Karin Mueller zeigt ihre Arbeiten im Leonberger Hospiz.

Leonberg - Hospes ist das lateinische Wort für Gastgeber, in einem Hospitium übernachteten in der Antike Freunde wie Fremde auf Reisen für eine gewisse Zeit. Für eine gewisse Zeit bleiben auch die Gäste in einem modernen Hospiz, wobei Claudia Berner, Pressereferentin des Leonberger Hospiz’ in der Seestraße, gerne erklärt, dass es sich vielmehr um Patienten handelt. Diese brauchen Pflege, medizinische, aber auch geistige. Wobei die Konzerte und Ausstellungen, die das Hospiz zeigt, auch der Öffentlichkeitsarbeit dienen sollen. „Wir möchten Barrieren abbauen“, betont Berner. „Wir wollen Menschen einladen, die zunächst nichts mit einem solchen Haus zu tun haben und die dann in gelöster Atmosphäre miteinander ins Gespräch kommen können.“

 

Fotografien und Collagen

Gute 40 Personen haben sich jetzt zur Eröffnung einer Ausstellung eingefunden, bei der Arbeiten der Fotografin Karin Mueller zu sehen sind. Schon einige Zeit vor der Eröffnung um 19 Uhr schlendern Interessierte durch den oberen Stock und begutachten die Fotografien und Collagen der Absolventin der Bayrischen Staatslehranstalt für Fotografie. Ihre Neigung zur Kunst ist ihr wohl in die Wiege gelegt worden, denn bereits während ihrer Schulzeit hat sie sich darauf fokussiert und auch noch eine Ausbildung zur Grafikerin angeschlossen.

Die Mischung aus Foto und Zeichnung ist in ihren Bildern stark ausgeprägt, die häufig mit Grafikprogrammen am Rechner modifiziert werden und so einen surrealen Charakter annehmen. Die Werke alter Meister haben es der Künstlerin angetan, die sie mit sehr modernen Accessoires ausrüstet. Wir finden Dürers Hasen auf einem E-Book mit einer flackernden Kerze als Beiwerk. Einem Wandgraffito von der Mona Lisa wird von ihr nachträglich eine langhaarige lächelnde Frau gegenübergestellt. Größen der holländischen Stillleben werden mit Bildnissen von Langusten und drapierten Korallenketten reflektiert, Knoblauch und Kräuter ergeben ein eigenes Tableau. Natürlich dürfen auch die Schädel nicht fehlen, ein Hauch Mystik hängt beinahe allen Fotografien Muellers an. Ihre Madonnen betrachten nachdenklich ihre Vorbilder aus der Kunstgeschichte. Es ist sogar, sehr gendergerecht, ein „Madonno“ mit dabei.

Bearbeitungsprogramme versus Dunkelkammer

Seit beinahe 20 Jahren experimentiert Karin Mueller mit der digitalen Fotografie und den Bildbearbeitungsprogrammen, die die bis dahin mühselige Arbeit in der Dunkelkammer ersparen. Sie scannt auch schon vorhandene Bilder ein und verändert sie dann. Im Mittelpunkt steht stets die künstlerische Bearbeitung. Diese Neigung hat sie an ihre Tochter weitergegeben, die den Abend der Vernissage mit ihrer Musik begleitet. Irene Reise spielt Oboe bei den Stuttgarter Philharmonikern und spielt im Leonberger Hospiz eine Auswahl klangvoller Stücke.

Kristin Kuhl, die Vorstandsvorsitzende des Hospizvereins begrüßte die Künstlerin mit einem Zitat des Herstellers Leica: „Wer sehen kann, kann fotografieren. Sehen lernen kann allerdings dauern.“ Das Publikum quittierte diese Ansage mit viel Applaus und ließ sich im Gespräch mit Karin Mueller die eine oder andere Idee zu den Werken erklären. Die Künstlerin erzählte den Besuchern, wie sie sich das Arbeiten am Computer selbst mit Hilfe ihres Mannes beigebracht hat und sich dadurch für sie neue künstlerische Möglichkeiten eröffneten, um losgelöst vom Fotografischen in die gestalterische Kreativität zu gelangen. So entstanden die Stillleben, in denen der Betrachter die Dreidimensionalität des Raums empfinden kann. Ein klarer Blick für das Detail, Mut zu ungewöhnlicher Kombination und Übergänge zur klassischen Malerei erstaunen den Betrachter, lassen ihn schmunzeln und entdecken.

Was, wann, wo

Die Ausstellung im Obergeschoss der Hospizes Leonberg, Seestraße 84, geht bis 21. Juni. Für Besucher ist sie wochentags von 10 bis 16 Uhr zugänglich.