Autobahn-Rastplatz voll? Mancher Lastwagenfahrer parkt dann eben davor – mit mitunter lebensgefährlichen Folgen für sich und andere Verkehrsteilnehmer. Die Polizei kann wenig ausrichten. Experten fordern schnelle Lösungen von der Politik.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Karlsruhe/Frankfurt/Stuttgart - Ein Lastwagen will auf der A 5 bei Weingarten nahe Karlsruhe auf einen Parkplatz einbiegen. Doch die Einfahrt ist von einem Lastzug blockiert. Der Fahrer schert auf die Autobahn zurück. Ein mit 40 Menschen besetzter Fernbus kann nicht mehr ausweichen und fährt auf den Lastwagen auf. Sieben Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Weitere Folgen: Vollsperrung, lange Staus und hoher Sachschaden.

 

Der Unfall in der Nacht zum 5. Juni 2019 ist kein Einzelfall. Bundesweit kommt es immer wieder zu Unglücken und brenzligen Situationen, weil Lastwagen Autobahnparkplätze blockieren, auf den Ein- und Abfahrten stehen oder auf dem Standstreifen.

Und manchmal sterben deshalb Menschen – wie am 10. Januar 2018 auf der A 6 bei Bad Rappenau nahe Heilbronn. Da war ein Schwertransporter mit Begleitfahrzeug auf dem Verzögerungsstreifen vor dem Parkplatz stehen geblieben, weil der Rastplatz dicht war. In der Dunkelheit raste ein Auto ungebremst in das Begleitfahrzeug. Beide Fahrzeuge fingen Feuer, zwei Menschen kamen ums Leben.

2018: 8611 Lkw-Unfälle auf deutschen Autobahnen

Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 8611 Lastwagen auf Autobahnen an Unfällen mit Verletzten und Toten beteiligt. Wie oft ein voller Parkplatz Ursache war, verrät die Statistik nicht. Doch solche Unfälle fallen zunehmend auf.

Lastwagen-Stellplätze auf Autobahnen sind nicht nur ein Ärgernis für Lkw-Fahrer, sondern zunehmend auch ein Sicherheitsproblem für andere Verkehrsteilnehmer. Davor warnt der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Schon seit Jahren fordert der Verband mehr Stellplätze.

Der Bund habe einiges getan. „Aber das reicht bei Weitem nicht aus“, sagt Verbandssprecher Martin Bulheller. „Das Problem ist nach wie vor akut. Es ist auch ein Verkehrssicherheitsthema“, meint er mit Blick auf Unfälle in Zusammenhang mit überfüllten Autobahnparkplätzen.

In Deutschland sind 800 000 Laster unterwegs

Teils stehen Lastwagen sogar auf Ein- und Abfahrten der Parkplätze oder auf dem Standstreifen. „So etwas gab es früher nicht“, betont Bulheller. Die Fahrer seien in der Zwickmühle. „Das Problem ist: Die Fahrer müssen Lenk- und Ruhezeiten einhalten. Tun sie das nicht, riskieren sie ein Bußgeld. Und bei genug Bußgeldbescheiden ist der Führerschein weg.“

Nach Schätzung des BGL sind auf Deutschlands Straßen rund 500 000 einheimische Lastwagen sowie mindestens 300 000 ausländische Lkw unterwegs – Tendenz steigend. Enger werde es auf Rastplätzen auch, weil vor allem Lastwagen aus Osteuropa teils tagelang auf den nächsten Auftrag warteten und so lange die Stellplätze blockierten.

es fehlen 35 000 und 40 000 Lkw-Stellplätze

Der Branchenverband geht zudem davon aus, dass bundesweit zwischen 35 000 und 40 000 Lkw-Stellplätze fehlen. Den genauen Bedarf hat die Bundesanstalt für Straßenwesen in einer neuen Studie ermittelt, die derzeit vom Bundesverkehrsministerium ausgewertet wird. Der Bericht soll voraussichtlich noch in diesem Sommer veröffentlicht werden.

Derzeit gibt es laut Verkehrsministerium 51 000 Lkw-Parkmöglichkeiten auf Rastanlagen entlang der Autobahnen. Der BGL appelliert an Kommunen und Anwohner, Neu- und Ausbauten von Rastanlagen nicht zu verzögern. „Lkw-Fahrer sind Menschen wie du und ich und müssen ausgeruht sein. Das erhöht die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer“, unterstreicht Bulheller. Der Bund müsse deshalb beim Stellplatzausbau Gas geben. Alle Beteiligten – auch der Bürger als Warenempfänger – müssten an einem Strang ziehen.

Übermüdete Brummifahrer – mehr Unfälle

Zu wenig Lkw-Stellplätze bedeuten aber auch, dass übermüdete Brummi-Fahrer sich nicht ausreichend ausruhen können. Ruhezeiten sind nicht nur gesetzlich vorgeschrieben – sie verhindern auch Unfälle. Das Bundesamt für Güterverkehr führt jedes Jahr rund 500 000 Fahrzeugkontrollen durch. Bei jeder dritten Überprüfung wurden Verstöße gegen das Fahrpersonalrecht sowie die Lenk- und Ruhezeiten festgestellt.

Eine Befragung der Unfallforschung der Versicherer unter Kraftfahrern ergab, dass jeder vierte Fahrer pro Woche mehr als 60 Stunden arbeitet. Aufgrund von Übermüdung und des monotonen Fahrens auf langen Strecken können Fahrer mitunter „bei einer plötzlichen Veränderung der Verkehrslage nicht mehr rechtzeitig reagieren und fahren einfach weiter“, erklärt Wolfram Hell, Leiter der Unfallanalyse des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität München.

2018: Rund 500 Tote bei Unfällen mit schweren Lkw

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zufolge starben bei Unfällen mit schweren Lkw in Deutschland im Jahr 2018 rund 500 Menschen – darunter 174 Lkw-Fahrer (2017: 167; 2016: 132). Mehr als 3200 Personen wurden dabei schwer verletzt – darunter insgesamt 1903 Brummifahrer (2017: 1831).