Das 1:1 des VfB gegen Borussia Dortmund könnte ein erster Stuttgarter Schritt auf dem neuen Weg zur Spitzenmannschaft sein.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Die gegenseitige Wertschätzung ist so groß, dass es knallt. Zweimal sogar. Bei der Verabschiedung schlagen sich Bruno Labbadia und Jürgen Klopp mit Karacho auf die Schultern, nachdem sie sich zuvor lange umarmt hatten. Beide Trainer sind nach einem phasenweise hochklassigen 1:1 zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund zufrieden - und dankbar. Denn dieses Spiel hat ihnen wichtige Informationen geliefert. Klopp darf sich nach diesem Auftritt sicher sein, dass der BVB auch in dieser Saison eine Spitzenmannschaft ist. Auf der anderen Seite weiß Bruno Labbadia nun, dass sich der VfB auf dem Weg dahin befindet.

 

In der Entwicklung der Stuttgarter Mannschaft könnte diesem ergebnistechnisch unspektakulär daherkommenden Unentschieden eine große Bedeutung zukommen. Es gibt jedenfalls Sicherheit, den wie in besten Vorsaisontagen aufspielenden Dortmundern Paroli bieten zu können. Und wenn dann auch noch Jürgen Klopp von einer "brutal starken Stuttgarter Mannschaft" spricht, "die uns alles abverlangt hat", stärkt dies das Selbstvertrauen natürlich noch ein bisschen mehr. Das kann nicht schaden, hatte doch der VfB-Spieler Martin Harnik vor der Partie gesagt: "Eine Niederlagenserie würden wir schwer verkraften, die letzte Saison hängt uns noch in den Klamotten." Der VfB-Kleiderschrank wurde am Samstag kräftig durchgelüftet, so dass diese Angst eigentlich der Vergangenheit angehören sollte.

Die Ideen des Trainers werden umgesetzt

Und eine Spielszene steht stellvertretend für die Stuttgarter Entwicklung unter Bruno Labbadia in den letzten elf Monaten. Die Entstehungsgeschichte des Führungstores erzählt viel über die Abläufe beim VfB. Eine Freistoßflanke von Tamás Hajnal erreichte auf für die Dortmunder wundersame Weise den plötzlich frei stehenden Martin Harnik. Die Stuttgarter Planungen hatten danach zwar keinen Pfostenschuss vorgesehen, machte aber nichts, weil Serdar Tasci den Abpraller zum 1:0 verwandelte (22. Minute). "Mich freut dieser Treffer ganz besonders, weil fast alle Spieler daran beteiligt waren", sagt Bruno Labbadia: "Bis auf zwei unserer Leute haben in dieser Szene alle ihre festgelegten Laufwege und die auch exakt eingehalten." Daraus lässt sich ganz allgemein die neue Stärke des VfB ableiten: Der Trainer hat eine Idee, und die wird von der ganzen Mannschaft sehr gut umgesetzt.

Auch nur so ist es möglich, dass der VfB mit einer Mannschaft wie Borussia Dortmund mithalten kann. Schließlich hat der Meister eindeutig die größere individuelle Klasse in seinen Reihen. Shinji Kagawa und Mario Götze waren am Samstag wieder die auffälligsten Vertreter des Dortmunder TT-Modells. Die Nachteile bezüglich Tempo und Technik glich der VfB durch Einsatz und eiserne taktische Disziplin aus. Außerdem spielte die Mannschaft auch so gut Fußball wie noch nie in dieser Saison.

Es wäre leichter gegangen

Trotzdem mussten die Stuttgarter einen weitaus höheren Aufwand betreiben als die Dortmunder, um das Spiel ausgeglichen zu gestalten. So hinterließ Lukasz Piszczeks Tor zum 1:1 unmittelbar vor der Halbzeit Spuren. "Meinen Spieler ist dann klar geworden, dass sie jetzt wieder extrem viel Arbeit vor sich haben", sagt Labbadia.

Es wäre leichter gegangen. Dann nämlich, wenn Cacau zuvor die große Chance zur 2:0-Führung genutzt hätte. Andererseits spricht auch Labbadia von Glück: zum Beispiel in der Szene, als den Dortmundern nach einem Foul von Cristian Molinaro an Mario Götze vom Schiedsrichter Manuel Gräfe nicht der folgerichtige Elfmeter zugesprochen wurde. "Warum er das nicht pfeift , ist mir unerklärlich", so Klopp.

Ein andere Frage kann dagegen der Stuttgarter Mittelfeldchef William Kvist sehr detailliert beantworten. Was hat Borussia Dortmund dem VfB Stuttgart voraus? "Erstens: das Selbstbewusstsein eines Meisters. Zweitens: das spielerische Potenzial. Drittens: eine unter Jürgen Klopp über Jahre hinweg gewachsene Philosophie." Aber eines will William Kvist dann auch noch betont wissen: "Bei uns wächst ebenfalls etwas heran."

Stuttgart: Ulreich - Boulahrouz, Tasci, Maza, Molinaro - Kvist, Kuzmanovic - Harnik, Hajnal (90. Gentner), Okazaki (70. Traoré) - Cacau (78. Hemlein).

Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender (46. Leitner), Kehl - Götze, Kagawa, Perisic (76. Großkreutz) - Lewandowski (72. Barrios).

Schiedsrichter: Gräfe (Berlin).

Zuschauer: 60.000 (ausverkauft).

Tore: 1:0 Tasci (22.), 1:1 Piszczek (45.) .

Besonderheit: Spiel begann wegen verspäteter Ankunft der Dortmunder 15 Minuten später.