Der US-Bundesstaat Kalifornien macht Mitarbeiter von Vermittlungsplattformen im Internet jetzt per Gesetz zu Angestellten. Ein Schlag für die so genannte Gig-Economy?

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

USA - Kalifornien durchkreuzt das bisherige Geschäftsmodell von so genannten Plattformanbietern im Internet. Diese Firmen – etwa der Fahrtenanbieter Uber – kannten bisher mit Ausnahme weniger Zentralbereiche wie der IT-Entwicklung keine festen Arbeitsverträge. Ihre Fahrer, Lieferanten und Dienstleister agieren nur als Subunternehmer – in der so genannten Gig-Economy. Ausgerechnet in der Gründungsregion vieler dieser ehemaligen Start-ups wird nun die Entwicklung zurückgerollt.

 

Der Senat des bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich bedeutendsten US-Bundesstaates hat ein Gesetz verabschiedet, dass solche Beschäftigungsverhältnisse zur Scheinselbstständigkeit erklärt. Die Unterschrift von Gouverneur Gavin Newsom und die Zustimmung der zweiten Kammer gilt als Formsache

Neuregelung gilt als Meilenstein

Künftig müssen die Unternehmen in Kalifornien ihre Beschäftigten als Angestellte einstufen. In den USA verpflichtet dies unter anderem zur Einhaltung des Mindestlohns und zur Aufnahme in die Arbeitslosenversicherung. Von einem „Meilenstein“ spricht die „New York Times“. Von „Kaliforniens Krieg gegen flexible Arbeitsverhältnisse“ sprach schon vor der Verabschiedung des Gesetzes das „Wall Street Journal“. Während der Fahrtenanbieter Uber zunächst nicht reagierte, zeigte sich Konkurrent Lyft enttäuscht. Man ignoriere „die überwältigende Mehrheit der Fahrer, die eine durchdachte Lösung wollen, die Flexibilität mit Einkommen und Sozialleistungen ausbalanciert.“

Die neue Regelung betrifft zunächst nur den kalifornischen Markt. Bei der Fahrtenplattform Lyft hat dieser nach einer Schätzung der Deutschen Bank einen Umsatzanteil von einem Fünftel; bei Uber sind es sechs Prozent. Laut der US-Investmentbank Morgan Stanley könnten Fahrer ein Drittel teuerer werden.

Eingriff am Ursprungsort der Gig-Economy

Der lange erwartete Schritt, der von den Unternehmen bis zuletzt massiv bekämpft wurde, hat am Ursprungsort der so genannten Gig-Economy aber große symbolische Bedeutung. Er kam nur einen Tag nachdem Generalstaatsanwälte der US-Bundesstaaten gegen Konzerne wie Amazon und Google Kartellermittlungen angekündigt haben. In New York unterliegen Fahrer von Anbietern wie Uber schon dem Mindestlohn.

Das Gesetz kommt für viele betroffene Firmen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Nach dem Börsengang im Mai 2019 kämpft etwa Uber weiter mit roten Zahlen. In dieser Woche hat man den Abbau hunderter Arbeitsplätze im Technikbereich angekündigt, wo bisher die meisten der wenigen festen Arbeitsverträge zu finden waren. Die Anbieter hatten immer damit argumentiert, dass flexible Beschäftigungsverhältnisse im Sinne der Arbeitnehmer seien. Sie könnten sich beispielsweise ihre Arbeitszeit einteilen und seien nicht an Weisungen gebunden.

Allerdings hat es schon unabhängig vom kalifornischen Gesetz in den vergangenen Jahren in den USA eher einen Trend weg von diesen prekären Beschäftigungsverhältnisse gegeben. Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren hat dazu beigetragen, dass deren Anteil laut US-Arbeitsmarktstatistik bei etwa einem halben Prozent stagniert. Auch der generelle Anteil selbstständiger Beschäftigungsverhältnisse ist seit der Finanzkrise 2007 von 7,4 Prozent auf 6,9 gesunken.

Auch in Deutschland Debatte um Arbeitsbedingungen

Auch in Deutschland gibt es seit Jahren eine Debatte um die Arbeitsbedingungen in der so genannten App-Ökonomie, in der Dienstleistungen flexibel vermittelt werden. Im vergangenen Jahr gründeten die Fahrradkuriere des Essenslieferanten Foodora in Berlin einen Betriebsrat. Allerdings wurde dieses Unternehmen nur Monate später vom Konkurrenten Lieferando aufgekauft.

Die einstigen Foodora -Betriebsräte bestehen zwar fort, allerdings wird die Gründung in weiteren Regionen nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erschwert – auch wenn Lieferando offiziell betont, dass man nichts dagegen habe.