Donald Trump muss wegen eines sexuellen Übergriffs eine Millionen-Entschädigung zahlen. Was in anderen Ländern jede politische Karriere beenden würde, kann im heutigen Amerika den Wahlkampf anheizen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump will gegen seine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs in Berufung gehen. Das kündigte er nach dem verlorenen Zivilprozess per Videobotschaft an. „Die ganze Sache ist ein Betrug und . . . eine Schande für unser ganzes Land“, wettert der Republikaner, der 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen will.

 

Worum ging es in dem New Yorker Zivilprozess gegen Trump?

Eine New Yorker Geschworenenjury hatte Trump dazu verurteilt, wegen des von einer US-Autorin angezeigten Sexualdelikts eine Entschädigung in Höhe von fünf Millionen US-Dollar (rund 4,56 Millionen Euro) zu zahlen.

Die Autorin E. Jean Carroll hatte Trump vorgeworfen, er habe sie Mitte der 1990er Jahre in einem New Yorker Nobelkaufhaus vergewaltigt. Der damals noch nicht als Politiker tätige Immobilienunternehmer wies die Anschuldigung stets zurück.

Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, zivilrechtlich steht der heute 79-jährigen Carroll der Rechtsweg jedoch offen. Die Jury wertete den Vorfall nun unter anderem als sexuellen Missbrauch. Den Vorwurf der Vergewaltigung wies sie zurück.

Was sagen die Republikaner?

Anfang April war Trump als erster ehemaliger US-Präsident in einem anderen Verfahren strafrechtlich angeklagt worden. Gegen ihn wird wegen einer Reihe möglicher Verbrechen ermittelt. Trotz aller Vorwürfe stehen die Republikaner immer noch weitgehend geschlossen hinter ihrem Ex-Präsidenten.

Dennoch sind auch kritische Töne zu hören. „Die Republikaner sollten dies nicht abtun und sagen, dass dies nicht von Bedeutung ist“, sagt der Ex-Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, Asa Hutchinson. Er bewirbt sich ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.

Der republikanische Senator Kevin Cramer erklärt, das Urteil sei nicht „disqualifizierend“, habe aber Auswirkungen auf Trumps Wählbarkeit. „Das und einige andere Dinge lassen mich daran zweifeln, ob er der beste Kandidat für die Partei wäre.“ Der Trump-Verbündete Kevin McCarthy als Vorsitzender des Repräsentantenhauses will das Urteil nicht kommentieren.

Wie wird Trump jetzt reagieren?

Donald Trump will in die Berufung gehen. Doch selbst wenn das Urteil bestätigt werden sollte, ist seine Kampagne keineswegs erledigt. Weder eine weitere Anklage noch eine Verurteilung, ja nicht einmal eine Haftstrafe würden seiner erneuten Kandidatur juristisch im Wege stehen.

Kann/darf Trump noch an seiner Kandidatur festhalten?

Ganz klar: Ja. Er könnte sogar aus der Haftanstalt heraus kandidieren. „Nichts im Gesetz würde das verhindern“, betont Michael W. McConnell, Direktor des Zentrums für Verfassungsrecht an der Stanford Law School in Kalifornien, gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).

Artikel 2 der amerikanischen Verfassung listet drei Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, damit jemand zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden kann: 1. Die Person muss in den USA geboren sein.

2. Sie muss mindestens 35 Jahre alt sein.

3. Sie muss ihren Wohnsitz seit 14 Jahren in den USA gehabt haben.

Gibt es Präzedenzfälle in der US-Geschichte?

Donald Trump wäre im übrigen nicht der erste straf-oder zivilrechtlich Verurteilte, der sich für das höchste Staatsamt in den USA bewirbt. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 kandidierte Lyndon LaRouche, während er wegen Steuerhinterziehung und Betrug im Gefängnis saß.

1920 trat Eugene V. Debs als Chef der Sozialistischen Partei aus dem Gefängnis heraus an. Er wurde verurteilt, weil er gegen die Teilnahme der USA am Ersten Weltkrieg protestiert hatte.

Was wäre das definitive Aus für Trumps politische Ambitionen?

In der US-Verfassung existiert ein einziger Straftatbestand, der das Ende für Trumps Ambitionen auf die Präsidentschaft besiegeln würde. „In der Mehrzahl der Fälle macht es keinen Unterscheid, für welchen Anklagepunkt er verurteilt würde“, erläutert Verfassungsrechtler McConnell weiter. „Es sei denn, er würde wegen eines Aufstands verurteilt.“

Laut 14. Zusatz zur US-Verfassung darf niemand ein öffentliches Amt bekleiden, der „an einem Aufstand oder Aufruhr“ gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten „teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat“.

Sollte Trump also wegen des Sturms auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 angeklagt und verurteilt werden, wäre dies wohl das Ende seiner politischen Ambitionen.

Dürfte Trump auch als Straftäter oder Häftling kandidieren?

Dennoch: Selbst als verurteilter Straftäter oder Häftling könnte Donald Trump kandidieren und – so er die 60. Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten am 5. November 2024 gewinnt – regieren.

Trotz des verlorenen Prozesses in New York ist er derzeit noch immer der aussichtsreichste republikanische Bewerber um das höchste Staatsamt. Sein potenzieller Herausforderer, der Gouverneur von Florida Ron DeSantis, liegt in den meisten Umfragen abgeschlagen hinter Trump.

Info: Weitere Verfahren gegen Donald Trump

Anklage in Schweigegeldaffäre
Im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016 wurde Trump Ende März als erster Ex-Präsident der US-Geschichte strafrechtlich angeklagt. Die Staatsanwaltschaft von Manhattan wirft dem Republikaner die Fälschung von Geschäftsdokumenten in 34 Fällen vor. Bei einem historischen Gerichtstermin Anfang April plädierte Trump auf nicht schuldig. Der Prozess dürfte frühestens Anfang kommenden Jahres beginnen.

Wahlbeeinflussung in Georgia
Im US-Bundesstaat Georgia leitete die Justiz nach der Präsidentschaftswahl 2020 Ermittlungen zu Versuchen von Trump und seinen Verbündeten ein, den Ausgang der Wahl zu kippen. Unter anderem hatte Trump Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger in einem Telefonat aufgefordert, die für einen Sieg in dem Südstaat nötigen Wählerstimmen zu „finden“. Trump könnte deswegen Verschwörung im Zusammenhang mit Wahlbetrug oder Wahlbeeinflussung zur Last gelegt werden. Eine sogenannte Grand Jury hat bereits einen Abschlussbericht vorgelegt, in dem nach Angaben der Vorsitzenden des Laiengremiums in mehreren Fällen Anklagen empfohlen wurden. Unklar ist aber, gegen wen. Die zuständige Staatsanwältin Fani Willis will im Verlauf des Sommers über Anklagen entscheiden.

Kapitol-Erstürmung
Das US-Justizministerium ernannte im vergangenen November einen Sonderermittler, um Trumps Rolle bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021 zu untersuchen. Sonderermittler Jack Smith prüft seitdem, ob der damalige Präsident strafrechtliche Verantwortung für den blutigen Angriff auf den US-Kongress trägt. Hunderte radikale Trump-Anhänger hatten das Kapitol gestürmt, als dort der Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 zertifiziert werden sollte. Trump hatte seine Anhänger zuvor dazu aufgerufen, zum Kapitol zu marschieren und „auf Teufel komm raus“ zu kämpfen. Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zur Kapitol-Erstürmung empfahl der Justiz im vergangenen Dezember, gegen Trump ein Strafverfahren unter anderem wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einem Aufstand einzuleiten.

Geheimdokumente
Sonderermittler Smith befasst sich auch mit geheimen Dokumenten, die in Trumps Luxusanwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida gefunden wurden. Die US-Bundespolizei FBI hatte im vergangenen August bei einer Razzia in Mar-a-Lago zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt, die Trump bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus in sein Anwesen mitgenommen hatte, darunter Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Eigentlich hätte Trump die Dokumente zum Ende seiner Amtszeit dem Nationalarchiv übergeben müssen.

Finanzbetrug
Die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates New York, Letitia James, verklagte im September 2022 Trump und seine drei ältesten Kinder wegen Finanzbetrugs. Die Familienholding „Trump Organization“ soll über Jahre hinweg den Fiskus, Banken und Versicherungen getäuscht haben, um sich Vorteile zu verschaffen, und dabei beispielsweise den Besitz von Immobilien zu hoch oder zu niedrig angesetzt haben. James strebt Strafen von 250 Millionen Dollar an.