Der Stuttgarter Arzt Andrej Zeyfang rät dazu, mit menschlicher Wärme auf eine orientierungslose Person zuzugehen. Denn selbst wenn die Sprache verloren gegangen ist, bleibe das Gefühl.

Stuttgart - Der Stuttgarter Arzt Andrej Zeyfang rät dazu, offen und herzlich auf orientierungslose Personen zuzugehen. Denn selbst wenn die Sprache verloren gegangen ist, bleiben Emotionen.

 
Herr Zeyfang, was ist Demenz?
Der Begriff „Demenz“ bedeutet aus dem Lateinischen frei übersetzt „Der Geist ist weg“. Es handelt sich um eine schwerwiegende Störung der geistigen Leistungsfähigkeit, die unabhängig von der Zugrunde liegenden Erkrankung ist. Am bekanntesten und meisten verbreitet ist Demenz vom Alzheimer-Typ, aber auch Durchblutungsstörungen oder andere Ursachen kommen vor. Demenzen schreiten fort und können bis heute leider nicht geheilt werden.
Heute ist ein Mensch noch fähig, sein Leben zu gestalten, morgen läuft er weg. Ist das ein plötzliches Geschehen?
Anfangs haben Menschen mit Demenz vorwiegend Gedächtnisprobleme. Im Verlauf kommt es dann zu Störungen bei alltäglichen Handlungen – etwa beim Anziehen oder beim Kaffee kochen. Oder zu Orientierungsproblemen. Sprachstörungen und Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen gesellen sich dazu. Während es anfangs oft gelingt, die Ausfälle zu verbergen, wird im Verlauf immer offensichtlicher, dass der Alltag nicht mehr allein und vor allem nicht mehr sicher bewältigt werden kann. Alzheimer kommt also nicht plötzlich, sondern ist schleichend. Nur wird von außen meist erst die erste größere „Katastrophe“ wahrgenommen.

Zwischen Würde des Menschen und Anwendung technischer Hilfsmittel

Was geht medizinisch geschehen im Kopf von Demenzerkrankten vor?
Bei rund einem Drittel der Menschen mit Demenz ist eine Durchblutungsstörung die Ursache. Mehr als die Hälfte, rund 60 Prozent, leiden unter der so genannten Alzheimer-Demenz. Bei dieser Erkrankung führen letztlich Ablagerungen von Abfallstoffen im Gehirn zur Zerstörungen von Nervenzellen. Es gibt weitere Demenzerkrankungen, die leider allesamt nicht heilbar sind. Bei der Vorbeugung der beiden genannten Formen spielt die Vermeidung von Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhtem Blutzucker und -fetten sowie gesunde Ernährung, eine Rolle, Stichwort Mittelmeerkost. Und natürlich viel Bewegung. Doch man kann damit nur das Fortschreiten von Demenzen verlangsamen, sie aber eben nicht heilen.
Welche technischen Hilfsmittel für selbstständig lebende Betroffene gibt es? Und welche Probleme werfen sie auf?
Die technologische Entwicklung ermöglicht heute viel, von einfachen Sensormatten oder Nachtlichtern mit Bewegungsmeldern bis hin zu GPS-Sendern oder sprechenden Überwachungsuhren. Der Grat zwischen sinnvoller Freiheit durch Erhalt der Autonomie mit besserem Schutz und dem Verlust von Autonomie und Würde durch Überwachung ist schmal. Menschen mit Demenz verlieren zwar ihre höhere geistige Leistungsfähigkeit, nicht aber ihre Würde und ihre Emotionen.
Was raten Sie: Wie geht man auf eine offensichtlich verwirrte Person zu?
So wie jeder Mensch unterschiedlich ist, kann auch die Reaktion des Angesprochenen unterschiedlich ausfallen. Von schroffer Ablehnung bis zur glücklichen Annahme. Ein freundliches Lächeln, eine freundliche, anteilnehmende Frage sind hilfreich. Etwa „Geht es Ihnen gut?“ oder„Da haben Sie aber eine schwere Tasche, kann ich helfen?“. Empathie und Wärme sind wichtig. Auch wenn Menschen mit Demenz den Inhalt der Sprache bereits nicht mehr richtig verstehen, bleiben doch die Gefühle. Jeder kann zunächst helfen, wenn ein Mensch mit Demenz in einer offensichtlich hilfsbedürftiger Situation ist. Erst dann sind der Rettungsdienst, der Arzt oder das Krankenhaus an der Reihe.