Beim VfB Stuttgart sind vier Schlüsselpositionen mit Bernd Wahler, Robin Dutt, Alexander Zorniger und Ralf Becker besetzt. Ihnen fehlt aber die Erfahrung in ihrem Metier – oder zumindest die Bundesligaerfahrung.

Stuttgart - Armin Veh (54) ist ein Kind der Fußball-Bundesliga. Als Spieler stand er einst bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag und als Trainer betreute er danach Hansa Rostock, den VfB Stuttgart, den VfL Wolfsburg, den Hamburger SV, Eintracht Frankfurt, wieder den VfB und erneut die Eintracht. Er ist so weit herumgekommen, dass er Entwicklungen beurteilen kann. „Der VfB ist jetzt viel besser aufgestellt“, erklärte Veh am 29. August in der StZ. Viel besser als zu seinen Zeiten auf dem Wasen, sollte das dann heißen.

 

Er hat es ja sicher nur gut gemeint mit seinem früheren Verein, aber die Mannschaft hat die ersten vier Saisonspiele verloren. Der Abstiegskampf droht, wie schon seit Jahren. Deshalb stellen sich drei Fragen: Ist das Lob von Veh berechtigt? Wie sind die Schlüsselpositionen beim VfB wirklich besetzt? Und welche Vorkenntnisse bringen die Verantwortlichen mit?

Der Präsident

Bis vor zwei Jahren hatte Bernd Wahler (57) nichts zu tun mit Vereinspolitik egal welcher Art, denn vor seinem Amtsantritt beim VfB war er bei keinem Club tätig, weder im Profibereich noch bei den Amateuren. Vielmehr kannte er das Geschäft nur von einer anderen Seite her – als leitender Marketingfachmann bei den Sportartikelherstellern Adidas und Nike. Aber es ist ein ziemlicher Unterschied, ob man die Produkte eines Konzerns verkaufen oder einen Verein führen muss. Wahler ist Quereinsteiger, für den fast alles neu gewesen ist – von den internen Abläufen bis zu dem Druck, ständig unter öffentlicher Beobachtung zu stehen. Wie sollte er wissen, wie das funktioniert?

Er ist kein Profi und musste lernen – ein Prozess, der nicht so schnell abzuschließen ist. Bei heutigen Routiniers wie Reinhard Rauball (Dortmund) oder Heribert Bruchhagen (Frankfurt) hat es auch gedauert, bis sie ihre Rolle beherrschten. Und nicht ungewöhnlich ist, dass man in der Einarbeitungsphase mal Fehler macht wie Wahler mit manch unbedachten Aussagen. Inzwischen meidet er die große Bühne total. Nach wie vor muss er sich erst vertraut machen auf dem ungewohnten Terrain. Damit hat er genug zu tun. Alexander Zorniger ist bereits der sechste Trainer in seiner Ära. Dabei bräuchte der VfB mehr: eine Strategie wie die Ausgliederung, die aber nicht konsequent vorangetrieben wird. Dieses große Ganze ist wiederum Chefsache. Und der Chef ist Wahler.

Der Manager

Robin Dutt (50) kennt sich aus in der Bundesliga – aber nur als Trainer. Freiburg, Leverkusen und Bremen hießen seine Stationen. Dagegen waren ihm die Anforderungen an einen Manager bis zu seinem Einstieg beim VfB fremd. Daran änderte seine Episode als Sportdirektor beim DFB (von August 2012 bis Mai 2013) nichts, weil sich ein Verband in deutlich ruhigerem Gewässer bewegt als ein Verein, bei dem der Manager täglich im Haifischbecken sitzt. So muss Dutt in seine Aufgabe noch hineinwachsen, was kaum in den neun Monaten gelingen kann, in denen er beim VfB ist.

Im Sommer machte er seine erste Saisonplanung überhaupt – und auch zu seinem Team gehörte da keiner, der im Millionenzirkus schon mitgemischt hat. Dutt musste sofort den Transfer von Antonio Rüdiger zum AS Rom abwickeln. Der VfB kassiert eine Leihgebühr von vier Millionen Euro und später noch eine Ablöse von neun Millionen – angesichts der explodierenden Marktpreise nicht gerade eine stolze Summe für einen Nationalverteidiger.

Wie jeder, der einen neuen Job antritt, würde Dutt vor allem Zeit benötigen – auch um sich gedanklich umzustellen. Aber Zeit hat er nicht. So sagte er vergangene Woche, dass nun sicher Modifikationen am Spielsystem vorgenommen werden. Da sprach der Trainer aus ihm – aber erstens ist er ja Manager und zweitens stärkt er mit solchen Sätzen kaum die Autorität seines tatsächlichen Trainers, der kraft seiner Kompetenz das Spielsystem festlegen muss.

Der Trainer

Alexander Zorniger (47) weiß im Prinzip, welche Eigenschaften in seiner Funktion nötig sind, um Erfolg zu haben. Trainer ist er schon seit 2004 – in unteren Spielklassen. Auch RB Leipzig übernahm er in der Regionalliga, ehe das Team mit ihm zweimal aufgestiegen ist. In der Bundesliga ist er ein Novize – und auf dieser Stufe sind noch einmal ein paar Tugenden mehr gefordert, beispielsweise was die eigene Außendarstellung betrifft, die sich dann wiederum auch auf das Innenverhältnis mit der Mannschaft auswirkt.

Das kann man nicht auf Knopfdruck verinnerlichen. Normal ist, dass man bei einem solchen beruflichen Aufstieg anfangs Lehrgeld zahlen und sich orientieren muss. Das ist vielen Kollegen von Zorniger ähnlich gegangen. Noch schwieriger wird das alles jedoch bei einem Verein, der wie der VfB im Umbruch steckt. Da gibt es nur wenige Konstanten, an denen sich der Trainer klammern könnte. Da oben ist die Luft dünn – für Zorniger eine neue Welt, in die er sich noch einfinden muss.

Der Scoutingchef

Ralf Becker (44) hat eine lange Karriere hinter sich – als Spieler in der zweiten Liga, als Co-Trainer beim Karlsruher SC und als Coach beim Regionalligisten SSV Ulm. Aber Talentspäher war er bis 2011 nie – und in der Bundesliga war er auch nie. Dann verpflichtete ihn der VfB als Chef, der die Abteilung auf Vordermann bringen soll. Aber das ist mit dieser persönlichen Vorgeschichte natürlich nicht so einfach für Becker.

Dabei wird das Scouting immer wichtiger, speziell bei Clubs wie dem VfB, der nicht 30 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben kann. Deshalb ist man darauf angewiesen, Talente zu entdecken, bevor sie bei den sportlich und wirtschaftlich übermächtigen Konkurrenten auf der Liste stehen. Aber das ist dem VfB zuletzt nicht gelungen – weder 2014 bei Abdul Rahman Baba (nach Augsburg) noch 2015 bei Julian Weigl (zu Dortmund). Zufall – oder nicht?

Das Fazit

In Bernd Wahler, Robin Dutt, Alexander Zorniger und Ralf Becker beschäftigt der VfB gleich vier Führungskräfte, die in ihrem Metier keine Erfahrung haben – oder zumindest keine Bundesligaerfahrung. Dabei lautet eine alte Weisheit, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Doch als Ausbildungsverein sieht sich der VfB eigentlich nicht – höchstens bei Spielern. Und dies könnte dann übrigens auch die Antwort sein auf die drei eingangs nach dem Veh-Zitat gestellten Fragen.