Der VfB Stuttgart muss am Samstag beim Hamburger SV antreten. Dabei treffen zwei Clubs mit zwei verschiedenen Strategien aufeinander.

Stuttgart - Es ist nicht so, dass früher alles besser gewesen wäre, aber manches schon. So spielten der VfB und der HSV die Deutsche Meisterschaft 1984 quasi unter sich aus – Stuttgart gewann. Gute, alte Zeiten. Hamburg ist der Bundesligadino und der einzige Verein, der seit Gründung der Eliteklasse 1963 immer dabei war. Der VfB fehlte auch nur zwei Jahre, zwischen 1975 und 1977. 1650 Bundesligapartien hat der HSV insgesamt bestritten, 1582 der VfB, der in dieser Statistik den vierten Platz hinter Werder Bremen (1616) und dem FC Bayern (1590) einnimmt. In der ewigen Punktetabelle liegt der HSV hinter Bayern und Bremen auf Rang drei, gefolgt vom VfB.

 

Bescheidene neue Zeiten. Aktuell kommen beide Mannschaften nicht über Mittelmaß hinaus. Unter diesen Vorzeichen treffen sie am Samstag in Hamburg aufeinander (Verfolgen Sie die Partie ab 15.30 Uhr im StZ-Liveticker).

Dennoch ist es nach wie vor ein Duell der besonderen Art, schon weil der VfB und der HSV die einzigen Bundesligisten sind, die ihren Weg ausdrücklich benannt und genau beschrieben haben – es gibt den Stuttgarter Weg und den Hamburger Weg. Beide haben unterschiedliche Ansätze, aber dasselbe Ziel: an die Spitze zu kommen und sich als Nummer zwei in Deutschland hinter dem FC Bayern zu etablieren. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass man über seine Verhältnisse lebt und dann die Zeche zahlen muss. Siehe HSV, siehe VfB. Aber sind ihre Wege deshalb verkehrt?

Der Hamburger Weg

Er wurde 2005 von dem alten Vorstandschef Bernd Hoffmann ausgerufen. Dabei handelt es sich um eine Sponsoreninitiative, die in der Liga einmalig ist. Unter der Schirmherrschaft des damaligen Oberbürgermeistermeister Ole von Beust treten elf große Unternehmen als Geldgeber auf. Sie unterstützen nicht nur den HSV, sondern auch soziale Einrichtungen in der Stadt. Allerdings dürften rund 90 Prozent der von den Partnern zur Verfügung gestellten Mittel dem Club zugutekommen, der auf diese Weise pro Jahr einen satten zweistelligen Millionenbetrag kassiert.

Der Ausgangspunkt des Konzepts war die Überlegung des Vereins, wie er besser in die Stadt eingebunden und präsenter werden kann. Mit diesem Weg hat sich der HSV ein Profil gegeben. Er will für Werte stehen, die über den Fußball hinaus gelten, und jemand sein, der sich seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst ist. Das strahlt auf den sportlichen Bereich aus. Erstens fungieren die Spieler als Paten der Projekte – und zweitens fließen die Sponsorengelder weitgehend in die Mannschaft.

Das Team sollte damit so aufgerüstet werden, dass es regelmäßig um den Einzug in die Champions League mitkämpfen kann, aber bei diesem Unterfangen hat sich der HSV übernommen. Er war zum Erfolg verdammt – was die Nervosität und die daraus resultierende hohe Trainerfluktuation speziell seit zwei Jahren erklärt: von Bruno Labbadia über Ricardo Moniz, Armin Veh, Michael Oenning, Rodolfo Cardoso bis jetzt zu Thorsten Fink. Kontinuität war ein Fremdwort. Auch das ist eine Erscheinung des Hamburger Wegs – wenn auch nicht im Sinne seiner Erfinder.

Denn den Verein plagen hohe Schulden. Wenn er sich nicht an den Sportrechtevermarkter Sportfive verkauft hätte, wäre die Lage dramatisch bis aussichtslos gewesen. Auch das abgelaufene Geschäftsjahr wurde mit einem Verlust von fast fünf Millionen Euro abgeschlossen, obwohl die Personalkosten für den Profikader von 48 Millionen Euro auf knapp unter 40 Millionen gesenkt worden waren. Weitere Einsparungen sind deshalb laut des Präsidenten Carl-Edgar Jarchow unvermeidlich, der bereits eine erneute Absenkung des Etats ankündigt.

Das bedeutet zwangsläufig, dass verstärkt auf den Nachwuchs gesetzt werden muss. Beim 1:1 zuletzt in Mönchengladbach standen schon fünf Spieler auf dem Platz, die erst 23 Jahre alt oder noch jünger sind. Und die 20-jährigen Gökhan Töre und Jeffrey Bruma kamen nur nicht zum Zug, weil sie verletzt waren. „Es wird seine Zeit brauchen, bis wir wieder dastehen, wo wir hingehören“, sagt Jarchow, „aber mit allem, was wir begonnen haben, sind wir auf dem richtigen Weg“ – dem Hamburger Weg.

Der Stuttgarter Weg

Ihn gibt es auch schon seit ein paar Jahren, woran der neue Präsident Gerd Mäuser im vergangenen Sommer noch einmal erinnert hat, indem er erklärte, die Linie wieder resoluter zu verfolgen als zuvor. Im Kern heißt das, dass solide gewirtschaftet werden muss und dass nicht mehr Geld ausgegeben werden darf, als eingenommen wird. Mäuser spricht in diesem Zusammenhang gerne von der „Champions-League-Falle“, in die er nicht tappen werde – im Gegensatz zu den Verantwortlichen in der Ära vor ihm, in welcher der Club in den Augen seines jetzigen Präsidenten zu hoch dotierte Spielerverträge abgeschlossen und zu teure Transfers vollzogen hat. Dadurch entstand ein enormer Erfolgsdruck – wie in Hamburg, was auch beim VfB zu vielen Trainerwechseln führte: von Armin Veh über Markus Babbel, Christian Gross und Jens Keller bis zu Bruno Labbadia.

Nun setzt Mäuser den Rotstift an. Es muss gespart werden, wobei auch beim VfB die Gehaltskosten bereits heruntergeschraubt wurden – von 60 auf 50 Millionen Euro. Im Vergleich zum HSV geht es dem VfB finanziell jedoch gut, zumal er sich nicht an einen Vermarkter wie Sportfive verkauft hat, sondern noch selbst Herr im Haus ist. Noch besser wäre die Lage des Vereins wohl, wenn er Teile des Hamburger Sponsorenwegs auf sich übertragen könnte. Die Voraussetzung wäre aber, dass die Stadt das auch zu ihrem Anliegen macht.

Offensiver als die Konkurrenz aus Hamburg vertritt der VfB sein Talentfördermodell. Das ist die zweite Ebene seines Wegs. Auf seiner Homepage wirbt der Club mit dem Slogan: „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Die nächste Generation der „jungen Wilden“ soll die Liga stürmen. Während sich der HSV über den sozialen Aspekt definiert, will der VfB in erster Linie für etwas anderes stehen: für Dynamik, Frische und Unverbrauchtheit.

In der Gegenwart waren von den beim 4:1 vor einer Woche gegen Freiburg eingesetzten 14 Spielern jedoch nur zwei erst 23 Jahre alt oder jünger: Sven Ulreich und Gotoku Sakai. Dabei müssten alle Personalmaßnahmen mit der Strategie vereinbar sein, wenn diese schon so klar festgelegt ist: jung und wild, steht auf der Homepage. Ob dazu die Verpflichtung von Vedad Ibisevic passt, wenn in Julian Schieber ein eigenes Talent für dieselbe Position auf seine Chance wartet, sei dahingestellt.

Fazit: in der Theorie hören sich beide Wege gut an – der Hamburger und der Stuttgarter. Entscheidend ist aber die Praxis. Da müssen die einzelnen Schritte stimmig sein, um das Ziel zu erreichen (Verfolgen Sie die Partie ab 15.30 Uhr im StZ-Liveticker).