Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen, aber dann? Ron-Robert Zieler hat den Traum von der Nummer drei im deutschen Tor und der WM in Russland noch nicht aufgegeben.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Für einen Werbedreh wechselte Ron-Robert Zieler vom VfB Stuttgart in dieser Woche die Kick- gegen ein paar Hallenschuhe. Bei einem „weltmeisterlichen Treffen“ mit Jogi Bitter vom TVB Stuttgart warfen sich der Fußball- und der Handballtorhüter ein paar Bälle um die Ohren. Zielers naheliegendste Erkenntnis: „Im Handball fallen mehr Tore.“ Das ist nicht immer schön für einen Schlussmann. 35 Prozent gehaltener Bälle gilt schon als Weltklasse. Was im Umkehrschluss bedeutet: „Man muss viel mehr Rückschläge wegstecken und sich nach jedem Tor neu fokussieren“, wie Zieler aus dem kleinen Exkurs mitgenommen hat.

 

Übertragen auf den Fußball heißt das: Mit 15 Gegentoren in zwölf Spielen fristet Ron-Robert („Man nennt mich Ron“) Zieler im Kasten des VfB ein vergleichsweise kommodes Torhüter-Dasein. Das vor Rückschlägen dennoch nicht gefeit ist. Beim VfB zu erleben im festen Zwei-Wochen-Rhythmus. Nach Erfolgen in der Heimat kehrten die Jungs von Trainer Hannes Wolf von des Gegners Platz regelmäßig mit leeren Händen heim. Am Freitag (20.30 Uhr) bietet sich die nächste Chance auf die ersten Auswärtspunkte – bei seinem Ex-Club Hannover 96. „Ganz klar wollen wir da was holen“, sagt Zieler, der das Spiel gegen seine alten Kollegen aber genauso wenig hoch hängen möchte wie die Auswärtsschwäche. „Wir sollten das Thema nicht größer machen, als es ist.“

Bisher nur ein Patzer – das Gurkentor von Hamburg

Schließlich steht der VfB mit 16 Punkten und Platz elf unterm Strich gut da. Was auch dem Keeper mit den schmalen Schultern zu verdanken ist. Zieler hat Aufstiegsheld Mitch Langerak vergessen gemacht. Durch starke Paraden rettete er seiner Mannschaft schon einige Punkte, zuletzt beim 2:1 gegen Borussia Dortmund. Auch beim Stellungsspiel und hohen Bällen zeigt er bisher kaum Schwächen. Seine wohl größte Stärke ist dabei noch gar nicht berücksichtigt: Zielers fußballerische Qualität. Sie gab für den damaligen Manager Jan Schindelmeiser den Ausschlag, den Weltmeister von 2014 (als dritter Torhüter) für vier Millionen Euro von Leicester City in die Bundesliga zurück zu holen. Tatsächlich macht Zieler das Spiel schneller als sein Vorgänger. Und auch die Zuspiele landen meist direkter am Mann. Bisweilen stockt den Fans nur der Atem, wenn der 28-Jährige beim Anlaufen eines Gegenspielers die sich ihm bietende Zeitspanne maximal ausdehnt, um ihn ins Leere laufen zu lassen. Bisher ging alles gut.

„Das ist mein Spiel“, erklärt Zieler Risikobereitschaft zum festen Prinzip modernen Torwartspiels. In dem es immer schnell gehen muss. Nur einmal ging es einen Tick zu schnell – bei der 1:3 Niederlage in Hamburg. Den harmlosen Freistoß von Aaron Hunt hielt Zieler schon in den Händen, war in Gedanken aber schon beim nächsten Abwurf. Ehe er sich die Kugel selbst ins Netz legte. „Von dem Tor kann ich noch meinen Enkeln erzählen“, nimmt er seinen bislang einzigen Patzer mit Humor.

Ansonsten spielt die Nummer eins mit der Rückennummer 16 eine tadellose Saison. Mit einem Notenschnitt von 2,67 liegt er in der Spielerwertung unserer Zeitung hinter Holger Bastuber auf Platz zwei. „Er hat eine Top-Qualität“, lobt Trainer Hannes Wolf. Auch wenn es die offiziellen Statistiken nicht belegen – im Moment zählt RZZ wohl zu den besten deutschen Torhütern.

Was denkt Timo Hildebrand über Zieler?

Lässt man Manuel Neuer einmal außen vor, haben im Moment nur drei weitere die Nase vorn. Marc-André ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp. Die aktuellen Nationaltorhüter, die noch um die beiden freien WM-Plätze wettteifern. Doch Leno gibt zur Zeit eine eher unglückliche Figur ab. Trapp hat bei Paris St. Germain das Problem, dass er nicht spielt. Bleibt ter Stegen. Er hat sich durch seine letzten Auftritte bei Joachim Löw zum ersten Stellevertreter Neuers aufgeschwungen.

Aber dahinter? „Es kann immer schnell gehen“, sagt Zieler, der die Nationalmannschaft nicht aufgeben will. Im Moment kommt er aber zu folgender Selbsteinschätzung: „Ich bin ich sicher nicht der Topfavorit auf die Nummer drei.“ Auch Ex-Nationaltorhüter Timo Hildebrand glaubt nicht, dass für Zieler die Tür noch einmal aufgehen wird – zumindest nicht für die WM nach Russland. „Da muss schon viel passieren.“

Der VfB-Meistertorwart von 2007 bescheinigt seinem Nachfolger dennoch eine starke Saison. Für Hildebrand ein Verdienst der gesamten Stuttgarter Defensive. „Wenn du grundsätzlich stabil stehst, ist es auch für den Torhüter leichter.“ Als Gegenbeispiel führt Hildebrand Roman Bürki von Borussia Dortmund an. Bei ihm handle es sich grundsätzlich um keinen schlechteren Keeper, so wie das ganze Torhüter-Niveau in der Bundesliga eng beieinander liege. Zieler erlebe gerade eben einer sehr gute Phase.

Die sich aber auch schnell wieder ins Gegenteil verkehren kann. Zieler weiß das: Vielleicht nicht so schnell wie beim Handball – aber der nächste Rückschlag kommt bestimmt.