eine 140 Meter lange Brücke mit insgesamt drei Fahrspuren vorgesehen, doch in dem jetzt beschlossenen Entwurf ist das Bauwerk deutlich geschrumpft: auf eine Spur pro Fahrtrichtung.

Signalwirkung für den Bürgerentscheid?

Damit ist nicht entschieden, dass die Brücke tatsächlich gebaut wird, aber das Votum ist ein Fingerzeig. Im November darf die Bevölkerung über die nun gefundene Lösung abstimmen, und im Gemeinderat hofft man, dass der einstimmige Beschluss Signalwirkung für den Bürgerentscheid hat. Auch die Fraktionen sind überzeugt, dass möglichst bald etwas geschehen muss.

Denn dort, wo die alte Brücke den Neckar überquert, baut sich die stark zergliederte Stadt gerade ein neues Zentrum. Das neue Rathaus steht bereits, eine neue Stadthalle, ein neuer Marktplatz und viele neue Wohnungen sollen hinzu kommen. Und: Das ganze Gebiet soll verkehrsberuhigt werden, was nur möglich ist, wenn die Autokolonnen verschwinden. Die Westrandbrücke soll den gesamten Autoverkehr aufnehmen, damit die alte Brücke in der Stadtmitte in Zukunft allein für Fußgänger, Radfahrer und Busse reserviert werden kann.

Ein Planungsbüro aus Karlsruhe hat im Auftrag der Stadt ermittelt, dass all dies mit der jetzt beschlossenen und kleineren Variante möglich ist. Denn die Westrandbrücke soll besser ans bestehende Straßennetz angebunden werden, mit weniger Ampeln und Zubringern, sodass sich dort weniger Staus bilden. Zudem prognostizieren die Experten aus Karlsruhe, dass dort täglich rund 37 000 Fahrzeugen über den Neckar fahren werden, also kaum mehr als heute. „Die Befürchtung, dass eine neue Brücke massiv zusätzlichen Verkehr anlocken wird, ist mit diesem Gutachten widerlegt“, sagt Waldbauer.

Der Vorschlag der Bürgerinitiative hat keine Chance

Drei weitere Brückenvarianten standen in der Gemeinderatssitzung zur Wahl, keine davon konnte die Stadträte überzeugen. Auch ein Entwurf, der von der Bürgerinitiative „Wir für morgen“ favorisiert wird und der vorsieht, die Brücke bei Remseck-Aldingen über den Fluss zu schlagen, fand keine Anhänger. Der Hauptgrund: Die Umsetzung wäre nach Ansicht der Verkehrsexperten zu teuer und die Entlastungswirkung zu gering. Zudem ist unklar, ob das Land die Querung bei Aldingen fördern würde. Für die voraussichtlich rund 20 Millionen Euro teure Westrandbrücke hingegen hat das Land bereits angekündigt, drei Viertel der Baukosten zu übernehmen.

Der Bürgerdialog zu dem Projekt soll nach den Sommerferien beginnen, im September sind Informationsveranstaltungen geplant. Der alles entscheidende Bürgerentscheid folgt am 15. November.