Mit einem Sieg übernimmt der Slowene Peter Prevc die Gesamtführung bei der Vierschanzentournee. Severin Freund landet in Garmisch auf Platz drei und ist damit prinzipiell zufrieden.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Garmisch-Partenkirchen - „Auf geht’s, Severin!“ Mit diesen Fan-Parolen wurde der Skispringer Severin Freund am Neujahrstag an der Olympia-Schanze von Garmisch-Partenkirchen angefeuert. Das Wintermärchen, welches der 27 Jahre alte Bayer schon in Oberstdorf inszeniert hatte, sollte in Garmisch das nächste Kapitel erhalten. Wie schon am Dienstag war das Stadion mit 25 000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt. Und wie schon im Allgäu wedelten die Fans enthusiastisch mit den deutschen Fahnen. Doch zur ganz großen Sause kam es dann doch nicht.

 

Der Slowene Peter Prevc hatte an der Schanze, die direkt neben Felix Neureuthers Slalom-Hausstrecke am Gudiberg steht, die Antwort auf seine Oberstdorf-Niederlage gegeben. Das zweite Tournee-Springen gewann er mit 136 Metern vor dem Norweger Kenneth Gangnes (134) und Severin Freund (132,5). So gut war der Niederbayer in Garmisch noch nie, immerhin.

Die slowenische Bedrohung, sie ist also da. Will Freund die Tournee gewinnen, muss er in Innsbruck und Bischofshofen nicht nur seine ganze Klasse zeigen, sondern am besten noch etwas mehr. Nur so ist Prevc offenbar zu bezwingen, der in diesem Winter in der Luft liegt wie ein Brett und technisch so sauber springt wie kein Zweiter. In Garmisch raubte er Freund überdies die Tournee-Gesamtführung und liegt jetzt mit 8,6 Punkten vor dem Deutschen. Das ist nicht viel – doch der Slowene ist zurzeit in bestechender Verfassung.

Der Tournee-Wind könnte sich gedreht haben

Severin Freund war im Glück über sein mit Abstand bestes Garmisch-Ergebnis, das schon, doch er spürte, dass sich der Wind gedreht haben könnte. „Der Podestplatz freut mich, ich muss aber auch sagen, dass Peter sehr sehr stark ist, er hat jetzt den Vorteil“, sprach der Deutsche im Hinblick auf den kühlen Mann aus Kranj. In den verbleibenden zwei Tournee-Springen möchte die Frontfigur der DSV-Adler den Druck auf Peter Prevc nun erhöhen. Sofern sich der hoch konzentrierte und sehr abgeklärt wirkende Springer überhaupt unter Druck setzen lässt.

Der Bundestrainer Werner Schuster war dann zufrieden mit dem deutschen Gesamtergebnis, das Richard „Richie“ Freitag als Sechster komplettierte. Dass Freund auf einer seiner ungeliebten Schanzen erstmals einen Podestplatz erreichte, erleichterte auch den Coach, doch waren auch ihm gewisse Zweifel anzusehen, ob Peter Prevc bei dieser Tournee überhaupt zu besiegen ist. „Severins zweiter Sprung war nicht perfekt, und das hat Peter dann sehr gut ausgenutzt“, meinte Schuster. Auch er spürt: Freund muss den Gesamtsieg zwar noch nicht abschreiben, aber selbst kleinste Fehler darf er sich gegen Prevc nicht mehr erlauben.

Nach seinem Auftaktsieg in Oberstdorf zeigte sich Freund selbstbewusst und fing vor dem zweiten Tournee-Springens ein bisserl mit dem Zocken an. Nach guten Trainingssprüngen ließ er die Qualifikation einfach mal aus – und wurde damit zum Regisseur einer speziellen Inszenierung. Zwar ärgerten sich über die Sprungpause in Garmisch die Zuschauer, die Freund gerne schon in der Qualifikation am Donnerstag in Aktion gesehen hätten, doch traf er dadurch einen Tag später im direkten Vergleich des ersten Durchgangs auf den Widersacher Prevc. Dieses Duell der Giganten gewann der Slowene bei gleicher Weite von 133,5 Metern – aber mit 1,4 Punkten obendrauf – hauchdünn, so dass sich Freund über einen der fünf Lucky-Looser-Plätze für das Finale qualifizierte. Das ist der letzte Strohhalm für die fünf besten Verlierer der 25 Duelle im ersten Springen.

Kritik an Severin Freunds Qualifikations-Taktik

Weil seine Trainingssprünge in Garmisch „extrem viel besser gelaufen“ seien als in den Vorjahren, wählte der Bayer also diese Variante – wie übrigens auch schon Sven Hannawald bei seinem „Tournee-Grand-Slam“ 2001/2002. Der Teamkollege Michael Neumayer bemerkte allerdings, dass Freund auf diese Weise denjenigen einen der fünf Lucky-Looser-Plätze weggeschnappt habe, die wirklich angewiesen seien auf diese letzte Chance.

Severin Freund begründete seine Entscheidung mit dem psychologischen Aufwind, dem ihm der Auftakterfolg bescherte. „Ich habe die Energie aus Oberstdorf gut mitgenommen und die Sicherheit, die ich benötige.“

Oberstdorf hat dem Deutschen Flügel verliehen. Aber in dem überragenden Slowenen Peter Prevc fand er am Neujahrstag seinen Meister. Noch ist nichts vorbei. Aber bei der nächsten Station in Innsbruck begibt sich der Deutsche auf österreichisches Terrain. Da wird dann mit ganz anderen Fahnen gewedelt.