Um Altverträge mit hoher Verzinsung zu kündigen, lassen sich die Finanzinstitute einiges einfallen. Verbraucherschützer raten Kunden, Kündigungen oder Vertragsänderungen nicht leichtgläubig zuzustimmen.

München - Bauspar- und andere langfristige Sparverträge zählen zu den beliebtesten Anlageformen in Deutschland. Zwei Drittel aller Verbraucher über 18 Jahren verfügen über mindestens ein Produkt dieser Art, weiß die Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv). Oft sind diese Verträge gemessen am heutigen Zinsniveau hoch verzinst – und das über Bonusregelungen vor allem mit zunehmender Laufzeit. Spar- und Bausparkassen werden sie zur Last, weil ihre früheren Zusagen kaum noch adäquat am Markt refinanziert werden können.

 

Sie greifen deshalb immer öfter zu mehr oder weniger legalen Tricks, um Altverträge loszuwerden, hat die Vzbv in einer Studie aufgedeckt. „Sie stellen das Prinzip der Vertragstreue infrage“, sagt Beate Weiser, Referentin für Finanzthemen beim Vzbv. Viele Praktiken seien nicht vom Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Februar 2017 gedeckt. Dort war die Praxis von Bausparkassen für rechtens erklärt worden, seit über zehn Jahren zuteilungsreife Bausparverträge zu kündigen.

Finanzinstitute streiten Schuld ab

In der Studie gehe es um Verträge, die entweder noch gar nicht oder erst seit wenigen Jahren zuteilungsreif sind, so Weiser. Das geschehe mangels Grundsatzurteilen oft in einer rechtlichen Grauzone. Für Verbraucherschützer ist die Sache aber klar.

„Wenn Finanzinstitute langfristige Sparverträge kündigen oder Kunden überreden, sich von diesen Verträgen zu trennen, wälzen sie die negativen Folgen des Niedrigzinsumfeldes einseitig auf die Verbraucher ab“, kritisiert Weiser. Die Kritisierten sind sich keiner Schuld bewusst.

Kreditinstitute in Deutschland fühlten sich stets zur vertragsgetreuen Erfüllung ihrer Verträge verpflichtet, entgegnet der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft im Namen von Sparkassen. Es müsse aber möglich sein, auf veränderte Bedingungen wie dauerhaft niedrige Zinsen „sachgerecht reagieren zu können“, heißt es in einer Erklärung. Kündigungen von Verträgen unter bestimmten Bedingungen habe der BGH erlaubt. Darauf hebt auch der Verband privater Bausparkassen ab und hält die Lage seit dem Urteil im Vorjahr für beruhigt. Strittig und vor gerichtlicher Klärung seien nur noch außergewöhnliche Einzelfälle.

In persönlichen Gesprächen über den Tisch gezogen

Die Vzbv-Studie spricht eine andere Sprache. Für betroffene Sparer besonders perfide sei, wenn sie in persönlichen Gesprächen über den Tisch gezogen werden sollen. Dann könnten irreführende Aussagen kaum belegt werden, bedauern Verbraucherschützer. Mal werde behauptet, ein Vertrag sei beiderseitig erfüllt, obwohl eine Sparkasse noch in der Pflicht ist und Vertragslaufzeiten über Jahrzehnte hinweg bestehen. Ein anderes Mal würden Alternativen angeboten, die angeblich für den Kunden günstiger seien, was bei genauem Blick nicht stimme. Häufig würden auch Sparbeiträge etwa von vertraglich vereinbarten 150 auf 50 Euro monatlich willkürlich limitiert, weil die Institute dann weniger Zinsen zahlen müssen.

Wer in einer Filiale derartigen Änderungen leichtgläubig zustimmt, kann nicht mehr zurück, warnt die Vzbv, denn in solchen Fällen gebe es kein Widerrufsrecht. In Schreiben an unliebsame Kunden sind Sparkassen vorsichtiger. Hier ist das Erwecken eines falschen Eindrucks das Prinzip. Da wird zwar einseitig auf einen unattraktiven Sparzins von 0,001 Prozent hingewiesen, aber die vereinbarte Prämie zu Vertragsende verschwiegen, die zu einer Gesamtrendite von drei Prozent führt.

Beliebt sind auch Appelle an die Verantwortung für das Kollektiv. Wer in einen hochverzinslichen Vertrag weiter einbezahle, „schädigt nicht nur die Bausparkasse sondern auch die gesamte Bauspargemeinschaft“, schreibt eine Bausparkasse ihren Kunden. Ähnlich klingt es bei anderen Instituten. Das ist ein völlig ungerechtfertigter Vorwurf, stellt die Vzbv klar. Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass Tarifbedingungen erfüllt werden.

Sparkassen locken mit Einmalzahlung bei Kündigung

Über den Tisch ziehen wollen Sparkassen lästige Kunden auch per Einmalzahlung. Sie bieten zwischen 250 und 700 Euro für eine Vertragsauflösung an, obwohl die bestehenden Verträge allein in einem Jahr mehr als das und über die Jahre mehrere Tausend Euro Zinsen garantieren. Wenn Kunden das Spiel durchschauen, wird regelmäßig mit Kündigung gedroht. Es ist sogar ein Fall dokumentiert, in dem eine Bank ihre Riester-Vorsorgesparpläne mit der Begründung kündigt, sie könnten nach einer Softwareumstellung „nicht in die neue IT-Landschaft übernommen werden“.

Besonders dreist findet Verbraucherschützer Niels Nauhauser Kündigungen wegen des Gebots der Wirtschaftlichkeit oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage, wobei diese als das allgemeine Niedrigzinsumfeld definiert wird. Unter anderem dazu prozessiert die Vzbv derzeit in zweiter Instanz. Nur selten hätten Gerichte bisher die Praktiken von Sparkassen als rechtswidrig zurückgepfiffen. In potenziell bedeutsamen Fällen einigen sich die Anbieter mit ihren Kunden regelmäßig per Vergleich außergerichtlich, bevor es zu einem Grundsatzurteil kommen kann.

„Wir werden uns aber nicht auf einen Vergleich einlassen“, verspricht Nauhauser. Er schätzt, dass bundesweit Hunderttausende Sparer im Visier von Sparkassen sind. Falls Gerichte nicht doch noch Grundsatzurteile fällen, bleibt Betroffenen nur, wachsam zu sein und gegebenenfalls Rechtsbeistand zu suchen.