12 000 hätten reingedurft, am Ende wollten nur 9500 VfB-Fans das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen sehen. Die Gründe sind äußerst vielfältig.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Die Stimmung war prächtig, und doch fragten sich viele nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen: Warum war das Stadion nicht ausverkauft? 9500 Fans wurden offiziell angegeben, 2500 weniger, als Platz gehabt hätten. Obwohl der VfB Stuttgart noch am Spieltag Tickets in den freien Verkauf gegeben und nicht länger nur Dauerkarteninhabern der Vorsaison sowie Mitgliedern vorbehalten hatte. Und alles vor dem Hintergrund des großen Bestrebens seitens der Clubs, möglichst schnell möglichst vielen Fans den Besuch wieder zu ermöglichen.

 

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Wenn man sich unter Stuttgarter Anhängern umhört, gibt es eine ganze Reihe von Erklärungsansätzen für das gehemmte Stadioninteresse, das andernorts weniger stark ausgeprägt war: Sowohl RB Leipzig (8500 Zuschauer) als auch Eintracht Frankfurt (8000), Borussia Dortmund (11500) wie auch Union Berlin (4500) hatten ihre Stadien voll, wenngleich die Nachfrage ebenfalls nicht exorbitant war. Werder Bremen, der 1. FC Köln und Bayern München mussten ohne Fans antreten.

Was also sind die Gründe für das verhaltene Interesse?

Erstens: der fehlende Eventcharakter. Ein nur spärlich besetztes Stadion ist für zahlreiche Fußballanhänger offensichtlich der Hauptgrund, lieber gleich zu Hause zu bleiben. Zumal das Gemeinschaftsgefühl mit dem Plausch am Bierstand auf der Strecke bleibt.

Zweitens: Viele wollen kein unnötiges Ansteckungsrisiko eingehen, wenngleich sich die Gefahr in der riesigen Freiluftarena gewiss in Grenzen hält.

Drittens: Vor allem vonseiten der Ultras – aber nicht nur – herrscht noch immer eine bewusste Abneigung gegen das selektive Stadionerlebnis vor.

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Viertens: das Prozedere. Auch wenn der VfB allenthalben Lob für sein System der Kartenvergabe erfährt, wirkt es noch immer abschreckend. Personalisierte Tickets zum Ausdrucken, Gesundheitsbogen ausfüllen – vielen ist es den Aufwand nicht wert.

Fünftens: grassierende Halbwahrheiten. So wissen viele Fans nicht, dass sie auch tatsächlich beieinandersitzen und nicht über mehrere Blöcke verteilt sitzen dürfen – und verzichten deshalb lieber. Oder sie haben das Prinzip der Kartenvergabe nicht verinnerlicht. So wartete am Samstag ein VfB-Anhänger vergebens auf den Postboten.

Sechstens: Vor allem die Ultras formulieren immer offener ihre Entfremdung. Einige haben in den vergangenen Monaten feststellen müssen, dass ihnen ohne Fußball gar nicht so viel fehlt. Zumal die seit Langem schwelenden Konflikte durch Corona lediglich überlagert wurden. Bis auf wenige Ausnahmen bleiben die Ultras den VfB-Heimspielen aktuell fern.

Joachim Schmid vom größten VfB-Fanclub Rot-Weiße Schwaben Berkheim rechnete vor, dass von den 794 Dauerkarteninhabern seines Clubs nur 113 eine Karte für das Leverkusen-Spiel orderten. „Die Nachfrage hält sich in Grenzen“, sagt er mit einem Bedauern: „Das Spiel hätte sicher 12 000 Fans verdient gehabt.“

Beim VfB sieht man es ähnlich. Sorgen über das verhaltene Interesse macht sich (noch) niemand. „Die, die da waren, haben uns geholfen“, sagte Sportdirektor Sven Mislintat. Wohl wissend, dass es womöglich bald wieder ganz anders aussieht. Nach dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln (23. 10.) kommt das Konzept auf den Prüfstand.

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