Armin Veh setzt beim VfB Stuttgart eine neue Priorität: der Zusammenhalt steht bei der Mannschaft künftig über allem. Nur so könne der Fußball-Bundesligist Erfolg haben, glaubt der Trainer.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Damit konnte Christian Gentner einfach nicht rechnen. Ein kurzer, schneller Pass. Von Daniel Didavi aus dem linken Fußgelenk geschüttelt, in einen Raum, den aber auch nur Didavi sah. Der Ball landete dann am Gladbacher Strafraum in Borussen-Beinen, die ganz wie flinke Fohlen nach vorne preschten und innerhalb von wenigen Sekunden überfallartig auf der anderen Seite trafen.

 

Abseits entschied zum Glück für den VfB Stuttgart der Schiedsrichter Christian Dingert. Eine knappe Geschichte, die jedoch zeigte, wie groß die Lücken im Spiel des schwäbischen Fußball-Bundesligisten werden können, wenn die Ordnung auch nur kurz verloren geht. Doch es war eine der wenigen Szenen im Borussiapark, in denen der Kapitän Christian Gentner und sein Kompagnon Oriol Romeu das Zentrum nicht dicht hielten. Ansonsten hatten sie vor der Abwehr ein enges Netz geknüpft, in dem sich die hoch gehandelten Gladbacher regelmäßig verhedderten.

„Sie waren sehr aktiv und sehr diszipliniert“, sagt der Trainer Armin Veh. Gentner spulte wie immer die meisten Kilometer ab, trieb an und fand noch die Muse, das Führungstor durch Alexandru Maxim fein vorzubereiten (51.). Romeu, beim Pokalaus in Bochum noch mit einem entscheidenden Fehler, wirkte ballsicher, schloss viele Passwege und stellte sich einem Raffael mehrfach robust in den Weg.

Das Tandem Gentner/Romeu funktioniert

Ein gutes Tandem, das Veh sogar noch zu einem Trio mit Carlos Gruezo erweiterte, als der Gladbacher Druck zunahm, als die Gäste nicht nur die strategischen Fähigkeiten eines Romeu benötigten, sondern ebenso die Aggressivität eines Gruezo. Der 1:1-Endstand durch Christoph Kramer ließ sich dennoch nicht verhindern (90.). Ein kleines Déjà-vu für den VfB, weil die Stuttgarter in der vergangenen Rückrunde viele Punkte in der Schlussviertelstunde verspielten. „Da werden jetzt die entsprechenden Kommentare kommen“, sagt Gentner.

Doch Veh befürchtet keine erste mentale Delle nach dem ersten Ligaspiel der Saison. „Da müssen wir uns keine Gedanken machen“, sagt der Trainer, „das war dem Spielverlauf geschuldet.“ Anrennende Gladbacher und ein Moment der Unaufmerksamkeit auf der rechten VfB-Seite, der sich aber nicht auswachsen soll. „Wie sich die Mannschaft präsentiert hat, vor allem in der ersten Hälfte, das war schon richtig gut“, sagt der Manager Fredi Bobic.

Es war jedenfalls nicht zwingend zu erwarten nach wechselvollen Vorbereitungsspielen und der Pokalpleite bei einem Zweitligisten. Denn nicht nur 1700 Fans, sondern auch größere Zweifel hatten den VfB an den Niederrhein begleitet. Auch Veh wusste nicht so recht, was er von seiner Elf erwarten konnte. Einer Elf, die häufig besser eingeschätzt wird, als sie es dann tatsächlich auf den Platz bringt.

Veh setzt neue Priorität

Doch Veh hat die Prioritäten nun neu gesetzt. „Es ist erst einmal nicht so wichtig, ob die Spieler meinen Fußball kapieren. Wir müssen als Mannschaft wachsen. Das ist das Wichtigste“, sagt der Trainer, der eigentlich ein Verfechter des schönen Spiels ist. Als elementar bezeichnet es Veh sogar, einen Teamgeist zu entwickeln, der den VfB auf höheres Niveau bringt. Was andererseits aber den Verdacht nährt, dass es bisher so etwas wie Grüppchenbildung im Kader gab.

Nach sieben Wochen in Stuttgart ist sich Veh jedenfalls sicher, dass es allein über die Qualität der Einzelspieler nicht funktionieren wird, um den VfB aus den unteren Tabellenregionen herauszuhalten. Selbst wenn sein Gladbacher Kollege Lucien Favre meint: „Auf dem Papier ist der VfB eine gute Mannschaft. Das ist keine Frage.“

Auf dem Platz mussten die Gastgeber heftigen Widerstand brechen. „Wir haben aber auch einige Situationen spielerisch gut gelöst“, sagt Veh. Doch in erster Linie soll es beim VfB über den Zusammenhalt gehen, eine Art Wagenburgmentalität, in der die Spieler zusammenrücken und sich um ihren Coach scharen.

An dieser Haltung sollen die Gegner abprallen wie an einer Mauer. Oder es soll ihnen zumindest wie den Gladbachern ergehen, die sich den Punkt erst erkämpften, als bei den Stuttgartern die Kräfte nachließen. Didavi war angeschlagen und sowohl Martin Harnik (Schulteroperation) als auch Vedad Ibisevic (WM-Teilnahme) stiegen später in die Saisonvorbereitung ein und zollten dem hohen läuferischen Aufwand Tribut.

„Ich wollte eigentlich schon vorher wechseln, aber ich musste auch an unsere kopfballstarken Spieler bei gegnerischen Standardsituationen denken – ein Teufelskreis“, sagt Veh. Der aber schon am Samstag im Heimspiel gegen den 1. FC Köln durchbrochen werden soll – um dann vor der Begegnung beim FC Bayern weiter als als Einheit zu wachsen.