Im VHS-Pressecafé in Stuttgart hat der StZ-Redakteur Christian Gottschalk über China unter der Überschrift „Wirtschaft und Politik am Scheideweg“ gesprochen.

Stuttgart - Wer war denn von Ihnen schon in China?“ Aufmerksam schaut Christian Gottschalk, Außenpolitik-Redakteur dieser Zeitung, auf die Zuhörer. Der Robert-Bosch-Saal im Treffpunkt Rotebühlplatz ist sehr gut gefüllt. Etwa ein Drittel hat die Hände gehoben. „Fast ein Gespräch unter Experten“, so der Journalist. In der Reihe Stuttgarter Zeitung direkt – VHS Pressecafé sprach Gottschalk über „Das Jahr des Affen geht zu Ende – Chinas Wirtschaft und Politik am Scheideweg“. „Und plötzlich ist ein Thema da, das bisher nie eines war, die „Ein-China-Politik“, so Gottschalk.

 

Wechsel im Führungsgremium

Für die Volksrepublik China gibt es nur „ein China“, dazu gehört auch Taiwan. Entsprechend brüskierte der künftige US-Präsident Donald Trump die Machthaber in Peking, als er mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen telefonierte. „Er stellte die Ein-China-Politik in Frage, nachdem Nixon diese erstmals anerkannt hat“, so der Redakteur. Diese sei allerdings nicht deckungsgleich mit der chinesischen Auslegung. Zwar habe es keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan gegeben, aber Schutzabkommen, nach denen die USA „defensive“ Waffen nach Taiwan lieferten. „Das wusste China, keiner sprach es an. Mal sehen, was kommt.“ Und wer in der Volksrepublik China 2017 in das Führungsgremium gewählt wird beim 19. Parteikongress im Herbst 2017. „Dort sitzen sieben ältere Herren, fünf davon gehen in Rente“, betonte Gottschalk. „Wer kommt, der ist Gradmesser für die zukünftige Richtung.“ Auch in Staatschef Xi Jinping sah man anfangs einen Erneuerer. „Doch er hat die vielen innerparteilichen Differenzen genutzt, um die eigene Macht zu sichern.“ Dabei ginge es der Wirtschaft nicht mehr so gut wie einst. Zwar sei die Staatskasse gut gefüllt, aber China sei hoch verschuldet. „Wegen der Provinzregierungen.“

Das Land hat große Pläne

Dabei hat das Land große Pläne: Nach der „Made in China 2025“-Strategie der Regierung soll die Volksrepublik zum 100. Geburtstag 2049 zur „Industrie-Supermacht“ aufsteigen. „In der Informations- und Computertechnologie, bei energiesparenden Fahrzeugen, den Themen des Kerneuropas! Das muss man ernst nehmen.“ China habe im ersten Halbjahr 2016 mehr in Deutschland investiert als in fünf Jahren zuvor, kaufe Firmen. In den Umweltschutz investiere es 100 Milliarden Euro, alle zwei Stunden werde ein Windrad aufgebaut, die Solarzellenproduktion habe sich in zehn Jahren verhundertfacht, in Peking seien nur noch Elektroroller unterwegs. „Und doch ist es unglaublich dreckig, bei fast 1,4 Milliarden Menschen ist viel mehr nötig“, so Gottschalk.

Eine Herausforderung sei auch, dass durch die Ein-Kind-Politik Familienstrukturen auseinander brächen. Ein Problem, weil gleichzeitig die Bevölkerung überaltere. Während es in ländlichen Regionen mitunter fast mittelalterlich sei, regiere in den Städten die Moderne. Wie viele Widersprüche es im Land der Mitte gibt, zeigte auch die Diskussion. So wurde moniert, dass zu wenig über die Menschenrechtsverletzungen gesprochen werde. Eine Zuhörerin indes betonte, dass mehr Zukunftsprojekte hervorgehoben werden müssten. Die „neue Seidenstraße“ soll den Handel entlang der Transportrouten wiederbeleben, Infrastruktur schaffen. „Dahinter steht die Idee, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit Frieden sichert“, so Gottschalk