Nach dem 4:0-Sieg in Hamburg muss der VfB in der Tabelle nicht mehr nach unten schauen. Jetzt rückt die Europa League in Blickweite.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Hamburg - Es hat bis zur 60. Spielminute gedauert, ehe Zdravko Kuzmanovic in seinen Beinen „schlagartig eine große Müdigkeit“ verspürt hat – und drei Minuten später um die Auswechslung bat. Das ist aber nicht weiter schlimm gewesen. Denn seinen Job konnte der serbische Nationalspieler zuvor auf dem Rasen des HSV-Stadions im Volkspark vor 55 200 Fans zur größten Zufriedenheit erledigen. Und das, obwohl er nach dem Länderspiel-Doppelpack gegen Armenien und Israel nun vier Spiele in acht Tagen in den Knochen hatte.

 

Kuzmanovic ist wieder obenauf

Weil Zdravko Kuzmanovic ein von der Euphorie getragener Achterbahn-Spielertyp ist, der ähnlich wie das gesamte VfB-Kollektiv an guten Tagen Bäume ausreißen, an schlechten aber Fans, Trainer und Management zur Verzweiflung treiben kann, war die Analyse der Stuttgarter Nummer acht nach dem 4:0-Auswärtsieg kein Wunder. „Diese Woche mit den zwei Siegen hat uns sehr gutgetan“, sagte Kuzmanovic, der mit seinen zwei verwandelten Elfmetern (31./47.) die Treffer von Vedad Ibisevic (23.) und Martin Harnik (90.) flankiert hatte: „Das war sehr gut für unser aller Selbstvertrauen. Wir wollen jetzt eine Serie starten. Und wenn wir erst mal einen Lauf haben, ist es ja bekanntlich für jeden Gegner sehr schwer, uns zu besiegen.“

Der VfB-Manager Fredi Bobic lässt sich anders als der „Kuz“, der einst für die Rekordablöse von acht Millionen Euro aus Florenz nach Stuttgart gekommen war, weniger von positiven Emotionen leiten. Er wollte deshalb nach Spielschluss nur bedingt in das Vier-Tore-für-ein-Halleluja seines Mittelfeldmannes einstimmen. „Es war das perfekte Auswärtsspiel“, analysierte Bobic zwar, schränkte dann aber ein: „Erst wenn wir uns stabilisieren, können wir über die Schwelle gehen – und irgendwann einmal andere Ansprüche anmelden.“ Schließlich lieferte der Bundesliga-Dino HSV, das war auch Bobic nicht verborgen geblieben, eine für einen sechsmaligen Deutschen Meister und zweimaligen Europapokalsieger beschämende Leistung ab.

Günstige Zukunftsprognose

Hatten also die Hamburger so schlecht gespielt? Oder war der VfB so gut, dass es zum ersten Auswärtssieg seit dem 30. September 2011, dem 2:0 auf dem Lauterer Betzenberg, reichte und die Stuttgarter nun – zumindest mit einem Auge – wieder in Richtung des internationalen Geschäfts schielen können? Immerhin ist der Bundesliga-Tabellenplatz sieben, der zu einem Europa-League-Ticket verhelfen würde, sollte die Spvgg Greuther Fürth im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Dortmund unterliegen, lediglich drei Punkte entfernt. Zudem besitzt der VfB das wesentlich bessere Torverhältnis als der derzeitige Siebte Hannover 96. Auch die Zukunftsprognose erscheint günstig: Am Freitag (20.30 Uhr) geht es gegen Kaiserslautern, dann nach Hoffenheim, ehe der 1. FC Nürnberg in der Mercedes-Benz-Arena gastiert. In der Form vom Samstag sind dies allesamt lösbare Aufgaben.

Selbst der wie Bobic stets auf Understatement bedachte Cheftrainer Bruno Labbadia („Ich habe es mir abgewöhnt, über mehrere Wochen hinaus eine Prognose abzugeben“) hält es inzwischen für höchst unwahrscheinlich, dass seine Equipe in dieser Runde noch etwas mit dem Abstieg zu tun bekommt. 32 Punkte hat der VfB bereits auf der Habenseite – das sind zehn mehr als in der Vorsaison zur selben Zeit. Muss es daher das Ziel des VfB sein, sich nun den Weg nach Europa zu bahnen?

Klar ist, dass der Kantersieg an der Elbe dem Selbstvertrauen, dem Zusammenhalt und der Moral in der Mannschaft sehr gutgetan hat. Selten hat man die Profis derart ausgelassen gesehen wie am späten Samstagnachmittag in den Katakomben des HSV-Stadions. Dort klatschten sich Khalid Boulahrouz („Dieser Sieg ist herrlich. Wir kommen ja aus dem Jubeln gar nicht mehr raus“), Sven Ulreich („Wir haben souverän gespielt“) und Martin Harnik („Wir haben den positiven Schwung aus den Länderspielen mitgenommen“), der mit acht Treffern beste Torjäger der Rückrunde, auch angesichts von 15 VfB-Toren in den vergangenen vier Bundesligaspielen ab – und lagen sich später in den Armen.

Labbadia tritt auf die Euphoriebremse

Da wirkte der Trainer Labbadia schon fast wie ein Spielverderber, weil er trotz des höchsten Auswärtssieges seit dem 5:1 in Köln vor zwei Jahren auf die Euphoriebremse trat. „Wir werden den Mund auch jetzt nicht zu voll nehmen“, sagte Labbadia, dem es aber gefallen hat, „dass meine Mannschaft endlich agiert hat, anstatt wie so oft nur zu reagieren.“

Hamburger SV Drobny – Diekmeier, Westermann, Rajkovic, Jansen – Sala (46. Son), Rincón (41. Arslan), Jarolim, Ilicevic – Petric, Guerrero.

VfB Stuttgart Ulreich – Boulahrouz, Tasci, Niedermeier, Sakai – Kvist, Kuzmanovic (63. Gentner) – Harnik, Hajnal (76. Cacau), Okazaki (71. Schieber) – Ibisevic.

Schiedsrichter Sippel (München).

Tore 0:1 Ibisevic (23.), 0:2 Kuzmanovic (31./ Foulelfmeter), 0:3 Kuzmanovic (47./Foulelfmeter), 0:4 Harnik (90.). Rote Karte Guerrero (54./grobes Foulspiel).