Er gehört zu den Dauerläufern der Bundesliga: 360 Einsätze hat Gonzalo Castro vom VfB Stuttgart schon auf dem Buckel, mit gerade einmal 31 Jahren. Wie schafft er das?

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Gonzalo Castro redet, wie er Fußball spielt. Schnörkellos, ohne Umschweife bringt er die Sache auf den Punkt. Trotz des schwachen Saisonstarts des VfB Stuttgart ist der 31-Jährige ein Stabilisator im Stuttgarter Mittelfeld. Was mit ein Grund war, warum Castros Entdecker Michael Reschke im Sommer die Chance ergriff und Castro von Dortmund an den Neckar lotste. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, sagt der Deutschspanier vor seinem ersten Baden-Württemberg-Duell beim SC Freiburg (Sonntag, 18 Uhr). „Nur in das Schwäbische muss ich mich noch reinhören.“

 

Herr Castro, wie blickt ein Halbspanier aus Wuppertal, der Zeit seines Lebens an Rhein und Ruhr gekickt hat, auf sein erstes Duell Baden gegen Schwaben?

Von einigen Mitspielern habe ich schon gehört, dass es da ordentlich zur Sache gehen kann. Aber ich bin Derby-erprobt, habe mit Leverkusen schon oft gegen Köln und mit Dortmund gegen Schalke gespielt. Klar ist, dass viel auf dem Spiel steht. Keiner will am Sonntag mehr Punkte liegen lassen.

Wie fühlt es sich für Sie in Stuttgart an – nach 16 Jahren in Leverkusen und drei in Dortmund? Oder ist man nach 360 Bundesligaspielen überall zu Hause, wo Rasen wächst?

Ich fühle mich sehr wohl hier. Nur in das Schwäbische muss ich mich noch reinhören (lacht). Das Gefühl bei meinem Wechsel von Leverkusen nach Dortmund war anders, weil es der erste Wechsel überhaupt war.

Sie stehen aktuell auf Platz zwei der aktiven Spieler mit den meisten Bundesligaeinsätzen. Vor Ihnen liegt nur noch Claudio Pizarro. Wie groß ist der Ansporn, ihn einzuholen?

Wieviele Spiele hat er denn?

448.

Puh. Wenn alles gut läuft, wäre das tatsächlich zu schaffen. Sofern mein Körper das mitmacht.

Knapp hinter Ihnen lauert der Schalker Naldo. Könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden.

Er ist zum Glück älter als ich (lacht).

Bis jetzt kamen Sie nahezu verletzungsfrei durch Ihre Karriere.

Toi, toi, toi. Außer ein paar Faserrissen war nichts Großes dabei. Ich bin zum Glück auch nie übel gefoult worden.

Castro will nicht wie Kießling enden

Welche Faktoren begünstigen eine so lange verletzungsfreie Zeit noch?

Du lernst über die Jahre, auf deinen Körper zu hören, ihn zu pflegen, vernünftig zu essen. Ich glaube aber nicht, dass ich in dieser Hinsicht außergewöhnlich viel mache. Wahrscheinlich ist es bei mir vor allem die Veranlagung. Und natürlich auch Glück.

Ihr früherer Leverkusener Mitspieler Stefan Kießling hat nach über 400 Spielen auf höchstem Niveau einen Hüftschaden und Arthrose. Um Sie müssen wir uns nach der Karriere aber keine Sorgen machen?

Beim VfB bin ich noch einwandfrei durch den Medizincheck gekommen (lacht). Sollten sich irgendwann schmerzhafte Langzeitschäden abzeichnen wie bei Kieß, würde ich aufhören mit dem Fußball. Das wäre es mir nicht wert.

In den Top Ten der aktiven Rekordspieler der Bundesliga finden sich mit Ihnen, Christian Gentner und Mario Gomez gleich drei VfB-Profis. So viel Erfahrung – und trotzdem ging der Saisonstart schief.

Daran kann’s also schon mal nicht gelegen haben.

Woran dann?

Das ist schwer zu sagen. Die drei Spiele sind völlig unterschiedlich verlaufen. Entscheidend ist, dass wir nicht in Panik verfallen sind und in den vergangenen zwei Wochen ruhig und gut weiter gearbeitet haben. Unseren Nationalspielern hat es sicher auch gut getan, mal auf andere Gedanken zu kommen. Wir müssen und werden uns da gemeinsam rauskämpfen. In Freiburg wird es wichtig sein, endlich mal in Führung zu gehen.

Ist der Kader so gut, wie er gerne dargestellt wird? Sie haben in Leverkusen und in Dortmund immer in guten Mannschaften gespielt, Sie haben den Vergleich.

Vergleiche sind schwierig. Ich denke, wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen, sehr talentierten Spielern. Und wir haben in Benjamin Pavard einen Weltmeister im Kader, das hatte ich in meiner Karriere auch noch nicht so oft (schmunzelt). Unser Kader ist auf jeden Fall stark genug, um in der Bundesliga eine gute Rolle zu spielen.

Seit 14 Jahren fester Bestandteil der Bundesliga

2004 haben Sie Ihr erstes Bundesligaspiel bestritten. Damals gehörten noch Vereine wie Bochum, Bielefeld und Kaiserslautern zum Oberhaus. Wie hat sich die Bundesliga seither verändert?

Es gibt viel mehr junge Spieler in den Mannschaften als damals. Es ist innerhalb der Liga ja fast schon zum Geschäftsmodell geworden, eigene Leute auszubilden und sie irgendwann für viel Geld zu verkaufen. Das gab es so früher nicht.

Und sonst?

Das Spiel ist viel schneller und athletischer geworden. Und taktischer geprägt. Trainer wie Thomas Schaaf, der mit seinen Mannschaften fast auf Teufel komm raus Tore schießen wollte und am liebsten 5:3 gewann, gibt es heute praktisch nicht mehr.

Schade eigentlich.

Aus Fan-Sicht kann man das so sehen. Doch der Fußball entwickelt sich eben weiter. Denken Sie an die drei Jahre von Pep Guardiola in München. Der hat unheimlich viele neue Facetten in den deutschen Fußball eingebracht, was Taktik, Ordnung und Disziplin auf dem Platz angeht.

Wer war Ihr liebster Trainer?

(überlegt). Da gab’s einige. Ich denke, dass ich zum Beispiel unter Jupp Heynckes und Thomas Tuchel sehr viel gelernt habe.

Freiburgs Nils Petersen hat einmal gesagt: Wenn man nicht aufpasst, verblödet man. Wie schafft man es, nach so langer Zeit in diesem Geschäft auf dem Boden zu bleiben?

Entscheidend ist ein intaktes Umfeld. Und dass man sich in seiner Freizeit auch mit Dingen beschäftigt, die nichts mit Fußball zu tun haben.

Mit seinem Nachnamen hat Castro kein Problem

Hat es Sie nie gereizt, mal nach Spanien, in die Heimat Ihrer Eltern, zu gehen?

Doch. Aber es hat sich leider nie ergeben. Als es vor ein paar Jahren mal zur Diskussion stand, gab es in Spanien die Finanzkrise. Davon wurden auch viele Vereine erfasst, weshalb mir das Risiko letztlich zu hoch war.

Sie wollten Ihre Bundesliga-Rekordmarke nicht gefährden, stimmt’s?

(Lacht). Das war damals sicher nicht der Grund. Jetzt würde ich die 400 aber schon gern vollmachen. Das ist sicher eine Zahl, auf die man später mal stolz sein kann.

Gestatten Sie uns zum Schluss noch eine Frage zu Ihrem Namen.

Bitte.

Wie oft muss man sich als Senor Castro eigentlich blöde Sprüche anhören?

Seit mein berühmter Namensvetter Fidel Castro nicht mehr lebt, ist das deutlich weniger geworden. Und hier in Stuttgart bin ich ja ohnehin der „Caschtro“. So viel Schwäbisch habe ich schon gelernt.