Der Fußball-Bundesligist aus Stuttgart absolviert ein gutes Trainingslager, will daraus aber nichts für den Rückrundenstart ableiten. Das war zuletzt nämlich nie so gut.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Christian Gentner sagt es. Robin Dutt sagt es auch. Und Jürgen Kramny sagt es sowieso: Das gut verlaufene Trainingslager des VfB Stuttgart in der Türkei ist nicht überzubewerten. „Nach der schwierigen Vorrunde mit dem Trainerwechsel ist eine Standortbestimmung gerade nicht möglich“, sagt der Kapitän Gentner. Er weiß nur zu gut, dass sich die Form des Fußball-Bundesligisten nicht bei Sprungübungen und Sprints entscheidet.

 

Davon gab es viele in Belek, und Manager Dutt hat gefallen, wie die Mannschaft stets den Schalter zwischen Spannung und Spaß umlegen konnte. Wie sie konzentriert Laufeinheiten und taktische Spielformen absolvierte, aber auch beim Ballweitwurf in eine Abfalltonne Elan zeigte. „Ich will aber nicht als Botschaft transportieren, dass wir das 100. gute Trainingslager hatten, nur weil gute Stimmung herrschte“, sagt Dutt.

Und Trainer Kramny ist mit so viel Realismus gesegnet, dass er zwar über das nächste Spiel hinausdenkt, jedoch nur von der nächsten Aufgabe spricht. „Nur der 1. FC Köln zählt, und wir tun gut daran, nicht nachlässig an die Partie heranzugehen“, sagt Kramny. Für ihn kommt es nach der Rückkehr darauf an, dass die Spieler nach den guten Bedingungen an der türkischen Riviera nun die widrigeren Bedingungen in Stuttgart annehmen. „Hochprofessionell muss das gehen“, sagt Kramny.

Die gleiche Situation wie vor einem Jahr

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei Berufssportlern, möchte man meinen. Doch der VfB tut gut daran, nicht zu viel aus einer bisher ordentlichen Vorbereitung abzuleiten. Denn vor einem Jahr in Portugal lief es ähnlich, und im Jahr davor waren gar alle vom Trainingslager in Südafrika begeistert. Beide Male folgte jedoch ein Fehlstart in die Rückrunde, erst mit Thomas Schneider als Chefcoach, danach mit Huub Stevens. Und nimmt man die Sommervorbereitungen hinzu, dann haben zuletzt auch schon Armin Veh und Alexander Zorniger versucht, die Stuttgarter in die Erfolgsspur zu bringen. Vergeblich.

Es sind also die Geister der Vergangenheit, die in den Köpfen der Spieler und Verantwortlichen umherspuken. Wobei die Ausgangssituation schon sehr stark an die vergangene Runde erinnert: Auch da ging es für den VfB nach einem Trainerwechsel am 24. November im neuen Jahr vom 15. Tabellenplatz aus los. Auch da herrschte die Sehnsucht vor, die schlechten Zeiten endlich hinter sich gelassen zu haben.

Kramny setzt auf einen extrem guten Teamgeist

Doch die Mannschaft bewies im Anschluss einmal mehr, dass ihr sportlich nur schwer zu trauen ist. Auch jetzt gilt der Abstiegskampf als das wesentlich spannendere Element in der deutschen Eliteklasse als das Titelrennen. Platz eins scheint an den FC Bayern vergeben, Platz zwei an Borussia Dortmund, aber ab dem siebten Rang schauen die Teams nach unten – und mittendrin im Sumpf steckt der VfB. „Es wird darauf ankommen, einen extrem guten Teamgeist zu entwickeln“, sagt Kramny.

Dabei mag es den Stuttgartern schmeicheln, dass ihnen Trainer und Experten von außerhalb der Region weitaus mehr fußballerische Qualität zusprechen als der Konkurrenz im Tabellenkeller, aber weder Kramny noch Dutt wollen sich davon blenden lassen. „Wir dürfen uns auf die Qualität nicht verlassen, nur weil es andere sagen“, sagt der Manager. „Man kann uns natürlich offensive Qualität nachsagen. Doch das bringt alles nichts, wenn wir defensiv nicht gut stehen“, betont Kramny.

Fußball à la Zorniger

Der Trainer hat deshalb viel an der Balance im Spiel gearbeitet, da er den VfB für zu konteranfällig hält. Beim 2:0 im Test gegen Hannover 96 (Tore Filip Kostic und Daniel Didavi) registrierte Kramny jedoch nur zwei schnelle Gegenangriffe – obwohl die Stuttgarter im zweiten Abschnitt hoch verteidigten, wie es im Trainerjargon so schön heißt.

Fußball à la Zorniger war das – und dessen Nachfolger Kramny will das frühe Gegenpressing situativ auch beibehalten. Gegen Hannover mit einer Schlusself, die den Verdacht auf eine Startelf für das Köln-Spiel nährt: Tyton im Tor, Großkreutz, Schwaab, Niedermeier, Insúa in der Abwehr, Gentner und Rupp im defensiven sowie Klein, Didavi und Kostic im offensiven Mittelfeld, davor Kravets.

Wobei gerade im Sturm der Neuzugang Artem Kravets wohl nicht an Timo Werner vorbei kommt. Und hinten fiel Timo Baumgartl in Belek mit Magen-Darm-Problemen zwei Tage aus. Das schränkte die Optionen in der Innenverteidigung ein. Doch das war ja auch nur eine gute Übung für Köln. Denn dort fehlt Toni Sunjic gesperrt.