Nach einem sehr dürftigen Saisonstart fängt der VfB Stuttgart mit kuriosen Spielen und viel Moral zum Hingucker der Fußball-Bundesliga zu werden. Die Entwicklung des VfB im ersten Saisondrittel hat auf jeden Fall etwas mit dem Trainer Armin Veh zu tun.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Vielleicht liegt es ja an der Kleidung von Armin Veh. Als der Trainer des VfB Stuttgart zu Saisonbeginn noch Hemd und graues Jackett für seinen Auftritt an der Seitenlinie wählte, trat seine Mannschaft entsprechend bieder auf. Je mutiger Armin Veh aber seitdem in den Kleiderschrank greift, desto couragierter werden auch die Leistungen seiner Spieler. Der vorläufige Höhepunkt im möglichen Zusammenspiel zwischen Outfit und Output wurde am Samstag in Frankfurt erreicht, als Veh mit verwaschener Designerjeans, weit ausgeschnittenem T-Shirt und einem trendy grünen Daunenjäckchen seine Anweisungen gab – und am Ende einen spektakulären 5:4-Sieg bejubelte.

 

Wie der Trainer so die Mannschaft: aus grauer Maus wird wilde Maus. Die Entwicklung des VfB im ersten Saisondrittel ist so verblüffend, dass selbst die zunächst abwegig erscheinende Kleiderthese eine gewisse Daseinsberechtigung hat. Aber es gibt auch noch etwas plausiblere Antworten auf die Frage, warum ausgerechnet der VfB im Moment an den aufregendsten und torreichsten Spielen in der Fußball-Bundesliga beteiligt ist.

Das hat dann auf jeden Fall etwas mit Armin Veh zu tun. Der 53-Jährige legte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit in Stuttgart sein Augenmerk vor allem auf die Defensive. Ein Grundmaß an Sicherheit, so war Vehs Überlegung, bekommt eine verunsicherte Mannschaft nur, wenn hinten eine gewisse Ordnung herrscht. Und an dieser mussten erst einmal alle mithelfen.

Vier Spiele – aber nur ein Tor

Es folgten Stuttgarter Auftritte, bei denen dem Gegner auch nur wenige Chancen eröffnet wurden. Während die volle Konzentration einer soliden Abwehrarbeit galt, lief vorne zunächst rein gar nichts zusammen. So holte der VfB aus den ersten vier Saisonspielen nur einen Punkt und erzielte dabei gerade einmal: ein Tor. Und nach der 0:2-Heimniederlage gegen Hoffenheim sagte Armin Veh: „Es macht mir echte Sorgen, dass wir fast keine Torchancen herausspielen. Wir müssen jetzt auch mal mutiger nach vorne gehen.“ Diese Vorgabe beherzigten seine Spieler dann erstmals in der Auswärtspartie in Dortmund, wo ein 2:2 heraussprang. Das VfB-Fazit damals: wenn uns ein Gegner Raum gibt, sollten wir diesen auch nutzen.

Auch Leverkusen beim 3:3 und nun Frankfurt machten Platz. „Ohne die Aufholjagd gegen Bayer hätte es diesen Sieg in Frankfurt nicht gegeben“, sagt der VfB-Sportdirektor Jochen Schneider. Vor wenigen Wochen noch hätte man dem VfB mit vielem in Verbindung gebracht, aber sicher nicht mit einem 5:4-Auswärtssieg. Auch wenn Armin Veh zuletzt oft anmerkte: „Ich sehe im Training, dass unser Offensivspiel langsam Formen annimmt.“

Doch eines hat der Trainer noch nicht geschafft: dass seine Mannschaft gleichzeitig gute Abwehr- mit guter Angriffsarbeit kombiniert. Bisher gibt es nur: entweder oder. Fußballerisch, so scheint es, ist dieser VfB nicht multitaskingfähig. Dafür ist er neuerdings richtig angriffslustig. Das hat mit einer überraschend aufgestellten und agierenden Offensivabteilung zu tun, die der Reihe nach aus Sercan Sararer, Alexandru Maxim und Filip Kostic sowie Martin Harnik als Spitze besteht. Und dann stößt immer wieder Christian Gentner mit nach vorne. Das hat schon Qualität.

Schaafs Taktik liegt dem VfB

Und dann kommt auch noch Thomas Schaaf ins Spiel. Die offensive Taktik des Frankfurter Trainers ist dem VfB ja schon in dessen Bremer Zeiten sehr gelegen gekommen. Man erinnere sich an den Stuttgarter 6:0-Sieg 2010 oder das 4:4 aus dem Jahr 2004. Und jetzt 5:4. Aus dem VfB ist ein bundesweiter Hingucker geworden – während man bisher oft eher weggucken wollte. So wird es aber wohl nicht weitergehen am Samstag im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg. Im Wilde-Maus-Stil dürfte gegen die zuletzt sehr diszipliniert auftretende Spitzenmannschaft von Dieter Hecking nur schwer etwas zu holen sein.

Trotzdem lohnt sich für die Stuttgarter Spieler die Erinnerung an das 3:3 und an das 5:4. Denn die wichtigsten VfB-Erkenntnisse lauten: die Mannschaft hat Moral – und nach vorne geht wieder was.