Warum der VfB Stuttgart für einen Aufstiegsanwärter keine gute Saison spielt – es aber dennoch eine mutmachende Parallele zum Zweitliga-Saisonfinale vor drei Jahren gibt.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Um Rekorde geht es längst nicht mehr. Dabei lieferten die ersten Spieltage in der zweiten Liga unter optimistischen Fans des VfB Stuttgart Anlass zu der Annahme, der Absteiger aus Stuttgart würde mit seiner neu formierten Sturm- und Drang-Truppe die zweite Liga in Grund und Boden schießen. Unter Trainer Tim Walter eilte die Mannschaft an den ersten acht Spieltagen von Sieg zu Sieg. Hätte sie das (Punkte-)Niveau nur annähernd gehalten, ein alter Rekord wäre womöglich gefallen: Jener von Hertha BSC aus der Zweitligaspielzeit 2012/13: 76 Punkte sind seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 Bestwert.

 

Zahlen, um die sich rund um den Cannstatter Wasen im Juni 2020 keiner mehr schert. Zu durchwachsen verlief die weitere Saison, als dass sich Mario Gomez und Co mit irgendwelchen Bestwerten oder gar nur mit dem Zweitliga-Titel beschäftigen müssten. Fünf Spieltage vor Schluss ist der Spitzenreiter aus Bielefeld enteilt. Es zählt einzig Platz zwei und der Aufstieg. Egal wie.

Hertha BSC hält den Bestwert

Ein Blick in die Historie im Fußball-Unterhaus zeigt: Nach 29 Runden ist die Mannschaft mit dem teuersten Kader der Liga in Sachen Aufstiegskurs nur mittelprächtig unterwegs. Mit 51 Zählern liegen die Schützlinge von Trainer Pellegrino Matarazzo zwei Punkte vor dem Hamburger SV auf dem Relegationsplatz drei und drei Punkte vor dem 1. FC Heidenheim auf dem ersten Nicht-Aufstiegsplatz. Dass die Stuttgarter keine Lust auf eine weitere Relegations-Lotterie verspüren, bedarf sicher keiner Erklärung.

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Durchschnittlich 60 Punkte reichten in der Vergangenheit zumindest für Platz drei, 66 genügten immer für die Ausscheidungsspiele gegen den Bundesliga-16. 68 Zähler garantieren Platz zwei. Mit fünf Siegen aus den verbliebenen fünf Partien gegen Osnabrück, Karlsruhe, Sandhausen, Nürnberg und Darmstadt wäre der VfB sicher durch – schließlich könnte der Tabellenzweite bei voller Punkteausbeute nicht mehr überholt werden. Im besten Fall würde der VfB also mit der durchschnittlichen Ausbeute von 66 Punkten aufsteigen – etwa mittig angesiedelt zwischen Rekordaufsteiger Hertha (76) und dem schlechtesten Tabellenzweiten der vergangenen Jahre: 2004 reichten Arminia Bielefeld schmale 56 Punkte zur Rückkehr in Liga eins. Historische Randnotiz: Mit 64 Punkten auf Platz vier ist Mainz 05 (Saison 2001/02) bis heute der beste Nicht-Aufsteiger der zweiten Liga.

Sechs Punkte schlechter als im Aufstiegsjahr 2017

Aktuell beschäftigen sich die Stuttgarter jedoch weniger mit Rechenspielen. Sie vertrauen auf die Kraft der vergangenen zwei Siege. Vor allem das dramatische Happy-End gegen den HSV könnte der Wegbereiter für einen erfolgreichen Endspurt sein. So wie 2017. Am 31. Spieltag gewann die Mannschaft von Trainer Hannes Wolf mit 3:2 beim 1. FC Nürnberg. Ebenfalls nach 0:2-Halbzeitrückstand, ebenfalls durch ein Siegtor in der Nachspielzeit.

„Danach war uns klar: Das nimmt uns keiner mehr“, erinnert sich Siegtorschütze Florian Klein. Tatsächlich folgten aus den drei restlichen Spielen zwei weitere Siege – am Ende stand für den VfB die Zweitligameisterschaft. „Solche Siege sind durch nichts zu ersetzen“, sagt der Österreicher, der mit Austria Wien am Dienstag die Saison wieder aufnahm. Der 33-Jährige sieht eine Parallele zu heute: „Ich denke, dass der Sieg gegen den HSV für den weiteren Saisonverlauf entscheidend sein kann.“

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Damals wie heute, wo der VfB nach 29 Spieltagen sechs Punkte weniger aufweist als 2017, muss sich der Favorit harter Widersacher erwehren. Erst am 34. Spieltag wurde vor drei Jahren die Bundesliga-Rückkehr vor Hannover 96 und Eintracht Braunschweig unter Dach und Fach gebracht, mit am Ende starken 69 Punkten. Braunschweig sollten gute 66 Punkte am Ende nichts nützen – die Niedersachsen scheiterten in der Relegation. Die Zahl der Niederlagen, auch das lehrt die Vergangenheit, spielt am Ende nur eine untergeordnete Rolle, solange nur oft genug die vollen drei Punkte eingefahren werden. Der hohe Wert von acht VfB-Pleiten muss per se nicht beunruhigen.

Florian Klein zieht Parallelen

Florian Klein ist guter Dinge, dass seine Nachfolger im Trikot mit dem Brustring im Endspurt die Nase vorn haben werden. „Wenn es um die Wurst geht, ist vor allem eines wichtig: Erfahrung.“ Der 45-fache österreichische Nationalspieler denkt dabei an Typen wie Holger Badstuber, Gonzalo Castro oder Mario Gomez, die auf alles vorbereitet sein müssten.

Um zumindest den zweiten Platz zu sichern. Der aus Stuttgarter Sicht vielleicht sogar mehr Wert wäre als der erste. Nicht, dass der VfB noch Gefahr läuft, irgendwann den Titel des Zweitliga-Rekordmeisters tragen zu müssen.