Streich, Tuchel, Schneider: nicht nur beim VfB Stuttgart gibt eine neue Trainergeneration am Spielfeldrand den Ton an – das ist ein Trend in der ganzen Liga. Dieser Trend eröffnet den Teams neue Methoden und neue Wege.

Stuttgart - Für Fredi Bobic passt das. „Wir haben uns ganz genau überlegt, was wir tun“, sagt der Manager des VfB Stuttgart. Damit meint er die Ereignisse am 26. August, als der Verein einen Nachfolger für den entlassenen Trainer Bruno Labbadia brauchte. Schnell musste es gehen, schließlich stand drei Tage später das Spiel in der Europa League gegen Rijeka an. Doch auf diese Situation war Bobic vorbereitet. Präsentiert wurde Thomas Schneider (40), den der VfB zuvor in seiner Nachwuchsabteilung selbst ausgebildet und so an die Aufgabe im Profibereich herangeführt hatte. Der Weg nach oben war kurz – und damit liegt der Club voll im Trend.

 

Siehe Nürnberg mit Michael Wiesinger, siehe Freiburg mit Christian Streich, siehe Mainz mit Thomas Tuchel, siehe Schalke mit Jens Keller, siehe Leverkusen mit Sami Hypiä, siehe Hoffenheim mit Markus Gisdol, siehe Augsburg mit Markus Weinzierl, siehe Schneider – eine neue Trainergeneration erobert das Land, weil in der Bundesliga ein Umdenken stattgefunden hat.

Dazu erzählt der Bundestrainer Joachim Löw im kleinen Kreis gerne eine Geschichte. Die geht so: als er vor zehn Jahren auf Jobsuche gewesen sei, habe er mit ungefähr zehn verschiedenen Vereinen gesprochen – und dabei sei ihm von keinem einzigen Verantwortlichen auch nur eine einzige sinnvolle Frage nach seinem Konzept gestellt worden. Nur um Oberflächlichkeiten sei es da gegangen. Punkt. Heute läuft das anders. „Die Clubs schauen bei der Trainerauswahl inzwischen mehr auf die Inhalte als auf die Hülle“, sagt Frank Wormuth, Chef der Trainerausbildung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Der prominente Name allein genügt nicht mehr

Das Kriterium ist also nicht mehr, welcher möglichst prominente Trainer gerade rein zufällig auf dem Markt ist, hinter dem man sich als Funktionär dann schön verstecken kann – mit dem Ziel, aus den Schlagzeilen zu kommen und an der Medienfront für Entlastung zu sorgen. Das war bis vor nicht allzu langer Zeit der erste Impuls. Wäre es noch immer so, hätte Stefan Effenberg schon eine Anstellung gefunden. Aber der frühere Nationalspieler sucht – und findet nichts, zumindest nichts, was seinen Ansprüchen genügen würde. Ein Angebot des FC Bayern, dessen zweite Mannschaft zu betreuen, lehnte er im Juni ab.

Lothar Mattäus geht es wie Effenberg. Locker überholt wurden sie von Leuten, die als Spieler keine so überragende Karriere machten. Aber dafür haben sie den Trainerberuf von der Pike auf gelernt. Das zählt inzwischen bei vielen Clubs. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass profunde Erfahrung im Jugendbereich und angewandte Didaktik einen höheren Wert darstellen als 35 (Effenberg) oder 150 (Matthäus) Länderspieleinsätze. „Es genügt nicht mehr, dass man einen großen Namen hat“, sagt Wormuth.

Schneider, Wiesinger, Streich, Tuchel, Keller, Gisdol und Weinzierl sind nicht so bekannt. Sie wurden zusammen null Mal in die Nationalmannschaft berufen. Dennoch sind sie als Trainer zügig in die höchste Klasse aufgestiegen – auch weil sie im Gegensatz zu Effenberg bereit waren, weiter unten zu beginnen. Damit einher geht eine Entwicklung, in deren Verlauf sich das Bild von den Trainern generell gewandelt hat – weg vom Häuptling, weg von Parolen („Gras fressen“, „Kante zeigen“) und hin zum Teamführer mit pädagogischem Anstrich. Fußballkompetenz alleine reicht nicht mehr, es bedarf auch einer sozialen Kompetenz. „Die modernen Spieler fordern das“, sagt Wormuth, „sie wollen Argumente hören und erfahren, warum sie was machen sollen.“ So werden die Profis in den Nachwuchsleistungszentren der Vereine erzogen – und entsprechend werden die Traineranwärter vom DFB geschult.

FSV Mainz macht mit Klopp und Tuchel den Anfang

Den Anfang hat einst der FSV Mainz gemacht, mit Jürgen Klopp und dann mit Tuchel. „Früher glaubten die Clubs, dass man so jemand in der Öffentlichkeit nicht verkaufen kann“, sagt Wormuth, „aber dann haben sie gemerkt – aha, es kann ja echt funktionieren.“ In der Tat liegen die Vorteile auf der Hand. Während ein von außen geholter neuer Trainer das Risiko beinhaltet, dass er sich schlecht in die Strukturen einbinden lässt und dazu Korrekturen anstrebt, die den gesamten Verein erschüttern, besteht diese Gefahr bei einem selbst ausgebildeten Coach nicht. „So einer kennt das Innenleben und identifiziert sich mit der Sache“, sagt Horst Heldt, der Manager des FC Schalke.

Beispiel Schneider. Er hat lange beim VfB gespielt und zwei Jahre die B-Junioren betreut. Einen ähnlichen Weg geht gerade Andreas Hinkel als U-12-Trainer. „Der springende Punkt ist doch, ob der Club und der Trainer auf einer Wellenlänge liegen und mittelfristig die gleiche Strategie verfolgen“, sagt Schneider. Lautet die Antwort Ja, passt das. Nachzufragen bei Bobic.