Das Verwaltungsgericht Stuttgart setzt dem Land eine letzte Frist, um die versprochene Verkehrsminderung auf der Cannstatter Straße umzusetzen. Sonst droht ein Zwangsgeld.

Stuttgart - Das Verwaltungsgericht Stuttgart pocht beim Land auf die Erfüllung seiner im Vergleich mit Feinstaubklägern 2016 gegebenen Zusage zu einer Verkehrsreduzierung auf der Cannstatter Straße. Die 13. Kammer des Gerichts folgte am Mittwoch mit seinem Beschluss im Vollstreckungsverfahren den Forderungen der Kläger und setzte eine letzte Frist.

 

Das Gericht verpflichtet das Land auf 20 Prozent weniger Autoverkehr auf der Cannstatter Straße bis spätestens zum 30. April 2018. Im Vergleich war der 1. Januar festgeschrieben worden. Die Reduzierung gilt nur an Tagen, an denen die Stadt Feinstaubalarm ausruft. Sie soll helfen, die starken Überschreitungen der Grenzwerte bei Feinstaub und Stickstoffdioxid einzudämmen.

Das Land hatte den Vergleich im Entwurf zum Luftreinhalteplan Stuttgart mit der Maßnahme M 2c aufgenommen und gestaltet. Zuvor hatte der Ministerrat mit Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) zugestimmt. Betroffen wären vier Straßen: die Cannstatter Straße am Neckartor, die Tal- und Wagenburgstraße und die Landhausstraße im Stuttgarter Osten. Sie wären dann für Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 5/V gesperrt. Geregelt würde dies mit dem Schild Durchfahrt verboten plus dem Zusatzzeichen für die Diesel-Definition. Der Planentwurf wurde inzwischen komplett zurückgezogen.

Für den Fall, dass die letzte Frist vom Land nicht eingehalten werden sollte, hat das Gericht ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro angedroht. Es schöpft damit die maximale Grenze für die Geldstrafe aus. Weigert sich das Land weiterhin, kann die Summe auf Antrag der Kläger nach jeweils erneuter Fristsetzung auch mehrfach eingetrieben werden. Allerdings wird das Geld nur intern verschoben, wandert vom Verkehrs- zum Justizministerium.

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Einwände des Landes zurückgewiesen

Das Verwaltungsgericht (VG) unter dem Vorsitz von Richter Wolfgang Kern hat in seinem Beschluss alle Einwände des Landes zurückgewiesen. Der Anwalt Wolfram Sandner hatte in der Verhandlung am Dienstag für das Land argumentiert, dass das Fahrverbot rechtlich nicht zulässig sei. Ein Verbot für Autos mit grüner Plakette in der Umweltzone sei nicht möglich. Hier habe das Land zuvor eine gegenteilige Auffassung vertreten, merkte Kern an.

Außerdem, so Sandner, komme es mit dem Fahrverbot in der Heilbronner und Pragstraße sowie an einer Stelle in der Schozacher Straße durch Ausweichverkehr zu höheren Werten. In der Schozacher Straße würde sich laut Berechnungen eine Grenzwertüberschreitung um ein Mikrogramm ergeben. Eine Verschlechterung dürfe es aber nicht geben, das habe das Verwaltungsgericht Sigmaringen entschieden. Er sei daher „sehr gespannt“ auf die Argumentation des Gerichts, so Sandner, der außerdem sagte, das Fahrverbot für Diesel könne gar nicht überprüft werden.

BUND: Neckartor kein rechtsfreier Raum

Das Gericht beurteilt die Sachlage anders. Einzelne Straßen dürften auch in der Umweltzone zur Luftreinhaltung gesperrt werden. Bei einer Überschreitung an anderer Stelle sei das Land gesetzlich verpflichtet, auch dort Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung zu ergreifen. Dieses Vorgehen hatte das Land im Luftreinhalteplan beschrieben. Und, so die Kammer weiter, ein Verbot könne immer, wie es auch bei anderen Regelungen allgemein üblich sei, stichprobenartig kontrolliert werden.

„Das Land kann sich nicht aus seiner Verpflichtung herausmogeln“, kommentierte der Klägeranwalt Roland Kugler den Beschluss. Stuttgart habe ein flächendeckendes Luftproblem im Talkessel, die Zahl einpendelnder Fahrzeuge müsse deutlich verringert werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bezeichnete das Urteil als „wegweisend und weiteren Schritt für eine ernsthafte Luftreinhaltepolitik“. Das Gericht habe in ungewöhnlicher Deutlichkeit klargestellt, dass die Bevölkerung „ein gesetzlich verbrieftes Recht auf saubere Luft hat und das Neckartor kein rechtsfreier Raum ist“, so die Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender.

CDU setzt auf technische Innovationen

Die CDU-Fraktion im Landtag warnte vor Fahrverboten. Staatliche Maßnahmen müssten rechtlich Bestand haben, man setze auf Innovationen. Regierungssprecher Rudi Hoogvliet sagte für das Land, man warte die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheide dann über das weitere Vorgehen. Regierungspräsident Wolfgang Reimer (Grüne) hatte dagegen nach der Verhandlung gesagt, man werde Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen,nun schloss er sich der Sprachregelung des Staatsministeriums an. Mit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim wäre er gehemmt. OB Fritz Kuhn (Grüne) wollte die Entscheidung nicht kommentieren.