Die hohen Kosten für die Opernsanierung polarisieren. „So ein Theater! – Brauchen wir überhaupt eine neue Oper?“ Darüber hat Kulturchef Tim Schleider im VHS Pressecafé der Stuttgarter Zeitung gesprochen. Das Interesse war groß.

Stuttgart - Knapp eine Milliarde Euro – so viel soll die Sanierung des Opernhauses der Staatstheater Stuttgart kosten, verkündeten vergangenen November Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Die Summe polarisiert. Rund 130 Interessierte waren denn auch in den Treffpunkt Rotebühlplatz zum VHS Pressecafé der Stuttgarter Zeitung gekommen, als der Ressortleiter Kultur, Tim Schleider, über das Thema sprach: „So ein Theater! – Brauchen wir überhaupt eine neue Oper?“

 

Über die Zahl lasse sich streiten, sagte Schleider. Aber man müsse wissen, wie sie sich zusammensetze. Er verwies ins Jahr 1999, als der Verwaltungsrat die Sanierung beschloss. In dem Gremium sitzen Stadt und Land, die Betreiber der Staatstheater.

Ein Blick hinter die Kulissen ändert die Perspektive

Aus der Zuschauerperspektive sei die Notwendigkeit nicht so ersichtlich gewesen angesichts der Innenräume, die in den 1980er-Jahren rekonstruiert worden seien, so Schleider. „Aber machen Sie mal eine Führung hinter die Kulissen!“ Da wähne man sich in einer anderen Welt, nur nicht so romantisch wie im Phantom der Oper. Das Besondere des Littmannbaus von 1912 sei, dass er die Sparten Oper, Ballett und Schauspiel miteinander verzahne. 1400 Menschen arbeiten in den Staatstheatern, beengt in Büros, Werkstätten, Lagerräumen, manche in kleinen fensterlosen Räumen. Zur Sanierung gehörten nach den gesetzlichen Vorgaben zeitgemäße Arbeitsplätze, Brandschutz, die Klima- und Energieanlagen, die Technik. Die computerähnlichen Anlagen seien 25 bis 30 Jahre alt – und ohne technischen Support. Gespielt werden könne Jahr für Jahr nur mit Ausnahmegenehmigungen und der Begründung, die Sanierung sei in Sicht.

Externe Fachleute hatten nach der ersten Bestandsaufnahme in 2013 und 2014 in einem Gutachten ermittelt, dass eine Sanierung keine 18 Millionen, sondern 300 bis 350 Millionen Euro teuer würde. Und dass die jetzige Nutzfläche noch einmal um rund 10 500 Quadratmeter erweitert werden müsste. Tim Schleider schlüsselte in seinem Vortrag die aktuelle Kostenkalkulation auf, also wie sich die Milliarde zusammensetzt: 260 Millionen Euro für die Operngebäude-Technik, 200 Millionen Euro für das Kulissengebäude hinter der Oper, 90 Millionen Euro für den Zuschauer- und Gastrobereich, 165 Millionen Euro werden einkalkuliert für Unsicherheiten, also Überraschungen, die die Altbausubstanz bieten kann – hinzu kommen schließlich Preissteigerungen der Bauleistungen. Im schlimmsten Fall über 15 Jahre Bauzeit gerechnet könnten das 243 Millionen Euro sein. Das ergibt 960 Millionen Euro, hälftig geteilt zwischen Stadt und Land. „Verwaltung und Politik wollten mit der ehrlichen Zahl in die Debatte gehen um die zu investierenden Steuergelder“, so Schleider.

Die verschiedenen Bereiche sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden

Diskutiert im Publikum wurde die nötige Interimsspielstätte, etwa der günstigere Opernneubau in Bahnhofsnähe, wie ihn die Initiative „Aufbruch Stuttgart“ ins Spiel gebracht hatte. „Laut OB und Ministerin sind die genannten Alternativen nach Prüfung nicht machbar“, sagte der StZ-Kulturchef. Nun ist auf dem Wagenhallen-Gelände ein Bau für 170 Millionen Euro im Gespräch, der nachgenutzt werden kann. „Klar ist, man muss während der Sanierung ein hochwertiges Programm anbieten, auch um Künstler und Mitarbeiter zu halten.“ Klar sei auch, weiter wie bisher zu machen sei die schlechteste Lösung. Die Debatte dürfe nicht aufgeschoben werden, das koste laut Finanzministerium jährlich um die 30 Millionen Euro. „Letztlich ist es eine politische und demokratische Entscheidung – wir haben eine kulturpolitische Verantwortung für die nächste Generation.“

Auf eine Frage zum beklagenswerten Bauzustand der Schulen, der auch koste, erklärte er, dass es dafür Rücklagen gebe, die derzeit wegen der ausgebuchten Baubranche nicht mal abgerufen werden könnten. „Die Bereiche dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, meinte Schleider.