Der Ig-Nobelpreis wird für skurrile Forschung verliehen. Manche Ideen, die zunächst verspottet worden waren, machten später Karriere.    

Stuttgart - Winterzeit ist Rutschzeit: wenn der Bürgersteig gefroren ist, kann man schon einmal ausrutschen. Dabei gäbe es eine einfache Lösung: Lianne Parkin, Sheila Williams und Patricia Priest von der Universität Otago, Neuseeland, fanden heraus, dass die Rutschgefahr erheblich sinkt, wenn sich Fußgänger Socken über die Schuhe ziehen. Die Wissenschaftlerinnen ließen 30 Probanden einmal mit Socken und einmal ohne über Eis laufen. Für das eindrucksvolle Experiment gab es den Ig-Nobelpreis für Physik 2010; der Name des Preises leitet sich vom englischen Wort "ignoble" ab, unwürdig.

 

Die satirische Auszeichnung wird gelegentlich als Antinobelpreis bezeichnet und auch am Donnerstag wieder von der Harvard-Universität für unwichtige oder skurrile wissenschaftliche Arbeiten verliehen. 1991 als eine Art Studentenstreich eingeführt, erregt die Verleihung inzwischen weltweit Aufmerksamkeit. Der Ig-Nobelpreis soll - so das Motto - einen zum Lachen bringen und dann zum Nachdenken anregen. Doch die Popularität der Veranstaltung führt inzwischen dazu, dass auch belächelte Ideen eine breite Öffentlichkeit erreichen.

1991 bekam als einer der ersten Preisträger Erich von Däniken die Auszeichnung für seine visionären Erklärungen, wie die menschliche Zivilisation durch Astronauten aus dem Weltall beeinflusst wurde. Der amerikanische Physiker Edward Teller erhielt für die Erfindung der Wasserstoffbombe den "Friedenspreis".

Ig-Nobelpreis hat bei Vermarktung geholfen

Weniger bekannt war Alan Kligerman, der den Preis auch tatsächlich abholte. Der Lebensmitteltechniker wurde für seine Pionierarbeit mit Antigas-Flüssigkeiten ausgezeichnet, die Blähung, Übelkeit und Verärgerung reduzieren. Gemeint war "Beano", eine Nahrungsmittelergänzung, die auf dem Enzym Alpha-Galactosidase basiert. Es baut das schwer verdauliche Raffinose in Hülsenfrüchten zu leichter verdaulichen Kohlenhydraten ab und reduziert so die Gasbildung im Verdauungstrakt. Der Name "Beano" leitet sich aus dem englischen Wort "bean" für Bohne ab.

Die Presse verspottete Kligerman als den "Bezwinger der Ausdünstung". Heute ist er es, der lacht. Beano liegt in den USA praktisch in jeder Apotheke aus. Der Erfinder soll sein Patent für zehn Millionen Dollar an den Konzern Johnson & Johnson verkauft haben. "Ich glaube schon, dass der Ig-Nobelpreis bei der Vermarktung geholfen hat", sagt Kligerman heute. "Es gab zwar schon vor der Verleihung ganze Radiosendungen über das Produkt, aber der etwas verschmitzte Name Beano passte gut zu der Idee des Spaßnobelpreises."

Auch heute noch bringen ihn die meisten Menschen mit Beano in Verbindung, dabei ist er genauso stolz auf seine Lactaid-Milch für Menschen mit Laktoseintoleranz.

Katzenkaffee zu horrenden Preisen

Kligerman ist nicht der Einzige, der den Spott in Erfolg umwandelte. John Martinez aus Atlanta befasste sich ebenfalls mit Verdauungsfragen - allerdings von sogenannten Fleckenmusangs, auch Schleichkatzen genannt. Die Tiere fressen Kaffeebohnen und scheiden sie aus - daraus lässt sich die Kaffeesorte Kopi Luwak herstellen, der wohl teuerste Kaffee der Welt.

Martinez hat den Kaffee nicht erfunden, aber in den USA als Erster professionell vertrieben. "Wir verkauften jährlich nur geringe Mengen", sagt Kevin O'Gara von J.Martinez & Company. "Für John Martinez war es vor allem eine Marketingaktion - die ungewöhnliche Herstellung und der Preis brachten uns Aufmerksamkeit und wir konnten uns als Spezialitätenhändler einen Namen machen."

Der Markt sei Ende der 80er Jahre noch unterentwickelt gewesen. Damals habe sich niemand für Kaffeesorten mit besonderem Geschmack interessiert. "Heute gibt es ein Bewusstsein für den Zusammenhang von Geschmack und Herkunft." Der PR-Coup gelang: Neben dem 300 Dollar je Pfund teuren Katzenkaffee schien der von der Firma ebenfalls vertriebene Luxuskaffee Jamaica Blue Mountain mit 40 Dollar erschwinglich. Inzwischen ist dieser ein Verkaufsschlager - genau das war das Ziel.

Nach der Verleihung steigt der Absatz

Überhaupt ist Ernährung häufiges Thema des Ig-Nobelpreises. Paul Bosland vom Chile Pepper Institute der Universität des US-Bundesstaats New Mexico erhielt ihn für die Züchtung eines eigentlich sehr pikanten Jalapeno-Chili ohne jegliche Schärfe. "Vor allem Salsahersteller suchten nach Chili-Abstufungen, um auch milde Saucen herstellen zu können", begründet Bosland seine Innovation.

Der Spottpreis war für ihn der Durchbruch. "Wir erhielten plötzlich viele Anfragen von Privatleuten aus aller Welt, die diesen Chili selbst anbauen wollten." Heute enthalten praktisch alle amerikanischen Saatgutkataloge Boslands Züchtung. Die Industrie nutze das Produkt sogar, um Wein zu würzen und schmerzlindernde Cremes herzustellen, sagt Bosland.

In den vergangenen Jahren regnete es Ig-Nobelpreise für Produkte, deren Absatz nach Verleihung stieg. Gauri Nanda vom renommierten MIT erfand einen Wecker in Form eines Gummiballs: Zur Weckzeit hüpft er vom Nachtisch und rollt in eine zufällige Richtung davon. Man muss mitunter erst einmal unters Bett krabbeln, um die Musik auszuschalten.

Buck Weimer entwickelte "Under-Ease", eine luftdichte Unterwäsche mit Aktivkohlefilter, der üble Gerüche entfernt, bevor sie entfleuchen. Und vor zwei Jahren erhielt Elena N. Bodnar vom Trauma Risk Management Research Institute Chicago den Preis für ihre BH-Kreation, die sich in eine Gasmaske umfunktionieren lässt. Fragt sich, wie Männer dann im Katastrophenfall reagieren.

Hier gibt's die Gewinner.