In seinem letzten Vertragsjahr spielt Khalid Boulahrouz endlich so, wie es die VfB-Fans gern von Beginn an gesehen hätten. Im Sommer trennen sich wohl die Wege.

Stuttgart - Der Feierabend steht kurz bevor, doch Khalid Boulahrouz verlängert seinen Dienst ganz freiwillig. Sichtbar genießt er den Moment und will einfach nicht gehen, als er am späten Freitag in der Interviewzone des Hoffenheimer Stadions inmitten der Reporter steht und alle offenen Fragen eigentlich schon beantwortet sind. Also wiederholt der VfB-Verteidiger ganz ungefragt und immer wieder, dass er sich „sehr, sehr, sehr, sehr, sehr freue“ über diesen 2:1-Auswärtssieg und die Leistung, die er dabei geboten habe.

 

Zu beiden Treffern von Vedad Ibisevic hatte Boulahrouz die Vorarbeit geleistet. Beim zweiten schlug er eine passgenaue Bananenflanke von rechts in den Strafraum; dem ersten ging sogar ein technisch perfekter Lupfer mit der Innenseite voraus, „über den wir uns alle erschrocken haben – er selbst wahrscheinlich auch“, wie der Manager Fredi Bobic hinterher witzelt. Auch Boulahrouz will nicht bestreiten, dass in dieser Szene „ein bisschen Glück“ mit im Spiel gewesen sei. Doch ändert dies nichts daran, dass man den Verteidiger noch selten zuvor im VfB-Trikot so offensivstark gesehen hat wie in dieser ersten Hälfte in Hoffenheim.

Sein Vertrag läuft im Sommer aus

In seiner vierten Saison spielt Khalid Boulahrouz (30) inzwischen für den Stuttgarter Bundesligisten – und wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass er ausgerechnet jetzt, da sein Vertragsende im Sommer naht, zum ersten Mal auch über einen etwas längeren Zeitraum hinweg andeutet, warum er einst niederländischer Nationalspieler geworden ist und beim FC Chelsea gespielt hat. Als Vollprofi weiß der Verteidiger, dass jetzt die beste Zeit dafür ist, sich bei anderen Clubs in Erinnerung zu bringen. Und konsequenterweise versucht er daher gar nicht erst, seine Beziehung zum VfB emotional zu verklären. Boulahrouz sieht die Sache viel lieber von der pragmatischen Seite und sagt: „Wir sind Partner und arbeiten zusammen.“

Das ist immerhin viel mehr, als man lange Zeit hätte behaupten können. Als Nachfolger das früheren Kapitäns Fernando Meira ist Boulahrouz 2008 zum VfB gekommen – doch erwies sich der Fünf-Millionen-Euro-Transfer für beide Seiten ziemlich schnell als Missverständnis. Der damalige VfB-Trainer Armin Veh wollte den Spieler zwar unbedingt haben – fand dann jedoch keine Verwendung, weil die beiden Plätze in der Innenverteidigung von den Platzhirschen Matthieu Delpierre und Serdar Tasci blockiert waren. Boulahrouz wiederum sah es als unter seiner Würde an, nach rechts in die Viererkette auszuweichen. Stattdessen stellte er seinen Frust zur Schau, erschien bisweilen zu spät im Training und gab sich auch ansonsten keinerlei Mühe, den Eindruck zu vermitteln, sich mit aller Macht beim VfB durchsetzen zu wollen.

Bei den Fans hatte er immer einen schweren Stand

Als Inbegriff des Fußballsöldners galt Boulahrouz beim Stuttgarter Anhang, als einer, der viele Millionen verdient und keinerlei Gegenleistung bringt. Statt den Verein zu wechseln, saß er, sofern er nicht gerade verletzt war, lieber seinen Vertrag auf der Tribüne oder der Reservebank ab und wurde so, gewissermaßen als Nachfolger von Yildiray Bastürk, zur Symbolfigur einer verfehlten Transferpolitik.

Noch immer ist es so, dass das Jahresgehalt vom mehr als drei Millionen Euro und die Leistungen auf dem Platz in einem aus Vereinssicht keineswegs optimalen Verhältnis stehen. Eher grundsolide als überragend spielt Boulahrouz seinen Part auf der rechten Außenbahn herunter, mit gelegentlichen Hochs wie in Hoffenheim. Aber immerhin: er spielt wenigstens.

Mit Bruno Labbadia kam die Wende

Die Wende kam mit Bruno Labbadia. Nach Armin Veh, Markus Babbel, Christian Gross und Jens Keller bedurfte es eines fünften VfB-Trainers, um Boulahrouz richtig in die Spur zu setzen. Von Beginn an hat Labbadia auf ihn gesetzt – und wahrscheinlich hat es auch der Spieler selbst als letzte Chance begriffen, beim VfB noch einigermaßen glücklich zu werden. Jedenfalls empfand es Boulahrouz nicht mehr als Herabwürdigung, rechter Verteidiger zu spielen – im Gegenteil: „Ich weiß inzwischen, dass ich dort besser aufgehoben bin als in der Innenverteidigung.“

33 Bundesligaspiele hat der Niederländer in den 15 Monaten unter Labbadia bestritten – 31 waren es in den zweieinhalb Jahren davor. Unumstrittener Stammspieler ist Boulahrouz und schon allein aufgrund seiner Präsenz wichtiger Bestandteil in der Viererkette. Vor dem Mann, den sie früher den „Kannibalen“ nannten, haben die Gegner mehr Respekt als vor einem Spieler vom Kaliber Stefano Celozzi.

Fredi Bobic will Platz für die Talente schaffen

Der Aufschwung von Boulahrouz wird jedoch wenig daran ändern, dass sich die Wege am Ende der Saison trennen werden. Labbadia hätte wohl nichts dagegen einzuwenden, den auslaufenden Vertrag mit dem Verteidiger zu verlängern. Der Manager Fredi Bobic jedoch muss auch weiterhin das Gehaltsniveau nach unten schrauben. Drei-Millionen-Gehälter soll es künftig nicht mehr geben, zudem soll Platz geschaffen werden für vereinseigene Talente wie Steffen Lang, den rechten Verteidiger aus der zweiten Mannschaft. Boulahrouz erfülle seine Aufgaben derzeit gut, sagt Bobic, „aber ich erwarte auch von jedem , dass er seinen Job bis zum Schluss professionell erfüllt“.

Boulahrouz sagt: „Um ehrlich zu sein: mit meiner Vertragssituation beschäftige ich mich nicht.“ Verständnis habe er dafür, dass gespart werden müsse – „schließlich befinden wir uns in Krisenzeiten, und da wird jeder Euro zehnmal umgedreht, bevor man ihn ausgibt“. Noch kein Gespräch habe es mit dem VfB über eine weitere Zusammenarbeit gegeben, „aber das macht mich nicht nervös“.

Es ist die Gelassenheit eines Spielers, der weiß, dass er als niederländischer Nationalspieler und Ex-Profi des FC Chelsea nach wie vor einen klangvollen Namen besitzt. Krise hin oder her: irgendwo auf der Welt wird sich ein Verein finden, der ihm auch in Zukunft ein gutes Gehalt zu bezahlen bereit ist. „Wenn der VfB mich nicht mehr will, dann ist das für mich auch kein Problem“, sagt Khalid Boulahrouz: „Dann geht es darum, dass ich mich hier auf positive Art verabschiede. Und danach mache ich einfach meinen Job weiter.“