Wie sieht der Verkehr in zehn Jahren aus? Die Stadt Ludwigsburg spielt mit zwei Firmen Szenarien durch. Neben Gedankenspielen zu selbstfahrenden Mobilen geht es um Verkehrssteuerung in Echtzeit.

Ludwigsburg: Andreas Hennings (hen)

Werden Bürger in Ludwigsburg einmal mit autonomen Mobilen zur nächsten Stadtbahn-Haltestelle gebracht? Werden die selbstfahrenden Mobile auch flexibel beispielsweise zu einem Aussiedlerhof gerufen werden können, damit wirklich jeder barrierefrei die Stadtbahn nutzen kann? Und schaltet die Verkehrsampel am Forum künftig automatisch länger auf Grün, wenn dort eine Veranstaltung endet? Ermöglichen dasselbe auch die Fuß- und Radwegampeln, wenn Schulschluss ist?

 

Noch klingt all das etwas abstrakt und weit entfernt. Doch für die Stadtverwaltung, speziell den jungen Fachbereich Nachhaltige Mobilität, sind solche Zukunftsthemen real. So schloss Oberbürgermeister Matthias Knecht jetzt einen Kooperationsvertrag mit den Firmen MHP sowie Planung Transport Verkehr (PTV) ab. Beide gehören der Porsche-Gruppe an und beschäftigen sich mit der Zukunft des Verkehrs. MHP ist in Ludwigsburg ansässig, PTV in Karlsruhe.

Die drei Beteiligten werden zwei Themen parallel durchdenken. Einmal die Zukunft vom autonomen Mitfahren in Ludwigsburg. Und einmal die datenbasierte Verkehrssteuerung in Echtzeit. „Die Stadt hat das Ziel, Mobilität noch deutlich klimaschonender zu entwickeln“, sagt OB Knecht zur Motivation. Und Ralf Hofmann, Vorsitzender der MHP-Geschäftsführung, ergänzt: „Wir sind überzeugt davon, dass intelligente und technologisch innovative Lösungen entscheidend für eine nachhaltigere Zukunft sind.“

Bei den autonomen Mobilen könnte es sich um selbstfahrende Shuttles ohne Fahrer und Lenkrad handeln, die entweder auf einer separaten Spur oder mit im normalen Verkehr unterwegs sind. Die sollen als Stadtbahnzubringer fungieren. Mobilitätsbürgermeister Sebastian Mannl stellt sich bislang Mobile vor, die keine separate Spur benötigen, dafür aber mit rund 20 Stundenkilometern langsam unterwegs sind. Finanzierbar sei all das nur, wenn die Mobile ohne Fahrer auskommen. Die genaue Umsetzung steht in den Sternen, zumal es ein vergleichbares Angebot bislang nicht gibt. Würde sich bis in zehn Jahren, wenn die Stadtbahn fahren soll, etwas marktreif entwickeln, würde Ludwigsburg es aber gerne in Anspruch nehmen.

In Gedanken und auf den Bildschirmen durchgedacht wird solch eine autonome Mobilität in den kommenden Monaten für den Stadtteil Grünbühl-Sonnenberg. Simuliert werden soll die Situation, wenn ein autonomes Mobil die Menschen aus dem Stadtteil zur nächsten Haltstelle befördert. Auch die Frage, ob Buslinien dafür überflüssig würden, stellt sich. Das jetzige Linienbündel ist bis 2029 fix. „Wir müssen uns also rechtzeitig Gedanken machen, in welcher Form wir danach weitermachen“, sagt Sebastian Mannl. Erste Ergebnisse zur Grünbühl-Simulation sollen in einem halben Jahr vorliegen.

Ganz real auf der Straße wurde ein autonomes Shuttle in den vergangenen Monaten in Waiblingen getestet. Der Zuspruch für das „Ameise“ genannte Gefährt war groß. Es pendelte auf einer exakt festgelegten Strecke zwischen Bahnhof und dem Berufsbildungswerk. Die gesammelten Erfahrungen und Daten werden derzeit ausgewertet.

Apropos Daten: Diese sind auch Grundlage für die angestrebte Verkehrssteuerung in Echtzeit. Vorhanden sind etliche: Wie viele Autos und Lastwagen eine Ampel passieren. Wie die Parkplatzbelegung aussieht. Wie stark die Autobahn frequentiert ist. Welche Luftwerte an den Hauptstraßen herrschen. Und bei modernen Autos: Wie viele Gefahrenbremsungen es an bestimmten Stellen gibt. „Wie vernetzen wir all das? Wie können wir daraus eine Verkehrssteuerung angehen? Darauf versuchen wir eine Antwort zu finden“, sagt Fachbereichsleiter Matthias Knobloch.

Verknüpft werden sollen all die Verkehrsdaten zusätzlich mit weiteren Einflüssen. Vom schlechten Wetter, der den Radverkehr gegen Null tendieren lässt, bis zum Veranstaltungsspielplan des Forums. Bislang können die Ampeln in Ludwigsburg zwar auf den direkt umliegenden Verkehrsstrom reagieren – für den Gesamtverkehr oder Spezialereignisse wie Sperrungen sind sie aber nicht clever genug. „Ein Beispiel war jetzt die Vollsperrung am Engelbergtunnel, deren Auswirkungen wir auch in Ludwigsburg messen konnten“, sagt Oliver Kelkar von MHP. Die Frage in Zukunft sei, welche Ampeln länger Grün zeigen sollten, um dem Ausweichstau entgegenzuwirken. Überarbeitet wird in diesem Zug auch das Verkehrsmodell der Stadt: Fanden bislang nur die Autoströme Beachtung, werden nun auch ÖPNV und Co. integriert.

Die Daten werden jetzt in einer Analysephase zusammengetragen. Dann werden Simulationen durchgespielt. Etwa, wie sich eine Tempo-30- statt 50-Zone auswirken würde. Oder was es bedeutet, wenn alle Radfahrer bei Schnee ausnahmsweise mit anderen Verkehrsmitteln fahren. Ein Ziel ist es nicht nur, Ampeln und Schilder steuern zu können, sondern den Verkehrsteilnehmern per App oder Navigationssystem das beste Vorgehen bei der aktuellen Lage aufzuzeigen. Aus städteplanerischer Sicht könnte es zudem sinnvoll sein, Gefahrenbremsungen auszuwerten, um Unfällen vorzubeugen.

Auch bei der Verkehrssteuerung in Echtzeit erhofft man sich, bereits in einem halben Jahr einen Schritt weiter zu sein. Fachbereichsleiter Matthias Knobloch sagt: „Ein Patentrezept werden wir dann noch nicht haben. Aber wir wissen hoffentlich, in welche Richtung es weitergehen kann.“