Während sich andernorts kaum Bewerber für den Bürgermeisterposten finden, wollen in dem kleinen Ort gleich acht Kandidaten neuer Rathauschef werden. Eine ungewöhnliche Geschichte

Walheim - Ganze 15 mal 6 Meter war das Plakat groß, das eine Gemeinde aus dem Kreis Freudenstadt bundesweit in die Schlagzeilen brachte: „Empfingen sucht Bürgermeister“ war im vergangenen Sommer an der A 81 zu lesen. Mit Erfolg: 13 Kandidaten standen im Oktober zur Wahl, Ferdinand Truffner hieß der Sieger.

 

Derart ungewöhnliche PR-Maßnahmen hat Walheim nicht nötig – der Stimmzettel bei der Bürgermeisterwahl am 1. Juli wird auch so lang genug sein. Acht Aspiranten haben sich bis zum Bewerbungsschluss am Dienstagabend gemeldet. Darunter mit Fridi Miller und Ulrich Raisch auch zwei, die ihren Hut vielerorts in den Ring werfen. Bleiben immerhin noch sechs ernstzunehmende Anwärter auf den Amtssessel in dem 3000-Seelen-Örtchen– und das, obwohl es im Land immer weniger Kandidaten für das höchste Kommunalamt gibt.

Ideale geografische Lage

Zwar führen weder das Landratsamt noch der Gemeindetag eine Statistik darüber, wie sich die Bewerberzahlen bei Bürgermeisterwahlen entwickelt haben. Doch wissenschaftliche Studien legen nahe, dass es immer weniger Menschen gibt, die sich für die Aufgabe begeistern können. Als Grund wird häufig die hohe Arbeitsbelastung genannt, 80-Stunden-Wochen gelten unter Bürgermeistern als keine Seltenheit. Den Lohn empfinden viele im Vergleich dazu nicht als üppig: der Chef einer Gemeinde bis 5000 Einwohner erhält, je nach Besoldungsstufe, zwischen 5000 und 7000 Euro.

Arne Pautsch, der an der Ludwigsburger Verwaltungshochschule einen Lehrstuhl für Kommunalwissenschaften innehat, spricht von „vielfältigen Einflussfaktoren“, wenn er nach der Attraktivität einer Bürgermeisterstelle gefragt wird. Kandidaten, die bereits Verwaltungserfahrung haben, würden gute strukturelle Voraussetzungen wertschätzen, also: eine gute finanziellen Lage der Kommune, eine stabile Wirtschaft am Ort und eine gute Durchmischung der Einwohner von Jung und Alt.

Die andere Gruppe seien Bewerber, die keine „klassische Verwaltungslaufbahn“ hinter sich haben, also aus anderen Branche quereinsteigen. Deren Motivation resultiere oft aus Interesse an einem einzelnen Thema oder aus einer Rolle, die sie gerne einnehmen würden, zum Beispiel als Sanierer, der von außen kommt. Vor allem die Zahl dieser Bewerber nehme deutlich zu.

Dass Walheim im Einzugsgebiet zweier großer Städte (Heilbronn und Stuttgart) und inmitten einer schönen Weinbau-Landschaft liegt, trägt zur Attraktivität des Bürgermeisterpostens bei – denn solche „weichen Faktoren“ spielten eine immer größere Rolle, meint Pautsch.

Fragt man einige derjenigen, sie sich am 1. Juli zur Wahl stellen, bestätigen sich diese Theorien: Anja Klohr, die zurzeit als Kämmerin in Ispringen (Enzkreis) arbeitet, sagt: „Walheim hat keine strukturellen Probleme.“ Zudem handle es sich um einen wunderbaren Weinort, mit einer Größe, in der Bürger und Verwaltung auf Augenhöhe seien, erklärt Klohr.

Der Bewerberansturm hat Tradition in Walheim

Ähnlich sieht das Tatjana Scheerle, die bisher das Ordnungsamt in Untergruppenbach (Kreis Heilbronn) leitet. „Walheim hat eine ganz besondere Atmosphäre“, sagte die 35-Jährige. Scheerle will es deshalb auch nur dort mit dem Sprung in den Chefsessel versuchen: „Woanders werde ich mich nicht bewerben.“

Komplett ohne Verwaltungserfahrung, aber im Ort in vielen Vereinen engagiert ist Robert Bezner. Er ist in Walheim aufgewachsen, die Arbeit als Elternbeiratsvorsitzender der Schule habe ihn zu der Kandidatur gebracht, erklärt der Bauphysiker. Ihm sei wichtig, dass Walheim seine Eigenständigkeit behalte. Eine Eingemeindung nach Besigheim, wie sie unlängst debattiert worden war, „will hier in Walheim keiner“. Er sei überrascht, wie groß die Konkurrenz um den Bürgermeisterposten sei, gibt Bezner zu.

Denjenigen, der das Amt derzeit ausfüllt, überrascht der Ansturm hingegen nicht. Walheim sei schon immer attraktiv gewesen, sagt Albrecht Dautel. Der Run auf das Rathaus habe fast schon Tradition: bei seiner ersten Wahl im Jahr 2005 standen sogar neun Namen auf dem Stimmzettel – und genauso viele waren es bei der Wahl seines Amtsvorgängers Martin Gerlach. Der wurde 2005 dann zum Oberbürgermeister in Aalen gewählt.