Chinas Zuwendungen sind keine Geschenke, sondern Kredite, die irgendwann fällig werden. Sind die Asiaten die neuen Kolonialherren?

Johannesburg - Dass der dschibutische Geschäftsmann seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wird schon nach seinem ersten Satz verständlich. „Sie sind mit Rauschgift-dealern zu vergleichen“, sagt der Unternehmer, dessen Familie schon seit drei Generationen in dem afrikanischen Kleinstaat am Golf von Aden lebt: „Sie geben dir so lange alles, was dein Herz begehrt, bis du von ihnen abhängig bist. Und dann wird nach ihrer Pfeife getanzt.“

 

Chinesische Festung sorgt für Kopfzerbrechen

Die Rede ist von den Chinesen, die in Sichtweite seiner Firma einen neuen Hafen gebaut haben: Gleich dahinter ist eine riesige, wie eine neuzeitliche Kreuzritterburg wirkende Befestigungsanlage zu sehen. Sie ist der erste militärische Stützpunkt, den die aufstrebende Weltmacht außerhalb Chinas errichtet hat: eine strategisch bestens platzierte Festung, die anderen in Dschibuti militärisch präsenten Weltmächten wie den USA, Frankreich oder Japan ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.

Kürzlich kündigte Dschibutis Regierung außerdem ihren Vertrag zum Hafenmanagement mit Dubais DP World: Auch das werden vermutlich bald die Chinesen übernehmen. Sie haben schließlich auch die mehr als 700 Kilometer lange Eisenbahnlinie von Dschibuti in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba gebaut und finanziert – genau wie die zahlreichen neuen Straßen des Kleinstaats, das neue Krankenhaus, das Freihandelszentrum und den Flughafen Bicidley. „Eigentlich alles“, sagt der Geschäftsmann. Nur ein Teil der chinesischen Zuwendungen sind Geschenke, die man Entwicklungshilfe nennen könnte: Beim Großteil handelt es sich um Kredite, die zurückzuzahlen sind.

Dschibuti ist bereits mit mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar beim Reich der Mitte verschuldet: 88 Prozent seines Bruttoinlandproduktes. Erfahrungsgemäß geht ein solches Verhältnis nicht lange gut: Es sei denn, man verpfändet irgendwann sein Familiensilber – wie das Management des Hafens. „Darauf haben es die Chinesen abgesehen“, sagt der dschibutische Geschäftsmann mit finsterer Miene: „Sie wollen unser Land in ihren Griff bekommen.“

Was 15 Jahre chinesische Zuwendung in Afrika bewirkten

15 Jahre ist es inzwischen her, dass sich das Reich der Mitte Afrika zuwandte: Der Handel zwischen dem Kontinent und China explodierte in diesem Zeitraum von zehn auf 170 Milliarden Dollar, rund eine Million Chinesen kamen zum Arbeiten und Geschäftemachen, weit über 10 000 chinesische Firmen sind inzwischen in Afrika aktiv. Die Aufmerksamkeit der aufstrebenden Weltmacht bescherte dem marginalisierten Kontinent einen beachtlichen Aufschwung: Dass Afrika in den vergangenen 15 Jahren das anhaltendste Wirtschaftswachstum nach der Entkolonialisierung erlebte, ist in erster Linie Chinas Interesse zugeschrieben.

Peking pflegt seine enge Beziehung zu dem Kontinent als „Win-win-Verhältnis“ zu beschreiben: Doch angesichts des enormen Kapital- und Machtgefälles zwischen den beiden ungleichen Partnern sind Experten skeptisch. „Es ist, wie wenn ein Fahrradfahrer Fahrt aufnehmen will, indem er sich an einem startenden Jumbojet festhält“, sagt Yu-Shan Wu, Politologin an der Johannesburger Witwatersrand-Universität: „Das kann ihn enorm beschleunigen oder ihm den Arm abreißen.“

Die Klagen über chinesische Hilfe mehren sich

Die größte Gefahr für die Fahrradfahrer ist zweifellos die Schuldenfalle. Nach Berechnungen der China-Afrika-Forschungsinitiative der John-Hopkins-Universität im US-Staat Maryland stehen Afrikas Staaten bereits mit 130 Milliarden Dollar beim Reich der Mitte in der Kreide. Neben Dschibuti droht vor allem Sambia, Äthiopien und Kenia die feindliche Übernahme: Der südafrikanische Staat Sambia gibt bereits ein Fünftel seines Jahresbudgets zur Tilgung seiner Schulden aus. Unter der Last chinesischer Kredite für eine von Chinesen gebaute Eisenbahnlinie musste Kenia seinen Mehrwertsteuersatz kürzlich um bis zu fünf Prozent erhöhen, was den Ärger über die fernöstliche Hilfe verstärkte. Dass es beim Bau der neuen Eisenbahnlinie zwischen der Hafenstadt Mombasa und der Hauptstadt Nairobi zu zahlreichen rassistischen Zwischenfällen gekommen sein soll, hat dem Ansehen der chinesischen Baumeister auch nicht genutzt. Überall auf dem Kontinent mehren sich die Klagen über die Schattenseite der Bruderhilfe: Von manchen werden die eher distanziert auftretenden Asiaten bereits als neue Kolonialherren betrachtet. In Sierra Leone sagte der neue Präsident Julius Maada Bio als einer der ersten afrikanischen Staatschefs Nein zu einem von seinem Vorgänger gepushten chinesischen Großprojekt: Ein neuer Flughafen sei für das gerade mal sieben Millionen Einwohner zählende Ländchen nun gewiss nicht nötig.

In Ghana beschweren sich heimische Fischer, dass ihnen chinesische Fischdampfer die Fanggründe leer fegen, und in Mosambik klagt die Bevölkerung über die Zerstörung ihrer Strände durch den Sandabbau chinesischer Firmen. In Uganda sah sich Präsident Yoweri Museveni nach einer Welle von Einbrüchen in chinesische Firmen gezwungen, das Militär zu Hilfe zu rufen, und in Sambia kam es bereits zu Massenprotesten gegen die Arbeitsbedingungen in von Chinesen betriebenen Kupferminen.

Die Stimmung gegenüber den asiatischen Brüdern droht in vielen afrikanischen Staaten zu kippen: „Die Atmosphäre ist schlecht“, sagt die Kenianerin Elizabeth Horlemann, die als „interkulturelle Trainerin“ arbeitet: „Viele Kenianer meinen, dass ihr Land an die Chinesen ausverkauft wird.“ Da half die jüngste Enthüllung nicht, dass die Chinesen bei ihrem Bau des Sitzes der Afrikanischen Union in Addis Abeba Abhörgeräte in das Gebäude installierten: Die abgehörten Gespräche wurden offenbar fünf Jahre lang direkt nach Peking durchgestöpselt.

China hilft auch beim Thema Überwachung

Der zu erwartende diplomatische Affront blieb aber aus: Afrikas Regierungschefs waren mehr daran interessiert, was Peking seinen Brüdern auf dem Gebiet der Kommunikationskontrolle so alles anzubieten hat. Nach Angaben des Washingtoner Freedom House veranstaltet die chinesische Regierung regelmäßig Seminare über elektronische Überwachung und die Zensur des weltweiten Netzes, die stets auf großes Interesse trafen: In ihrem Wunsch nach Absicherung ihrer Herrschaft fühlen sich viele afrikanische Präsidenten mit dem mächtigen chinesischen Parteiführer seelen- und interessenverwandt.

Der Drache speit unterdessen weiter goldene Flammen. Beim afrochinesischen Gipfeltreffen im Herbst versprach Parteichef Xi Jinping zusätzliche 60 Milliarden Dollar in Form von Krediten, zinslosen Darlehen sowie die Finanzierung chinesischer Exporte. Und keiner der 51 anwesenden afrikanischen Präsidenten sagte: „Nein, danke.“ Irgendwann werde es ihnen noch leidtun, glaubt der Geschäftsmann in Dschibuti: „Aber dann sind ja schon ihre Nachfolger an der Macht.“