Die Regeln für den „Idiotentest“ sind unterschiedlich. Das soll sich ändern. Unter anderem soll eine einheitliche Promillegrenze eingeführt werden. Dann gibt es unter Umständen viel mehr Tests.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Goslar - Kay Nehm, der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages, nimmt kein Blatt vor den Mund: Es sei ein unhaltbarer Zustand, dass es mittlerweile einen innerdeutschen Führerscheintourismus gebe. Das dürfe nicht sein. „Der Gesetzgeber muss da ein Machtwort sprechen“, sagt der einstige Generalbundesanwalt. Er zielt damit wie viele Kritiker beim in Goslar tagenden Verkehrsgerichtstag auf die unterschiedliche Handhabung der Medizinisch Psychologischen Untersuchung (MPU) – des sogenannten Idiotentests – in den Bundesländern.

 

Die Prozedur müssen Autofahrer, die sich besoffen ans Steuer gesetzt haben, im Grundsatz erst bei einem Promillewert von 1,6 absolvieren. Doch Gerichte etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin weichen von der Vorgabe ab. Sie verpflichten Alkoholsünder zu der gefürchteten und mit hohen Kosten für die Vorbereitung verbundenen Untersuchung schon ab 1,1 Promille.

Verschiedene Grenzwerte sind nicht tragbar

„Das ist ein absurdes Kuriosum“, sagt Gert Schleichert vom Auto Club Europa (ACE). In der Konsequenz müsse nämlich jemand, der in Berlin mit 1,3 Promille seinen Führerschein verloren habe, nur seinen Wohnsitz rechtzeitig nach Brandenburg verlegen, um sich vor der MPU zu drücken. „Es darf nicht sein, dass es in Deutschland verschiedene Grenzwerte gibt“, betont Schleichert. Darüber sind sich die Fachleute im Harz einig. Doch welcher Wert nun gelten soll, ist umstritten.

Die Anwälte etwa halten gar nichts von der niedrigeren Grenze. „Für Ersttäter sollte es bei der altbewährten Regelung bleiben“, sagt Gerhard Hillebrand vom Deutschen Anwaltverein. Denn erstens werde mit dem Wert gut der Unterschied zwischen „einem trinkenden Fahrer und einem fahrenden Trinker“ erfasst. Zweitens würde die Zahl der MPU wohl stark steigen, wenn die Promillegrenze sinken sollte. Ob dies ein Problem wäre, ist zweifelhaft.

In den vergangenen Jahren ist die Akzeptanz von Alkohol im Straßenverkehr ohnehin offenbar stark zurückgegangen. Hatte die Polizei 2005 214 000 Vergehen festgestellt, waren es 2014 nur noch 133 000. Dementsprechend verminderte sich in dieser Zeit auch die Zahl der MPU um 31 Prozent auf 44 632 im Jahr. Positiv war die Entwicklung auch bei den Unfällen. Starben 2010 noch 342 Menschen durch Alkohol im Straßenverkehr, waren es 2014 nur noch 260 Personen.

Ab 1,1 Promille steigt das Unfallrisiko

Zu dem Trend hat nach Ansicht des ACE auch die 0-Promille-Grenze für Führerscheinneulinge beigetragen. So ist es kein Wunder, dass der Autoclub – im Gegensatz etwa zum ADAC – dafür plädiert, immer bei 1,1 Promille eine MPU zu verlangen. „Wer mehr Sicherheit will, darf bei Alkoholsündern keine Gnade walten lassen“, sagt Schleichert. Schon ab 1,1 Promille steige das Unfallrisiko um das Zehnfache an, weil Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Beweglichkeit stark reduziert würden.

„97 Prozent der Ausfallerscheinungen stellen sich da schon ein“, erklärt Schleichert. In die gleiche Kerbe schlägt der Verkehrspsychologe Don Devol vom Tüv Thüringen. Das Rückfallrisiko von Leuten, die mit weniger als 1,6 Promille erwischt würden, sei viel höher als im Durchschnitt. Bei vielen von ihnen sei in einer Untersuchung eine Alkoholabhängigkeit festgestellt worden. Deshalb spricht sich auch er für die 1,1-Promille-Grenze aus. Ob der Verkehrsgerichtstag dieser Linie folgt, wird sich bei der Beschlussfassung an diesem Freitag zeigen.