Andreas Hinkel, der Trainer des VfB Stuttgart II, ist ein zurückhaltender, stiller Genießer. Jetzt beweist er mit dem Regionalligateam seine Qualitäten.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Andreas Hinkel kam aufs Podium, setzte sich hin und blickte mit neutralem Gesichtsausdruck auf die Medienvertreter im Presseraum des Gazistadion. Dann analysierte er sachlich, ruhig und besonnen das Derby. Mit 5:1 hatte sein VfB II gerade den Stuttgarter Kickers in der Fußball-Regionalliga eine Lehrstunde erteilt. Charismatische Trainertypen wie Julian Nagelsmann (30) hätten so einen Prestigeerfolg ausgekostet. Eloquent, selbstbewusst, vielleicht garniert mit einem pointierten, kleinen Seitenhieb. Hinkel aber gab den stillen Genießer. Zurückhaltend und bescheiden. „Ich weiß, dass ich in dieser Schublade stecke, aber wer mich kennt, weiß dass ich auch anders sein kann“, sagt der 35-Jährige. Auch mal laut und emotional. Wenn es die Lage erfordert. Wie am fünften Spieltag, als es nach einer Achterbahnfahrt bei Aufsteiger Völklingen nur zu einem 4:4 reichte.

 

Doch insgesamt hat er in dieser Saison bisher nicht viel zu meckern. Vor dem Heimspiel an diesem Samstag (14 Uhr/Schlienzstadion) gegen den 1. FSV Mainz 05 ist sein Team immer noch ungeschlagen. Saisonübergreifend hält die Serie schon seit 14 Spielen. In der Tabelle des Kalenderjahrs 2017 rangiert der VfB II auf Platz zwei.

Die nackten Zahlen sind das eine, die Art und Weise wie die Punkte eingefahren werden, das andere. Seit Hinkel das Sagen hat, spielt der VfB meistens so, wie man das vom Reserveteams eines Proficlubs erwartet: Modern, hoch stehend, mit Pressing, Gegenpressing, taktisch variabel. Vor allem auch technisch stark und dominant. So wie es die VfB-Nachwuchsspieler von der C-Jugend an gewohnt sind. Und so wie es auch bei den Profis in der Bundesliga gefordert wird. Es gab aber Zeiten, da war von dieser Philosophie, ausgerechnet bei der so wichtigen Zwischenetappe auf dem Weg nach oben, nicht viel zu sehen: Uninspiriert wurden die Bälle bei den Partien der zweiten Mannschaft mitunter nach vorne gebolzt.

Hinkel war ein Jahr Assistent von Domenico Tedesco bei der U17

Jetzt ist Hinkels Handschrift erkennbar. Die Handschrift eines lange Zeit Unterschätzten. Nach Ende seiner Kariere bekam der ehemalige Rechtsverteidiger, der zwischen 2000 und 2006 156 Spiele für den VfB absolvierte, 2013 den Trainerjob bei der U12, gleichzeitig war er Co-Trainer der U16. In der Saison 2014/15 assistierte er dann Domenico Tedesco bei der U17. Das Team stand im Finale um die deutsche Meisterschaft, das gegen das von Hannes Wolf trainierte Borussia Dortmund mit 0:4 verloren ging. Tedesco zog weiter zu 1899 Hoffenheim. Hinkel gab seinen Abschied bekannt, pausierte. Die Motive waren in beiden Fällen ähnlich. Sie vermissten eine klare Perspektive im Verein. Ursprünglich hatte Tedesco damals einen Rollentausch vorgeschlagen. Hinkel hätte die Chefrolle bei der U17 übernehmen sollen, Tedesco ihn während der Zeit seiner Ausbildung zum DFB-Fußball-Lehrer zur Seite stehen. Doch man traute es Hinkel offenbar nicht zu, die Gespräche blieben vage – auch weil die Kommunikation zwischen dem damaligen Sport-Vorstand Robin Dutt und dem sportlichen Leiter Rainer Adrion bescheiden war.

Nach einem halben Jahr holte der VfB Hinkel dann aber zurück – als Co-Trainer von Walter Thomae bei der U23. Nach dem Abstieg in die Regionalliga blieb Hinkel Assistent beim VfB II – unter dem neuen, von Dutt geholten, Coach Sebastian Gunkel. Erst als unter dem ehemaligen Freiburger sogar der Absturz in die Oberliga drohte, gab der VfB vor der vergangenen Rückrunde Hinkel die Chance als Chef. „Mit Walter Thomae und Marc Kienle habe ich eng zusammengearbeitet, sie kannten mich und waren überzeugt von mir“, sagt Hinkel. Das Vertrauen zahlt er nun zurück, gemeinsam mit seinem Assistenten Oliver Barth.

Beide bringen auf unterschiedlichen Ebenenen viel Erfahrung mit. Barth weiß aus seiner Zeit beim VfR Aalen, was Existenzkampf bedeutet. Diese Mentalität gibt er im Team mit Hinkel weiter. Der trainierte unter Ralf Rangnick, Felix Magath, Matthias Sammer, Armin Veh, Jogi Löw, Jürgen Klinsmann, Rudi Völler, Christian Streich, Juande Ramos in Sevilla oder Gordon Strachan bei Celtic Glasgow. „Da nimmt man von jedem eine Facette mit, und ich hatte immer den Ehrgeiz, um Titel zu spielen“, sagt der ehemalige Nationalverteidiger (21 A-Länderspiele). Wo das für Hinkel, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, alles enden soll? „Als Trainer kann man schwer planen, das Entwickeln von jungen Spielern macht mir jedenfalls sehr viel Spaß“, sagt der Familienvater, der mit Ehefrau Simone und den drei Kindern Amelie, Samy und Ronja (das vierte Kind ist unterwegs) in Winnenden lebt. „Bei den Spielern ist es wie bei der Erziehung von Kindern. Man muss wissen, wann man welche Tonart anschlägt“, sagt Hinkel mit einem Lächeln. Die Mischung scheint ihm beim VfB II jedenfalls gut zu gelingen.