Während sich Benjamin Pavard in Paris als Weltmeister feiern lässt, nimmt die Diskussion um seine Zukunft in Stuttgart weiter Fahrt auf. Gehen oder Bleiben – unsere Redakteure lassen die Argumente sprechen.

Stuttgart - Benjamin Pavard ist die heißeste Transferaktie des Sommers und könnte mehr Geld in die Clubkasse des VfB spülen als die hitzig diskutierte Ausgliederung. Andererseits ist der Franzose für die Stuttgarter auch als Spieler und Werbefigur Gold wert. Soll Pavard daher noch ein Jahr in Stuttgart bleiben? Unsere Redakteure Dirk Preiß (soll bleiben) und Heiko Hinrichsen (soll gehen) haben in einem Pro und Kontra die Argumente ausgetauscht.

 

Pro: Pavard soll noch ein Jahr in Stuttgart bleiben

Ja, die Gesetze der Branche Profifußball sind auch dem Autor dieser Zeilen bekannt. Und doch wagt er die in diesem Zusammenhang steile These: Geld ist nicht alles. Oder muss man es anders formulieren? So vielleicht: Unglaublich viel Geld ist nicht alles.

Unglaublich viel Geld kann der VfB Stuttgart vielleicht schon in diesem Jahr für seinen Abwehrspieler Benjamin Pavard einstreichen. Der war schon vor der Weltmeisterschaft ein wohlklingender Name auf den Einkaufslisten der großen Clubs. Nun, als gerade einmal 22-jähriger Stammspieler des neuen Weltmeisters, ist er es noch viel mehr. Und womöglich wird demnächst tatsächlich ein Verein in der Mercedesstraße 109 mit einem Angebot vorstellig, das man dann gut und gerne als eines bezeichnen könnte, das man nicht ablehnen kann. Eines jenseits der 60 Millionen Euro zum Beispiel. Darf man das dann wirklich nicht ablehnen?

Doch, darf man! Sollte man vielleicht sogar. Denn für den VfB kann auch ein Verbleib Pavards Gold (Geld) wert sein. Einen aktuellen Weltmeister haben nicht viele in der Bundesliga im Team (aktuell nur der VfB und der FC Bayern) – damit lässt sich wuchern, das lässt sich vermarkten. Dass man es in Bad Cannstatt zu was bringen kann, auch dafür kann das lebende Beispiel Benjamin Pavard werben – bei externen potenziellen Neuen und eigenen Talenten. Nicht zuletzt hat der Franzose schon in der vergangenen Saison gezeigt, dass es mit ihm in der Abwehr auch sportlich nach vorne gehen kann – er hat alle 34 Bundesliga-Spiele bestritten. Sollte dem VfB mit ihm zusammen der nächste Schritt gelingen, beschert das dem Club auch weitere Millionen-Einnahmen. Sei es beim TV-Geld, dessen Anteile nach Ligaplatzierungen ausgeschüttet wird. Sei es durch eine mögliche Qualifikation fürs internationale Geschäft.

Ein weiteres Jahr Benjamin Pavard in Stuttgart könnte auch dem Weltmeister helfen, der sich nach einer verkürzten Vorbereitung nicht gleich in einer neuen Umgebung gegen neue Konkurrenten behaupten und mit noch höheren Erwartungen fertig werden muss. In Stuttgart weiß er, was er hat. Und hat – wie der VfB auch – einen großen Vorteil. Der Wechsel zu einem europäischen Topclub wäre ja nicht aufgehoben. Im kommenden Sommer kann Pavard qua Ausstiegsklausel gehen. Der VfB Stuttgart erlöst dann immer noch 35 Millionen Euro – was eigentlich auch unglaublich viel Geld ist.

Contra: Ein Verkauf ist bei einem Mega-Angebot alternativlos

Zum Einstieg ein paar Zahlen aus der jüngeren Vergangenheit zur Gedächtnis-Auffrischung: Um von der Daimler AG 41,1 Millionen Euro als Finanzspritze zu generieren, stellten die Bosse beim VfB erst vor 13 Monaten, im Juni 2017, die Vertrauensfrage. Diese wurde mit dem deutlichem Ja der Mitglieder zur Ausgliederung der Profifußballer positiv beschieden. Damals gingen 11,75 Prozent der Clubanteile an Daimler. Der VfB-Vereinswert wurde auf 300 Millionen Euro taxiert.

Nun könnte bald ein europäischer Großclub auf den Plan treten – und für einen einzelnen Spieler mehr Geld bieten, nämlich bis zu 50, 60 Millionen Euro, als das Haus Daimler für ein gutes Achtel der Clubanteile zahlte. Bei derlei Irrsinnssummen darf es bei denselben VfB-Chefs hinsichtlich eines Pavard-Verkaufs kein Zögern geben. Das gebietet die wirtschaftliche Vernunft.

Als frischgebackener Weltmeister zählt der gerade mal 22 Jahre junge Pavard zu den weltweit heißesten Aktien auf dem Transfermarkt. Daher muss, ein Spitzenangebot und ein Okay des Spielers vorausgesetzt, jetzt die Rendite eingefahren werden. So schmerzlich es für den Traditionsclub aus Stuttgart und seine Fans auch wäre, sich nicht eine Saison lang mit dem neben dem Bayern-Spieler Corentin Tolisso einzigen Weltmeister im Bundesliga-Spielbetrieb schmücken zu können. Denn auch andere Szenarien sind denkbar: etwa eine schwere Verletzung des Lockenkopfes, die sich natürlich niemand wünscht. Dann wäre viel Geld im Neckar versenkt, welches man sinnvoll zur sukzessiven Verbesserung des aktuellen Kaders hätte investieren können.

Obendrein bemisst sich der exorbitant gestiegene Marktwert Pavards ja auch an seinen Zukunftsperspektiven. Der technisch versierte Defensivmann ist blutjung – und steht daher trotz des Titelgewinns von Moskau auf Vereinsebene gerade erst am Anfang einer Weltkarriere. Beim VfB ist Pavards Zukunftshorizont aber schon jetzt ein sehr begrenzter. Denn dank einer Ausstiegsklausel darf der Franzose 2019 für 35 Millionen Euro Ablöse ohnehin gehen.

Dazu kommt, dass Pavard nicht die große Identifikationsfigur ist. Für einen Jungen aus dem Remstal etwa könnte man sich schon mal ein kostspieliges Extrajahr gönnen. Oder für einen Stürmer der Marke Kylian Mbappé, der die Massen mit offensiver Fußballkunst begeistert. Doch Pavard ist „nur“ Verteidiger. Er würde eine Lücke hinterlassen, die aber mit Blick auf die mittelfristigen Ziele des VfB gut zu füllen ist.