Der bundesweit im Nahverkehr gültige Fahrschein für neun Euro im Monat steht unter dem Vorbehalt des Bundesrates. Experten des VVS beantworten bei unserer Telefonaktion Fragen rund um das Ticket.

Im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) kann man das Neun-Euro-Ticket seit dem vergangen Freitag kaufen. Aber werden die Kunden damit vom 1. Juni an auch bundesweit im Nahverkehr unterwegs sein können? Das ist eine der Fragen, die die Leser bei der Telefonaktion, die unsere Zeitung am Dienstag mit dem VVS veranstaltete, umtreibt.

 

Zum Ticket, von dem bis Mittwoch im VVS 30 000 Stück verkauft wurden, gibt es Streit zwischen Bund und Ländern, die mehr als die zugestandenen 2,5 Milliarden Euro als Verlustausgleich haben wollen. Am Freitag entscheidet der Bundesrat in einer Marathonsitzung, das Thema soll noch kurzfristig auf die Tagesordnung. 35 von 69 Stimmen sind im Länderparlament zur Annahme nötig, Baden-Württemberg hat sechs.

„Wir rechnen mit 84 Millionen Euro für den VVS, das Geld sollte am 10. Juni kommen“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Rund 400 000 VVS-Kunden haben das Neun-Euro-Ticket quasi automatisch, weil sie ein Abo beziehen oder die Jahreskarte besitzen. Doch auch sie haben Fragen.

Muss ich als Abo-Kunde eine extra Karte kaufen?

Nein, beruhigt Stammler die Anruferin Rosemarie Klingler, die Polygo-Karte und der Verbundpass gelten bereits als Neun-Euro-Fahrschein, man braucht also gar kein Extraticket. Die 72-Jährige hat ein Seniorenabo. Von Juni bis August werden dafür pro Monat dann nur neun Euro abgebucht. Die Enkel können am Wochenende wie bisher im VVS-Gebiet mitfahren, so Stammler.  

Soll man das Jahresticket nun kündigen?

Bloß nicht, warnt VVS-Teamleiter Martin Schugt die Anruferin Ina Dann (33). Der Aufwand sei viel zu groß und man gewinne dabei nichts. Der neun Euro übersteigende Beitrag wird nicht eingezogen, so Schugt.

Was machen Vorauszahler?

Bei Kunden, die ihren Verbundpass für das ganze Jahr auf einen Schlag im Voraus zum Beispiel mit der EC-Karte beglichen haben, fehlen dem VVS Daten zur anteiligen Rückzahlung. Ab Mitte Juni gebe es für diesen Kreis ein Erstattungsformular auf der Homepage, informiert Stammler eine Anruferin. 

Wie werden Freiabos behandelt?

Sie habe ihren Führerschein abgegeben und im Gegenzug eine Jahreskarte erhalten, „was nun?“, fragt Doris Serafini (80). Auf das Auto zu verzichten sei ein großer Schritt, lobt Stammler, das Freiabo dafür gelte nun bundesweit im Nahverkehr, auf der Gäubahn allerdings nicht wie sonst in den IC-Zügen, warnt Stammler, zu dieser Strecke stünden die Deutsche Bahn und das Verkehrsministerium noch in Verhandlungen. 

In den Zügen wird es sicher eng?

Könnte man sich da nicht einen Platz reservieren, will Elli Werf aus Winnenden wissen. Im Nahverkehr geht das leider grundsätzlich nicht, aber der VVS nehme nicht an, dass die Züge überfüllt sein werden, so Stammler.  

Kommt nach dem Billigticket dann 2023 der Preishammer?

Eine Preiserhöhung 2023 habe mit der Neun-Euro-Aktion nichts zu tun. Dessen Kosten übernehme genauso wie beim Heizkostenzuschuss und der gesenkten Steuer auf Benzin und Diesel der Bund, klärt Stammler einen besorgten Frager auf. Aber die Preisrunde 2023 wird kommen.  

Steht fest, dass das 9-Euro-Ticket kommt?

Das entscheidet sich endgültig erst am Freitag im Bundesrat, muss VVS-Teamleiter Thomas Hinterkopf die Reiseplanungen einer Anruferin, die mit dem Ticket Baden-Württemberg erkunden will, bremsen. 

Gilt das 9-Euro-Ticket auch für die Linienschiffe am Bodensee?

Nein, weil diese nicht zum Nahverkehr des dortigen Verbundes gehören. Für die Linienschiffe ist ein zusätzliches Ticket nötig, erklärt Hinterkopf. Vergünstigte Eintritte, die in manchen Museen mit Fahrkarte gelten, muss man im Einzelfall erfragen.  

Studenten haben oft ein kleines Budget. Bekommen sie den Solidarbeitrag zurück?

Ja, auch der Solidarbeitrag wird angerechnet. Umgerechnet auf einen Monat summiert sich der Erstattungsbetrag (aus Studiticket und Solidabeitrag) im VVS damit auf 33,83 Euro. Für den, der auch noch ein Anschluss-Studiticket in einem Nachbarverbund gelöst hat, gilt der Grundsatz, dass der Verbund, der das Anschluss-Studiticket ausgibt, auf Null Euro pro Monat reduziert. Bei einem Verbundpass mit Wertmarke von der DB findet die Erstattung in den Reisezentren/Agenturen statt. Wer online gelöst hat, kann den Antrag über die Website oder App stellen.  

Gilt das 9-Euro-Ticket für den gesamten Nahverkehr in Deutschland?

Ja, das 9-Euro-Ticket ist für den Nahverkehr in ganz Deutschland gültig. Sie können zum Beispiel mit der Regionalbahn nach München fahren und dann dort die U-Bahn nutzen. Zum Nahverkehr gehört übrigens auch der Regional-Express, merkt Thomas Hinterkopf an. Die jeweiligen Tickets seien in den Verbünden bekannt, merkt Stammler an.  

Kann ich mit dem 9-Euro-Ticket auch mit dem ICE fahren?

Das fragt Renate Dzsida aus Mutlangen. Sie will schnellstmöglich mit dem Zug von Stuttgart nach Mannheim fahren. Nein, erwidert Hinterkopf, mit dem Billigticket kann man weder mit einem Intercity-Express (ICE) noch einem Intercity (IC) fahren. Denn beide sind Fernverkehrszüge.  

Muss ich direkt für alle drei Monate lösen oder kann ich mir auch für jeden Monat ein einzelnes Ticket kaufen?

Das 9-Euro-Ticket gilt jeweils nur für einen Monat. Das heißt, es gibt ein 9-Euro-Ticket für den Monat Juni, eins für den Monat Juli und eins für den Monat August. Wer alle drei Monate mit dem 9-Euro-Ticket fahren will, muss sich also drei einzelne Tickets kaufen. Ein 9-Euro-Ticket, das für alle drei Monate gilt, ist nicht erhältlich, erklärt Hinterkopf. 

Wo kann man das 9-Euro-Ticket kaufen?

Das ist schon seit dem 14. Mai im Internet über die Webseite der SSB sowie über die Apps „VVS Mobil“ und „SSB Move“ möglich. Auch in den Kundencentern der SSB sowie in Bussen (nicht in Stuttgart!) ist das Ticket mittlerweile erhältlich. Ab Ende Mai kann das 9-Euro-Ticket dann auch an den Ticket-Automaten gekauft werden, so Hinterkopf. 

Kann man mit dem 9-Euro-Ticket in der ersten Klasse fahren?

Mit dem 9-Euro-Ticket kann man ausschließlich in der zweiten Klasse reisen. Es ist auch nicht möglich, wie üblich durch Zuzahlen auf die erste Klasse aufzustufen. Fahrgäste, die dort reisen möchten, müssen dementsprechend einen neuen Fahrschein für die erste Klasse kaufen. 

Kann man das 9-Euro-Ticket für mehrere Personen kaufen?

Ob für die ganze Familie, eine Reisegruppe oder für Freunde: Es gibt mag viele Gründe geben, warum jemand das 9-Euro-Ticket gleich für mehrere Personen kaufen möchte. Der Lehrer Cornelius Mader vom Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach etwa möchte eine Klassenfahrt mit seinen Schülern unternehmen. „Wir planen, mit einer Schülergruppe nach Leipzig zu fahren“, so der 47-Jährige. „Kann ich für alle meine Schüler gleichzeitig das 9-Euro-Ticket kaufen, damit wir in Leipzig herumfahren können?“ Sabine Hufnagl von der VVS gibt die Antwort: Ja, es ist grundsätzlich möglich, Tickets für mehrere Personen zu kaufen. Am einfachsten wäre es, die Tickets am Automat zu kaufen, da sie dann ohne Personalisierung ausgedruckt werden. Dann einfach noch den Namen des Ticketinhabers per Hand eintragen – fertig. 

Werden zum Kauf oder zur Nutzung des Tickets irgendwelche zusätzlichen Dokumente benötigt?

„Ich habe zu Hause kein Internet und müsste mir das Ticket am Bahnhof holen“, erklärt der 73-jährige Günther Müller aus Schorndorf. „Muss ich dann irgendwelche Dokumente mitbringen?“ Das sei nicht nötig, beruhigt Hufnagl. Auf dem Ticket muss lediglich der Name des Inhabers eingetragen werden. Damit zweifelsfrei kontrolliert werden kann und es nicht zu Missverständnissen kommt, sollten die Fahrgäste ihren Personalausweis dabei haben, rät Sabine Hufnagl. Den sollte man sowieso immer bei sich tragen.  

Dürfen mit dem 9-Euro-Ticket Kinder mitgenommen werden?

Eine Anruferin aus Stuttgart-Mitte möchte wissen, ob sie mit dem 9-Euro-Ticket ihren Sohn mitnehmen darf. Sie wolle mit ihm von Stuttgart nach Berlin fahren. Sabine Hufnagl erklärt: Das 9-Euro-Ticket gilt grundsätzlich nur für eine Person. Allerdings benötigen Kinder im Streckennetz des VVS erst ab sechs Jahren einen eigenen Fahrschein – entweder einen Kinderfahrschein oder das in diesem Fall sicher billigerer 9-Euro-Ticket. In Bezug auf die Berlin-Fahrt gibt sie zu bedenken: Da das 9-Euro-Ticket nur für den Nahverkehr genutzt werden kann, würde eine derart weite Fahrt sehr lange dauern und es sind viele Umstiege nötig.