„Tor!“, jubelten die Stuttgarter Fans am Sonntag, als Vedad Ibisevic dem VfB zum Sieg gegen den Hamburger SV verhalf. Jedoch gab es außer dem Torschützen noch weitere starke Spieler, die mit ihrer Technik und Expertise das positive Ergebnis begünstigten.

Stuttgart - Zdravko Kuzmanovic kommt erst nach dem Schlusspfiff dazu, auf das Tempo zu drücken. Während des Spiels musste sich der serbische Mittelfeldspieler hinter dem Tor warmlaufen und sich schließlich wieder zurück auf die VfB-Bank setzen, als er auch bei der dritten Einwechslung unberücksichtigt blieb. Danach aber braucht er nur ein paar Minuten, um zu duschen und in den dunklen Anzug zu schlüpfen – schon eilt er in den Mannschaftsbus. Seine Miene ist mürrisch, kein Wunder: Kuzmanovic verlässt das Hamburger Stadion im Gefühl, im Mittelfeld des VfB derzeit nicht gebraucht zu werden.

 

Zwei Dinge hat der überzeugende 1:0-Sieg am Sonntag beim Hamburger SV bewiesen: Dass der VfB in der Lage ist, trotz der jüngsten Turbulenzen die Ruhe zu bewahren und von der ersten Minute an mit erstaunlicher Abgeklärtheit und Präzision zu Werke zu gehen; und dass gerade das zentrale Mittelfeld der Stuttgarter, zuletzt oft gescholten als langsam, uninspiriert und führungsschwach, im Zweifel auch ganz anders kann, nämlich schwungvoll, ideenreich und selbstbewusst. „Das war eine sensationelle Leistung“, sagt der VfB-Trainer Bruno Labbadia.

William Kvist ist stark in der Defensive

Das Beispiel William Kvist: als alleiniger Sechser spielt der Däne mittlerweile im VfB-Mittelfeld, nachdem Labbadia das System leicht modifiziert und von einem 4-2-3-1 auf ein 4-1-4-1 umgestellt hat. Das kommt Kvist entgegen, der seine Stärken in der Defensive, in der Balleroberung und sicheren -weitergabe hat. Ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg war es in Hamburg, Rafael van der Vaart aus dem Spiel zu nehmen. Das gelang Kvist sehr eindrucksvoll – wo der Niederländer auch hin kam, sein Gegenspieler war längst da.

Wie ein Barkeeper auf der Reeperbahn schüttelt Kvist anschließend seine Flasche mit dem Fitnessdrink, um nach der Anstrengung ja schnell wieder fit zu werden für das Wiedersehen mit dem FC Kopenhagen am Donnerstag in der Europa League. „Wir müssen uns daran erinnern, was uns in der Rückrunde der vergangenen Saison stark gemacht hat: dass wir gut stehen, dass wir gut gegen den Ball arbeiten. Das ist die Grundlage – alles andere kommt dann automatisch zurück. Wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagt Kvist.

Raphael Holzhauser bringt nichts aus der Ruhe

Das Beispiel Raphael Holzhauser: dicht gedrängt stehen die überregionalen Reporter nach dem Spiel um den Österreicher und wollen wissen: Was ist das für ein erstaunlicher junger Mann, der erst sechs Bundesligaspiele bestritten hat und trotzdem auftritt wie ein alter Hase? „Die Ruhe am Ball, die habe ich schon immer gehabt, das ist mein Spiel“, sagt der 19-Jährige, den ganz offensichtlich auch neben dem Platz wenig aus der Ruhe bringt. Die Mitspieler hätten es ihm einfach gemacht, sich einzufinden, nun hoffe er, dass es so weitergeht: „Ich bin jetzt nah dran an der Mannschaft.“

Man könnte auch sagen: Holzhauser, von Labbadia lange zurückgehalten, ist derzeit ein wesentlicher Bestandteil. Sieben Punkte hat der VfB in den drei Spielen geholt, in denen der 1,93-Meter-Mann von Beginn an mitwirken durfte. Wie selbstverständlich übernimmt er jede Standardsituation, spielt überlegte Pässe und strahlt nicht allein wegen seiner Physis eine viel größere Präsenz aus als Tamás Hajnal. „Ich freue mich sehr über ihn und seine Leistung“, sagt Labbadia und vergisst nicht, sich auch selbst auf die Schulter zu klopfen: „Wir haben sehr viel Arbeit in den Jungen investiert. Das zahlt sich jetzt aus.“

Christian Gentner zieht die Mannschaft mit

Das Beispiel Christian Gentner: ewig umstritten scheint der dritte Mann im zentralen Mittelfeld, der aus der eigenen Jugend stammt und wegen seiner technisch geprägten Spielweise von den Fans trotzdem oft argwöhnisch beäugt wird. In der Mannschaft ist Gentner als Integrationsfigur hoch geschätzt – und würde er regelmäßig so spielen wie in Hamburg, dann hätte auch der Anhang keine Zweifel mehr. Obwohl von starker Übelkeit geplagt brachte Gentner nicht nur „ein sensationelles Laufpensum“ (Labbadia) hinter sich, er rief auch wieder einmal in Erinnerung, dass er über ein ausgeprägtes Spielverständnis verfügt. „Er ist ein absoluter Leadertyp, der die Mannschaft mitzieht“, sagt der VfB-Manager Fredi Bobic, „dadurch hat es auch Raphael Holzhauser einfacher.“

In der Summe ergab all dies in Hamburg eine Leistung, wie man sie vom VfB – trotz der vielen leichtfertig vergebenen Chancen – in dieser Saison noch nicht gesehen hatte. Ob jetzt die Stabilität zurückkommt und damit auch ein dauerhafter Aufwärtstrend? Labbadia mag sich nicht festlegen. „Ich traue meiner Mannschaft sehr viel zu“, sagt der VfB-Chefcoach, er wisse aber auch genau, dass „schon Kleinigkeiten“, also weitere Verletzungen oder Sperren, ausreichten, „um alles ins Rutschen zu bringen“. Der Kader sei schließlich sehr klein, man brauche jeden Mann.

Es gibt also noch Hoffnung für Zdravko Kuzmanovic – auch wenn das an diesem Abend kein großer Trost mehr ist.