Produzenten von Einwegbecher, Essensverpackungen oder Zigarettenfilter sollen sich künftig finanziell an der Müllbeseitigung in Innenstädten beteiligen. Wie ist die Situation in Tübingen und Stuttgart?

Stuttgart - Überquellende Mülleimer, Parks voller Kippen, Einwegbecher auf dem Boden – besonders im Sommer wird Müll in der Stadt zum Problem. Städte wie Stuttgart sauber zu halten, wird aufwendiger und teurer. Bundesumweltministerin Svenja Schuzle (SPD) will deshalb die Kommunen bei dem Thema künftig entlasten. Die Ministerin möchte Hersteller von Wegwerfartikeln verpflichten, die Kosten fürs Ein- und Aufsammeln von Müll im öffentlichen Raum mitzutragen. Bisher bleiben die Kosten an den Städten und Gemeinden hängen.

 

Die Grundlage für die sogenannte Herstellerverantwortung hatte die EU im Frühjahr geschaffen. Fast-Food-Verpackungen, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen und Zigarettenfilter fallen darunter. Als ersten Schritt soll es nun eine deutschlandweite Erhebung geben, welchen Anteil Einwegartikel in öffentlichen Abfallbehältern ausmachen.

Palmer: Tübinger Einweg-Steuer weitaus besser

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hält den Vorstoß Schulzes zwar für angemessen, sieht darin aber nur den „zweitbesten Weg“. „Eine Beteiligung an diesen Ausgaben wird vermutlich erst einmal große bürokratische Hürden erzeugen, deshalb startet ja das Bundesumweltministerium erst einmal mit einer Erhebung. Das kann dauern“, sagte Palmer unserer Zeitung. „Wenn vorweg bezahlt wird, entfällt leider auch der Anreiz zur Vermeidung. Das zeigt der grüne Punkt. Insgesamt meine ich daher, der Tübinger Weg einer direkt bei der Abgabestelle erhobenen Steuer ist weitaus besser.“

Ende letzten Jahres war bekannt geworden, dass Tübingen eine bundesweit einmalige Einwegsteuer einführen will. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss hatte der Gemeinderat im Dezember 2018 gefasst.

Das steckt hinter Palmers Idee

Die Steuer soll auf Verpackungen von Speisen und Getränken erhoben werden, die zum Verzehr unterwegs bestimmt sind, wie beispielsweise Nudelboxen oder Becher für Coffee to go. Palmer sieht in solchen Verpackungen die Zunahme einer „Wegwerfkultur“, deren Kosten die Allgemeinheit tragen müsse.

Der Satzungsentwurf für das Vorhaben ist fertig und geht im Oktober in den Gemeinderat, wie die Stadt Tübingen mitteilte. Ziel ist es weiterhin, dass die Steuer schon Anfang 2020 in Kraft tritt. In Tübingen verursache das Müllaufkommen in der Stadt Beseitigungskosten von etwa 100 000 Euro im Jahr.

Was sagt der Städtetag Baden-Württemberg?

Tübingen hofft, mit der Steuer wirtschaftliche Vorteile für den Gebrauch von Mehrwegprodukten durchzusetzen. Auch der Städtetag Baden-Württemberg pocht in Reaktion auf den Vorstoß der Umweltministerin darauf, dass es wichtig sei, Einweg-Verpackungen von vorneherein zu vermeiden.

„Grundsätzlich freuen wir uns natürlich, wenn die Kommunen entlastet werden“, teilte der Städtetag Baden-Württemberg auf Anfrage mit. „Bei diesem Thema ist es aber mindestens ebenso wichtig, das Übel bei der Wurzel zu packen und die Einweg-Verpackungen weiter einzudämmen – denn was nicht auf der Straße landet, muss auch gar nicht mehr weggeräumt und entsorgt werden.“

Auch in der Landeshauptstadt Stuttgart hat die Vermüllung und Verschmutzung von öffentlichen Flächen nach Angaben der Stadt in den letzten Jahren stetig zugenommen. Auffallend sei das bei Großveranstaltungen und Brennpunkten in der Stadtmitte. Generell nehme die Vermüllung aber in fast allen Stadtbezirken zu.

1 000 neue Mülleimer in Stuttgart

Mit dem Großprojekt „Sauberes Stuttgart“ werden Gehwege und Fahrbahnen seit Anfang April 2019 mithilfe von Kehrmaschinen verstärkt gereinigt. Dafür hat die Stadt zusätzliches Personal eingestellt und mehr Maschinen angeschafft.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden sukzessive bis zu 1 000 neue Papierkörbe im Stadtgebiet aufgestellt und – wo es sinnvoll und möglich ist – das Volumen auf 90-Liter-Behälter erhöht. Insgesamt hat der Gemeinderat für das Maßnahmenpaket „Saubares Stuttgart“ bis 2022 Haushaltsmittel in Höhe von rund 45 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Mehr als 120 neue Mitarbeiter gegen den Müll

Für die neuen Aufgaben wurden nach Angaben der Stadt insgesamt über 120 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, darunter rund 100 direkt bei der Straßenreinigung. Unter anderem wird stärker kontrolliert, wer achtlos seinen Müll auf die Straße wirft. Laut der Stadt zeigen die Kontrollen Wirkung: Bis Anfang Juli wurden in diesem Jahr 136 Bußgeldverfahren wegen illegaler Müllentsorgung eingeleitet. Im gesamten Jahr 2018 wurden 155 Bußgelder verhängt.

Wie die Stadtverwaltung in Stuttgart den Vorstoß der Bundesumweltministerin bewertet, könne man auf die Schnelle nicht sagen, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Solch eine politische Bewertung sei während der Urlaubszeit nicht möglich.