Horst Seehofers Kabinett und die Fraktion der CSU stecken tief im Amigo-Sumpf. Nun nämlich gibt es eine Liste, die alle Namen derjenigen Abgeordneten nennt, die Ehefrauen, Kinder und Anverwandte in Sachen Büroarbeit angestellt haben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - „Bayern hat eine schwere Regierungskrise“, sagt Christian Ude, gewohnt vollmundig, am Freitagmittag – und seine Schnurrbartspitzen zittern der Wucht seiner Worte ein wenig hinterher. Es sei ihm kein Bundesland bekannt, in dem gleich fünf Regierungsmitglieder einen Rücktrittgrund hätten.

 

Insgesamt 79 Abgeordnete haben Angehörige beschäftigt

Nun nämlich gibt es eine Liste, die im Landtag ganz offiziell und durch die Präsidentin vorgestellt wird. Diese Liste nennt alle Namen derjenigen Abgeordneten, die sich irgendwie – und sehr unterschiedlich im Grad der Inanspruchnahme – zunutze gemacht haben, dass es bis Dezember 2000 den bayerischen Landtagsabgeordneten erlaubt war, Ehefrauen, Kinder und Anverwandte in Sachen Büroarbeit anzustellen und dafür eine staatliche Kostenerstattung zu beanspruchen. Mithin Steuergeld.

Unbehördlicher lässt sich das leider nicht formulieren. Dann gab es das Verbot, aber auch eine Übergangs- und Ausnahmeregelung, die recht rege genutzt wurde (allerdings von der Landtagsleitung auch sanktioniert). Den Vogel hatte, wie man seit vergangener Woche weiß, der nun ehemalige Fraktionsvorsitzende Georg Schmid abgeschossen, der seiner Frau bis zu 5500 Euro monatlich anweisen ließ. Schmid ist mittlerweile alle Posten los. Er wird nicht mehr kandidieren für den Landtag.

Insgesamt 79 Abgeordnete sind – bei der jetzt erfolgten näheren Überprüfung – seit dem Jahr 2000 mehr oder minder auffällig geworden, teilt die Landtagspräsidentin Barbara Stamm mit: 56 von der CSU, 21 immerhin von der SPD (für die man sich „schäme“, wie Christian Ude sagt), einmal Grün, einmal fraktionslos. Viele sind schon ausgeschieden aus dem Landtag.

Seehofer ist ziemlich sauer

Aber auch Kabinettsmitglieder finden sich unter denen, die sich selbst und ihre Verwandten zu begünstigen wussten: darunter auch Justizministerin Beate Merk, die ihre Schwester fallweise beschäftigte (und hoch bezahlte), Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, der seine Frau angestellt hatte, und Kultusminister Ludwig Spaenle (ebenfalls die Gattin). Des Weiteren drei Staatssekretäre. „Das ist“, sagt der apostrophierte Anti-Amigo Horst Seehofer, „eine Angelegenheit, die belastet“. Fälschlicherweise –und obwohl er selbst es besser wissen müsste – war er stets davon ausgegangen, dass es Dinge gebe, „die man tut, und die man nicht tut“.

Seehofer äußert sich auch deswegen gewunden, weil er befürchten muss, dass die Lawine noch gar nicht richtig zu Tal ist. Zögerlich ist er, weil er nun zum ganz falschen Zeitpunkt eine strahlende Miene aufsetzen muss. Am Abend begann im Münchner Post-Palast die Krönungsmesse, mit der die CSU in den Vorwahlkampf starten will. Da hatte Kultusminister Ludwig Spaenle schon angekündigt, den an seine Frau weiter geleiteten Lohn in Höhe von 34 000 Euro zu begleichen. Dennoch saß die Führungsmannschaft der CSU wie auf Kohlen. Wer würde das Thema ansprechen: die Blasmusik natürlich nicht und auch nicht Edmund Stoiber, der seine längliche Passauer Aschermittwochsrede in nicht enden wollenden Variationen wiederholte. Schließlich war es an Horst Seehofer selber, ein wenig Einsicht zu zeigen. Doch der hütete sich, das Wort von der Gehälteraffäre auch nur in den Mund zu nehmen.

Stattdessen suchte er Zuflucht beim Philosophen Robert Spaemann, der Politik im weitesten Sinne so definiert hat, dass man das Bestmögliche aus dem Vorzufindenden machen müsse. Es entging Seehofer nicht nur, dass er Spaemann aus dem Zusammenhang riss und in peinliche Beugehaft nahm, sondern auch, dass die Definition nur allzu gut passte zum Gebaren nicht weniger Parteimitglieder (und Sozialdemokraten). Insofern versendet sich fast schon wieder die pauschale Ankündigung, „reinen Tisch“ zu machen. Woraufhin das bayerische Volk zu wirken habe, dekretierte in einer vorweg genommenen Amtsbestätigung Edmund Stoiber sehr salbungsvoll: „Du, Horst Seehofer, sollst die nächsten fünf Jahre lang Ministerpräsident des Freistaates sein.“ Der Saal erhob sich im absolutistischen Scheinrausch.

Ausnahmsweise fein heraus raus könnten die Liberalen sein. Sie sind erst 2009 ins Maximilianeum eingerückt und hätten mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun – wenn sie nicht mit der CSU in einer Regierung säßen. Dementsprechend äußerte sich der stellvertretende Ministerpräsident, Martin Zeil, der sich „fassungslos“ zeigt und sagt, er habe „das alles nicht für möglich gehalten“. Während die Grünen völlig neue Richtlinien fordern warnen die Freien Wähler (deren Chef Hubert Aiwanger seinen Schwager im Stimmkreisbüro beschäftigt hatte) davor, nicht sämtliche Politiker „an die Wand zu klatschen“.