Er hat einen weiten Weg. Doch den Aufstieg des VfB Stuttgart in Liga eins will sich der Innsbrucker Günter Almberger nicht entgehen lassen. Natürlich wird er am Sonntag nach Stuttgart fahren. Seine Liebe zum VfB begann mit einem alten Trikot.

Stuttgart - Er ist ein Mysterium. Er kann mit krummen behaarten Beinen auftreten wie Diego Maradona oder mit einem Haarkranz wie Uwe Seeler oder mit Händen groß wie Bratpfannen wie Weltmeister-Torwart Toni Turek. Und er kann, wenn nicht die Weltenläufe, so doch den Lauf des Balls, ändern. In allerlei Gestalten tritt er auf, der Fußballgott.

 

Der Innsbrucker Günter Almberger (35) ist sich sicher, dass es ihn gibt, den Fußballgott. Schließlich betet er voller Hingabe zu ihm während der Spiele des VfB Stuttgart. Und wer sonst hat in seinem Zimmer in Bludenz im österreichischen Bundesstaat Vorarlberg jenes alte VfB-Trikot liegenlassen, dass ihn auf den Pfad der Erleuchtung führte – und nicht in die Hölle. Denn die Gefahr war groß, dass der Bub sonst Bayern-Fan geworden wäre. „Die sind auch bei uns überall“, sagt Almberger und lacht.

Die Nummer 6 wies den Weg

Längst jenem Trikot entwachsen arbeitet er heute als Sportjournalist bei der Tiroler Tageszeitung. Er ist gerade via Wien auf dem Weg nach Rom zu einem Tennisturnier. Im Zug hat er ein bisschen Zeit zu plaudern über seine Leidenschaft. Und natürlich müssen wir die Sache mit dem Trikot klären. Das ist nun wirklich ein Rätsel. „Es ist ein altes Trikot aus der Saison 86/87 mit der Rückennummer 6“, sagt Almberger. Geworben hat der VfB auf seiner Brust damals für Sanwald Extra. Und verziert ist es mit zahlreichen Unterschriften der Spieler, „aber die sind nicht zu entziffern“.

Es war Bestandteil des Hausrats der Familie Almberger, „aber kein Mensch weiß, wo es herkam“. Es war einfach da. Günter Almberger gefiel es. Dank des Trikots war er nun VfB-Fan. Es hätte schlimmer kommen können. Einer seiner vier Brüder ist Fan von RB Leipzig. Aber der arbeitet für Red Bull, die Begeisterung ist also im Gehalt inbegriffen. Aber warum sein ältester Bruder Anhänger von Bayer Leverkusen wurde, das bleibt im Dunkel. „Leverkusen? Niemand ist Fan von Bayer Leverkusen“, spottet Günter Almberger.

Der Bruder ist Leverkusen-Fan

Während sein großer Bruder immer nur Vizemeisterschaften feiern durfte, konnte sich Günter im Alter von zehn Jahren erstmals so richtig freuen. Meister 1991/1992 – „der Titel hat mein Blut in Wallung gebracht“. Wenn man ihm glaubt, dann wallt es seitdem. Und manchmal kocht es über. „Mit den Jahren ist es immer schlimmer geworden“, sagt er, „eigentlich kann man niemanden zumuten, mit mir den VfB anzuschauen.“ Vielleicht hat er sich deshalb in Innsbruck einen Keller eingerichtet, mit Trikots an der Wand, „allerlei VfB-Klumpp“ in Schränken und Vitrinen. Und einem Fernseher. Der 16-jährige Nachbarssohn kommt gerne vorbei, den hat Almberger auch zum VfB-Fan gemacht. Überhaupt scheinen die Tiroler den VfB zu mögen. Vielleicht liegt’s ja daran, dass Hansi Müller im Herbst seiner Karriere in Innsbruck kickte beim damaligen FC Tirol. Denn es gibt noch einen dritten Unterstützer in der Gegend. „Ich sehe immer ein Auto herumfahren mit dem Kennzeichen Innsbruck Land, also IL -VfB-1.“

Wallfahrt nach dem Paderborn-Spiel

Die Freude am VfB war getrübt in den vergangenen Jahren, der Draht nach oben glühte. „Ich habe so viele Vaterunser in den vergangenen Jahren gebetet, ich werde durch den VfB noch zum Vorzeigechristen.“ Jedes Jahr hielt er Zwiesprache und handelte mit dem Fußballgott: Hilfst Du mir, tue ich was für Dich. So pilgerte er nach dem Sieg in Paderborn und dem verhinderten Abstieg 2015 neun Stunden lang zur Wallfahrtskirche.

Auch nach dem Abstieg wurden seine Nerven strapaziert. „Ich war in München und Nürnberg“, sagt er, „ich habe das kaum überlebt.“ Seine Inbrunst indes scheint ganz oben vernommen worden zu sein, durfte er doch den Ausgleich in München und den Siegtreffer in Nürnberg quasi mit dem Abpfiff bejubeln. „Jahrelang war beim Lieben Gott belegt, jetzt sind wir durchgekommen.“ Ob es nun die Qualität der Spieler war oder seine Stoßgebete, späte Tore waren heuer eine Spezialität des VfB.

Ganz so dramatisch braucht es am Sonntag nicht werden. Natürlich fährt Almberger zum Spiel des VfB gegen die Würzburger Kickers nach Stuttgart. Hin und wieder macht er das, und klar, „beim Aufstieg will ich dabei sein“. Seinen Kollegen und Freund Marco Witting bringt er mit. Den hat er infiziert. Ebenso seine Freundin. Die guckt und fiebert auch mit. Ihr mutet er ganz schön was zu. Hat er doch versprochen, „mein erstes Kind benenne ich nach dem Aufstiegstorschützen“. Im Dezember ist es soweit. Es könnte ein Daniel werden oder ein Simon. Aber man weiß ja nie mit diesem Fußballgott, womöglich gibt’s in Innsbruck bald einen neuen Erdenbürger namens Takuma Almberger.