Der Versandhändler stellt dem Gemeinderat Pläne für das Gewerbegebiet Häslach im Stadtteil Darmsheim vor. Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer begrüßt die Ansiedelung – und die meisten Fraktionen ebenfalls, aber unter Vorbehalt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Bereits die Pakete für das Weihnachtsfest 2021 will Amazon von Sindelfingen aus in die nähere Umgebung ausliefern. Der Versandhändler hat gemeinsam mit seinem örtlichen Partner dem Gemeinderat seine Pläne für die Ansiedlung im Gewerbegebiet Häslach im Stadtteil Darmsheim vorgestellt. Dort soll auf einem zwölf Hektar großen Grundstück ein Verteilzentrum entstehen, von dem aus die Waren auf der „letzten Meile“ ausgeliefert werden sollen. Der Stadtverwaltung liegt der Bauantrag dafür vor. „Das Vorhaben ist die Investition eines globalen Players in unseren Standort und mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbunden“, begrüßte der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer die Ansiedlung Amazons in Sindelfingen.

 

Bauherr ist ein lokaler Mittelständler

Bauherr des Projekts ist die Firma Cobis, die aus dem Baustoffhersteller Schäfer hervorgegangen ist. Früher befanden sich auf dem Grundstück eine Produktionshalle und Lagerflächen des Betriebs. Nun soll dort ein nachhaltiges Gewerbegebiet mit Pilotcharakter entstehen, Amazon ist der Ankermieter dafür.

Seit der Eröffnung des Darmsheimer Tunnels vor zwei Jahren ist die Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz über die nahe Bundesstraße 464 ideal. Auf fossile Brennstoffe soll verzichtet werden, die Versorgung mit Ökostrom und begrünte Dächer gehören unter anderem zum Konzept, das in der nicht-öffentlichen Sitzung vorgestellt wurde.

Dazu passt, dass der Versandhändler eines Tages eine rein elektrisch angetriebenen Flotte betreiben will. Bis zu 300 Fahrzeuge werden für Amazon rund um Sindelfingen unterwegs sein, zu Beginn fahren 60 davon mit Strom. In dem Verteilzentrum werden in Spitzenzeiten bis zu 200 Personen beschäftigt sein, hinzu kommen die Fahrer. Außerdem hat Amazon die Gründung einer Gesellschaft am Standort Sindelfingen zugesagt, „und somit Bedenken ausgeräumt, das Unternehmen würde nicht zum Gewerbesteuereinkommen der Stadt beitragen“, teilt die Verwaltung mit.

Kommunalpolitik kann nicht mitreden

Mitreden kann die Kommunalpolitik bei der Ansiedlung kaum. „Wir sprechen über eine Investition und eine Vermietung auf einem Privatgrundstück, nicht auf einem städtischen Grundstück“, stellte Bernd Vöhringer angesichts kontroverser Diskussionen klar. Vor allem in Darmsheim waren Befürchtungen laut geworden, die Ansiedlung könne zu einer Verkehrsbelastung in dem Stadtteil führen. Die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung und des Gemeinderats seien begrenzt, so lange sich die Bauherren an das Baurecht halten. Der Versandhändler ist auch noch an einem zweiten Standort in Sindelfingen interessiert, zu der Fläche im Stadtteil Maichingen liegt jedoch noch kein Bauantrag vor.

Die CDU sei Amazon gegenüber aufgeschlossen, sagt deren Fraktionschef Walter Arnold: „Man muss umdenken: Die Mehrheit kauft eben beim Versandhandel ein.“ Außerdem sei es in Zeiten des Stellenabbaus „nicht ganz negativ“, wenn neue Arbeitsplätze entstehen, die nicht von der Automobilindustrie abhängig seien. „Wir haben mit dem Konzern Probleme, aber nicht mit der Ansiedlung“, erklärt Tobias Bacherle von den Grünen. Beschwerden über die Arbeitsbedingungen, die Steuerehrlichkeit und das Datensammeln des US-Konzerns stoßen seiner Partei auf. Das Konzept des lokalen Mittelständlers Cobis findet er überzeugend.

Von Verkehrschaos geprägt

Armin Kienle wirbt um Verständnis für die Darmsheimer: „Der Stadtteil ist von Verkehrsbelastung und -chaos geprägt“, sagt der Ortschaftsrat (Freie Wähler). Aber die Amazon-Flotte müsse nicht durch Darmsheim durchfahren: Er geht davon aus, dass der Technologiekonzern zu einer ausgefeilten Routenplanung in der Lage ist, um mit den Paketen schnell ans Ziel zu kommen. Und er hofft, dass die Ansiedlung von Amazon andere positive Effekte haben wird: Das Gewerbegebiet könnte zu einem Cluster für E-Mobilität werden – mit anderen Firmen, die dann hochwertige Arbeitsplätze bieten.