Der VfB Stuttgart hat mit Ron-Robert Zieler eine weitere Leerstelle im Kader besetzt. Jetzt fehlen nur noch neue Kräfte für die Abwehr – die kniffligste Aufgabe für Sportchef Jan Schindelmeiser.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Grassau - Mitch Langerak verspürte wenig Lust, ein sonniges Gemüt aufzusetzen. Mit ernster Miene stapfte die Nummer eins am Mittwoch im Trainingslager des VfB Stuttgart über die Anlage. Nummer eins? Die prangt zwar weiterhin auf dem Trikot des australischen Nationaltorhüters. In Wirklichkeit weiß aber auch er, dass die neue Nummer eins wohl auf einen anderen Namen hört: Auf Ron-Robert Zieler. Der Neuzugang von Leicester City (Ablöse: vier Millionen Euro) ist mit einem klaren Anspruch zurück in die Bundesliga gewechselt: dauerhaft zu spielen.

 

Da konnten sich Sportchef Jan Schindelmeiser und Trainer Hannes Wolf noch so mühen und den offenen Konkurrenzkampf ausrufen. Zieler hat die Nase vorn. „Mitch musste schon schlucken“, beschrieb Schindelmeiser Langeraks Reaktion, „aber er nimmt es sportlich.“

Immerhin war der Australier frühzeitig involviert. Er wusste also, wer da auf ihn zukommt. Zumindest vorerst denkt Langerak nicht über einen Wechsel nach. Anders verhält es sich wohl bei Jens Grahl. Als Nummer drei hat er beim VfB keine Perspektive – auch nicht in der zweiten Mannschaft. „Wir wollen mit Ron-Robert unsere Gesamtqualität erhöhen“, sagt Wolf. Und deutet damit an, warum sich die sportliche Führung für den Weltmeister von 2014 entschieden hat: Weil er seinem Konkurrenten zumindest fußballerisch überlegen ist.

Wie reagiert Mitch Langerak?

Mit dem dritten Transfer in drei Tagen ist damit eine weitere Leerstelle im Kader des Aufsteigers besetzt. Auch im Offensiv-Bereich sind Schindelmeisers Planungen abgeschlossen. Fehlen also (nur) noch ein oder zwei gestandene Kräfte für die Abwehr. Ein schwieriges Unterfangen.

„Der Markt ist überdreht, die Preise sind teilweise surreal, “ sagt Schindelmeiser und spricht damit für viele seiner Kollegen. Beispiele gibt es einige. Antonio Rüdiger wechselte für 39 Millionen Euro vom AS Rom zum FC Chelsea. Der VfL Wolfsburg legte für Herthas Anthony Brooks 17 Millionen Euro auf den Verhandlungstisch. Für Matthias Ginter kassiert Borussia Dortmund 17,5 Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach. Zwölf Millionen Euro investierte der BVB bereits vorab in Ömer Toprak.

Dass alle genannten Spieler noch ein stattliches Millionengehalt über mehrere Jahre kassieren, muss zudem erwähnt werden, wenn man die aktuelle Suche des VfB nach einem Innenverteidiger beobachtet. Denn: In dieser finanziellen Liga spielt der VfB derzeit einfach nicht mit – und Jan Schindelmeiser weiß: „Wir müssen noch genauer hinschauen.“

Bei Marc-Oliver Kempf vom SC Freiburg hat er das getan. Und seine Gedanken schnell wieder neu geordnet, als er von den finanziellen Forderungen erfuhr: Zwölf bis 15 Millionen Euro. Für einen Spieler aus Freiburg, dessen Vertrag noch ein Jahr läuft. Schindelmeiser wandte sich ab – und spielt nun weiter auf den Faktor Zeit. Doch die Suche wird nicht einfacher werden. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen kommt es auch darauf an, welche Qualitäten man für welche Summen wirklich bekommen kann. Gefragt sind einige.

Spielaufbau beginnt in der Abwehr

Vorbei nämlich sind die Zeiten, als die Hünen aus der Abwehr nur zwei Aufgaben hatten: Die gegnerischen Stürmer ordentlich zu erschrecken, und den Ball zuverlässig möglichst weit aus der Gefahrenzone zu kloppen. Im modernen Fußball hat sich stattdessen die Spielmacherrolle zunehmend nach hinten verlagert. Von der Zehner-Position auf die des zentralen Mittelfeldspielers. Und von dort oftmals zu einem der beiden Innenverteidiger. Schon der erste Pass im Spielaufbau muss sitzen, die Fähigkeiten im Spielaufbau sind mindestens genauso wichtig wie ein gutes Stellungsspiel, Zweikampfhärte, Schnelligkeit und Kopfballstärke. „Wir haben oft den Ball“, sagt Timo Baumgartl, „und damit viel Verantwortung.“

Der Abwehrspieler sieht sich quasi als Quarterback des Teams, eine ähnlich wichtige Rolle im Spielaufbau kommt den Außenverteidigern zu. Meist haben sie pro Spiel die meisten Ballkontakte aller Spieler, sie sollten Offensivkraft (also Schnelligkeit und eine gute Technik) mit defensiver Zuverlässigkeit (also gutes Stellungsspiel und starke Zweikampfführung) auf sich vereinen. Auch hier gilt: Gute Leute auf diesen „Schlüsselpositionen des modernen Fußballs“(Schindelmeiser) sind rar – und wenn sie als solche identifiziert sind, teuer.