Dass Schwalben, Mauersegler und Co. immer weniger werden, liegt an Veränderungen in der Landwirtschaft und im Hausbau. Doch jeder Einzelne kann den Tieren helfen – auch in Stuttgart.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - Eigentlich ist Wolfgang Baldensperger Theologe. Doch schon seit Kindheitstagen interessiert er sich für Naturschutz. Der 63-Jährige stammt aus einem Dorf auf der Schwäbischen Alb und ist mit Tieren aufgewachsen. Außerdem ist er begeisterter Fotograf und verreist gerne. Und weil der Degerlocher die Natur so intensiv beobachtet, ist ihm in diesem Jahr aufgefallen, dass die Mauersegler zum einen mehrere Wochen später als üblich über die Dächer Stuttgarts hinwegflogen. Und zum anderen würde man generell immer weniger Mauersegler sehen, sagt er.

 

Dass dies keine subjektiven Eindrücke von Wolfgang Baldensperger sind, bestätigt der Vogelexperte Rudi Apel vom Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg. „Wir stellen einen kontinuierlichen Rückgang bei fast allen Zugvögeln fest“, sagt er. „Teilweise ist der Rückgang sogar bedrohlich.“ Die Anzahl der Mehlschwalben hat sich in den vergangenen 40 Jahren halbiert.

Ohne Blumen keine Insekten, ohne Insekten keine Vögel

Mauersegler sind eine Vogelart, die rein äußerlich Schwalben sehr ähnelt. Die Zugvögel sind nur wenige Monate in Mitteleuropa: nämlich dann, wenn sie brüten und Nachwuchs großziehen. Ansonsten verbringen sie beinahe ihr gesamtes Leben in der Luft: Sie können bis zu zehn Monate lang am Stück in der Luft bleiben, ohne ein einziges Mal zu landen. Sie schlafen sogar während dem Fliegen. Wolfgang Baldensperger hat deshalb ein besonderes Faible für sie: „Mauersegler sind ganz tolle Vögel“, schwärmt er. „Sie fliegen ziemlich hoch, aber man erkennt sie an ihrer scharfen Sichel.“

Als Baldensperger noch im Stuttgarter Westen wohnte, hatten sich Mauersegler ein Nest an seinem Haus gebaut. „Das war toll; da herrschte ein reges Treiben“, sagt er. Einmal hatte er einen der Vögel sogar auf der Hand. Seit er umgezogen ist, sieht er die Tiere nur noch ganz selten.

Es seien mehrere Gründe, warum es immer weniger Mauersegler gebe, sagt Rudi Apel vom Nabu. Weil die Vögel den Großteil der Zeit in der Luft sind, sind sie auf fliegende Nahrung angewiesen, also Insekten. Die werden aber seit Jahren weniger – und dafür sei vor allem die Landwirtschaft verantwortlich, sagt Apel. Weil Bauern immer öfter auf Monokultur setzen sowie Pestizide und Insektizide versprühen, gebe es kaum mehr große Blumenwiesen, welche Insekten aber dringend benötigten, um zu überleben. „Die Rechnung ist leicht: Gibt es keine Blumen mehr, gibt es keine Insekten mehr. Und gibt es keine Insekten mehr, gibt es auch keine Vögel mehr.“

Mauersegler bleiben dieses Jahr länger

Dazu kommt, dass Mauersegler immer weniger Brutplätze finden, je mehr Häuser saniert oder neu gebaut werden. Denn die Hohlräume, in die sie ihre Nester bauen, finden sie vor allem in Altbauten. „Viele Leute dulden heutzutage außerdem keine Vogelnester mehr an ihrem Haus, weil sie keine ‚beschissene‘ Fassade wollen – obwohl man mit Kotbrettchen eigentlich ganz einfach Abhilfe schaffen könnte.“ Rudi Apel würde sich wünschen, dass die Menschen wieder sensibler für die Not der Insekten und Vögel werden. „Ich bin dankbar für jeden Meisenkasten, jeden Blumenkübel und jedes Vogelnest, das jemand anbringt.“

Und was hat es nun damit auf sich, dass die Mauersegler in diesem Jahr später kamen? „Normalerweise kommen die Vögel Ende April, in diesem Jahr war es eher Mitte, Ende Mai. Einige kamen sogar erst Anfang Juni“, sagt Apel. Grund dafür sei das schlechte Wetter auf der Strecke zwischen Afrika und Europa gewesen. „Wenn es kalt und nass ist, fliegen die Vögel nicht weiter.“ Weil die Mauersegler später dran waren, bleiben sie dafür aber länger als üblich: „Auch jetzt fliegen noch einige Pärchen herum. Normalerweise sind um die Zeit schon wieder alle weg“, sagt Apel.