Es geht doch nur um Fußball? Mit einem Großaufgebot von mehr als 1000 Beamten ist die Polizei am Wochenende beim Hochrisikospiel des Karlsruher SC gegen den VfB Stuttgart rund um das Wildparkstadion im Einsatz.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Karlsruhe - Ein kalter Wind pfeift über den Karlsruher Schlossplatz. Und obwohl es seit ein paar Stunden nicht mehr geregnet hat, bedecken große Pfützen die Alleen, die vom Stadtzentrum durch den Park zum Wildparkstadion führen. Die Studenten, die sich auf den riesigen Rasenflächen mit Frisbees und Energydrinks amüsieren, kümmert die Witterung wenig, für sie ist der Schlosspark ein beliebtes Naherholungsbiet. Die Karlsruher Polizei sieht ihn vor dem Derby eher als Problemzone. Das Derby. Der KSC gegen den VfB. Sonntag. 13.30 Uhr. Ein Hochrisikospiel.

 

„Es wird eine strikte Fantrennung geben“, sagt der Polizeioberrat Martin Plate. Auch auf dem Schlossplatz sollen sich unter den Strom der KSC-Fans keine Anhänger des VfB Stuttgart mischen. Die rund 3000 Fans der Schwaben, darunter auch die 900 Insassen des Sonderzuges, der in Durlach ankommt, sollen mit Shuttlebussen unbehelligt zur Gästekurve gelangen. „Wir können den Familienvater mit Kind nicht zum Einsteigen zwingen“, sagt Plate. Aber wir appellieren an seine Vernunft, dass er es tut.“

Rund 1000 Beamte vor Ort

Allein die Landespolizei, die vor allem für die Sicherung des Stadions zuständig ist, wird mit rund 1000 Beamten vor Ort sein. Hinzu kommen mehrere Hundertschaften der Bundespolizei, die die Anfahrtwege sichern. „Wir gehen von einem Gewaltpotenzial von rund 300 Personen auf beiden Seiten aus“, sagt Plate. Zudem ziehe ein solches Spiel die problematische Klientel der Fangruppen (zum Beispiel aus Berlin/KSC und Reutlingen/VfB) an, mit denen die Ultragruppen beider Lager befreundet seien. Er spricht es nicht aus, aber man merkt Plate an, dass er heilfroh sein wird, wenn der Sonntag rum ist.

Bei der Bundespolizei ist die Stimmung ähnlich. Die Situation auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof wird dabei noch vergleichsweise normal eingeschätzt. „Wir gehen davon aus, dass die Fans nach Karlsruhe zum Spiel wollen und nicht hier schon Konflikte suchen“, sagt Fabian Kroh, der Sprecher der Bundespolizei in Stuttgart. „Strikte Fantrennung“, sei der Grundsatz der Planung. Bundes- und Landespolizei würden frühzeitig aufklären, ob und wo problematische Fans unterwegs seien. „Wir haben auch fankundige Beamte in Zivil im Einsatz, die uns frühzeitig warnen, wenn es Probleme gibt“, sagt Carolin Bartelt, die Sprecherin der Karlsruher Bundespolizeiinspektion. Auch die Landespolizei setzt szenekundige Beamte ein, die im Zug mitfahren. So werde das bei nahezu allen Spielen gehandhabt. Die Bundespolizei twittert am Wochenende unter der Kennung @bpol_bw Informationen zu dem Einsatz.

Die Ängste vor dem Derby sind groß

Im Idealfall gibt es wenig zu vermelden. Die Ängste aber sind groß. Vorsorglich hat die Polizei zusätzliche Zellen vorbereitet für 150 Personen. „Es würde dem Fußball in Karlsruhe schwer schaden, wenn es zu größeren Krawallen kommt“, sagt Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).

Mehr als 110 Millionen Euro strecken die Stadt und das Land für den Neubau des maroden Wildparks vor. In Karlsruhe gibt es viele, die das für Verschwendung halten. Der KSC hat mit einem Negativimage zu kämpfen, Zweitligafußball ist vielen zu wenig, andere verbinden den Traditionsverein mit Misswirtschaft und Randale. Mentrup hat in den vergangenen Jahren ein positiveres Bild gewonnen. „Viele gute Gespräche“ mit Fanclub-Vertretern und dem Dachverband „Supporters“ habe es gegeben. „Da sind viele intelligente Leute dabei.“

Lesen Sie hier: KSC und VfB – spinnefeind aus tiefster Überzeugung

So sieht es auch Jens Todt, der auf der anderen Seite des Schlossparks in seinem Büro auf der Geschäftsstelle sitzt. „Diese Rivalität ist seit Jahrzehnten gewachsen“, sagt der Niedersachse, der nach dem Abitur nach Baden kam. Nach fünf Jahren in Freiburg (und der Zwischenstation Werder Bremen) wechselte er 1999 nach Stuttgart. „Man brauchte schon damals nicht lange, um zu begreifen, dass das Spiel gegen Karlsruhe für die VfB-Fans das Ereignis schlechthin war.“ In Karlsruhe, wo er seit drei Jahren als Sportdirektor wirkt, sei es genauso. „Das kriegst du morgens beim Bäcker mit und tagsüber am Trainingsplatz.“ Todt seufzt. „Das einzige, was uns interessiert, ist uns sportlich zu messen.“ Am Donnerstag stellen beide Vereine ein Interview mit zwei Recken vergangener Epochen auf ihre Homepages. Burkhard Reich (200 Bundesligaspiele für den KSC) und Günther Schäfer (331 für den VfB) wollen für ein friedliches Derby werben.

Ein frommer Wunsch?

Hunderte Plakate gegen den VfB

Vergangene Woche wurden in Karlsruhe hunderte Plakate aufgehängt.„Tod dem VfB“, stand darauf. Und die Aufforderung, am Spieltag schwarz gekleidet zu erscheinen – möglichst uniformiertes Auftreten erschwert bekanntlich die Identifikation durch die Polizei. „Offenbar nehmen Teile der Fanszene das Spiel nur als Anlass, um Randale zu machen“, sagt Mentrup. „Eine Zumutung für die Sicherheitskräfte und die vielen Fans, die sich auf das Spiel freuen.“

Lesen Sie hier: Bei den Lieblingsfeinden vom Karlsruher SC

Das letzte Heimspiel der Karlsruher taugt dabei nicht unbedingt zur Beruhigung. Zwar waren es die Gäste aus Nürnberg, die mit Böllerschüssen und Rauch eine siebenminütige Spielunterbrechung herbeiführten. Doch auf die anschließende Provokation ließen sich erschreckend viele KSC-Fans ein. Mehrere hundert Fans musste von der Polizei daran gehindert werden, die Nürnberger nach dem Spiel zu attackieren. Beim letzten Spiel in Würzburg blieben die KSC- Fans allerdings völlig ruhig, dem Vernehmen nach war der eine oder andere selbst schockiert darüber, wie schnell die Lage gegen den Club eskalierte.

Böses Blut gab es in den letzten Jahrzehnten immer, wenn Badener und Schwaben aufeinandertrafen. In den Achtziger und Neunziger Jahren gehörte es zum schlechten Ton, dass Stuttgarter Fans nach dem Spiel den Rasen im Wildpark stürmten und dass die Karlsruher im Neckarstadion randalierten. 2007, als der Karlsruher SC den Wiederaufstieg in die Bundesliga geschafft hatte, skandierten die Spieler bei der Aufstiegsfeier auf dem Rathausbalkon: „Stuttgarter Arschlöcher.“ Und beim letzten Bundesligaderby 2009 gab es regelrechte Straßenschlachten vorm KSC-Stadion, der Mannschaftsbus der Stuttgarter war bei der Anfahrt attackiert worden.

Aggressionen gehen von beiden Seiten aus

Dabei gehen die Aggressionen von beiden Seiten gleichermaßen aus. Erschreckend findet es auch der erfahrene Polizist Plate, dass nicht nur die Ultra-Fans sie nach allen Regeln der Kunst zelebrieren. Beim Drittliga-Derby im August 2012 wurde ein KSC-Fan, der sich mit seinem Kind vor die Stuttgarter Haupttribüne verirrt hatte, mehrfach angespuckt – von Menschen, die so aussahen, als gingen sie tagsdrauf wieder mit dem Sakko zur Arbeit. Bei Jugendspielen zwischen beiden Mannschaften berichten schockierte Eltern immer wieder, wie schlimm selbst kleine Kinder von manchen Eltern der gegnerischen Mannschaft angefeindet worden.

Ob die Rivalität schlimmer geworden ist, ist umstritten. Der Leiter des Karlsruher Fanprojekts, Volker Körenzig, würde das eher bestreiten. Der 49-Jährige hat früher selbst Fußball gespielt, und in der Fankurve stand er auch längst, bevor er sich auch beruflich mit Fußballfans beschäftigte. Wer Worte wie „Tod“ und „Hass“ wörtlich nehme und aus „Tod dem VfB“ einen Mordaufruf herauslese, verkenne, dass Ultras eine Subkultur seien. Manches, was die „Sex Pistols“ oder „Ton, Steine, Scherben“ gesungen hätten, könne man als Mordaufruf auslegen, wenn man die gleichen Maßstäbe anlege wie bei dem Plakat der KSC-Ultras. „Die Wortwahl war geschmacklos und plump“, sagt der Sozialpädagoge. „Man sollte das aber nicht wörtlich nehmen.“ Und dann sagt er einen Satz, den man dieser Tage in Karlsruhe auch auf der Geschäftsstelle, bei der Polizei oder im Rathaus immer wieder hört: „KSC gegen Stuttgart wird nie ein normales Spiel sein.“

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

Nächstes Spiel

lade Widget...

Tabelle

lade Widget...
Komplette Tabelle