Die Vogelgrippe macht einigen Landwirten das wichtige Weihnachtsgeschäft kaputt. Viele Kunden wollen plötzlich keine Freilandeier mehr, sondern greifen auf Eier aus Bodenhaltung zurück. Die Bauern beklagen eine schlechte Aufklärung über das Virus – und fühlen sich im Stich gelassen.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Einfallsreich müsse er derzeit sein. Schließlich heißt es, die Damen bei Laune zu halten. Und das auf engstem Raum. Simon Sperling greift zu Stroh, Äpfeln, Futterrüben und Plastikdeckeln, die er an Fäden baumeln lässt, um für Ruhe und Frieden zu sorgen. Denn wenn seine 1700 Freilandhennen beschäftigt sind, dann picken sie sich auch im Hühnermobil nicht gegenseitig die Augen aus. Dort müssen nicht nur Sperlings Hennen derzeit verweilen, sondern alle Hühner in Baden-Württemberg. Denn aufgrund der Vogelgrippe herrscht seit Mitte November die Stallpflicht.

 

Die Hennen zu beschäftigen, das ist allerdings Sperlings kleinstes Problem. Vielmehr beklagt er, dass seine Kunden derzeit keine Freilandeier mehr kaufen würden. „Viele denken, dass da jetzt Antibiotika drin ist, das wir den Hühnern vorbeugend geben würden, um sie vor der Vogelgrippe zu schützen“, sagt Sperling, der auf seinem Hof in Stuttgart-Mühlhausen auch einen kleinen Hofladen betreibt. Vor einigen Wochen noch konnte er kaum die Nachfrage nach Freilandeier befriedigen, doch jetzt wollten, sagte er, plötzlich alle Eier aus Bodenhaltung.

Das Weihnachtsgeschäft ist am wichtigsten

„Das ist paradox“, sagt Sperling. Denn mit den Freilandhühnern mache er nichts anders als sonst – außer, dass er sie derzeit nicht ins Freie lasse. „Sie bekommen kein anderes Futter und schon gar keine Medikamente“, sagt er. Denn die Äpfel, die er ihnen zum Picken anbietet, finden sie sonst selbst auf der Streuobstwiese, die ihnen seit dem Jahr 2015 Auslauf bietet.

Die rückläufigen Verkaufszahlen treffen den Landwirt mit dem größten registrierten Hof für Freilandhennen in Stuttgart hart. Denn das Weihnachtsgeschäft sei bezüglich der Eier das wichtigste im Jahr – wichtiger noch als Ostern. „An Ostern verkaufen wir eine Woche lang zwar sehr viele Eier, aber an Weihnachten brauchen die Leute über Wochen Eier fürs Backen und Kochen“, sagt Sperling. Der Landwirt, der vor einem Jahr hohe Investitionen getätigt hat, um der wachsenden Nachfrage nach Freilandeiern nachzukommen, ist nun auch ein wenig enttäuscht von den Kunden. „Wenn sie das Tierwohl wollen, sollten sie es auch in solchen Zeiten mittragen“, sagt er.

Antibiotika wird nicht eingesetzt

An den Landesbauernverband in Baden-Württemberg ist das Problem bisher noch nicht herangetragen worden. „Ich finde es sehr schade, das hören zu müssen“, sagt die Pressesprecherin Ariane Amstutz. „Vor allem, da ja alles getan wird, um die Hühner zu schützen“. Antibiotika werde auf keinen Fall gegeben, der Verbraucher könne beruhigt genießen.

Das bestätigt auch Isabel Kling, Pressesprecherin des Ministeriums für Ländlichen Raum. Ihr Appell: „Zugreifen“. Auch, wenn es aktuell einen neuen Fall von Vogelgrippe in Leutkirch im Kreis Ravensburg gibt. „Das zeigt, dass die Stallpflicht wichtig ist und die richtige Entscheidung war“, sagt Kling.

Diese Stallpflicht soll am 31. Januar 2017 enden. Sie kann aber auch verlängert werden. „Da spielen ganz viele verschiedene Faktoren eine Rolle“, sagt Kling. Etwa auch der Befall in benachbarten Ländern und die Aggressivität des Virus‘. Wenn die Stallpflicht mehr als zwölf Wochen ohne Pause andauert, haben die Landwirte, die Freilandhennen halten, allerdings ein neues Problem. Dann nämlich dürfen sie die Eier ihrer Freilandhennen nicht mehr als Freilandeier verkaufen – was ihnen erneut Umsatzeinbußen einbringen würde.

Partyzelt für Hühner

Davon wäre auch Christopher Lindner betroffen. Mit einem Partner betreibt er einen Hof bei Öhringen, und auch er bringt die Eier seiner 280 Freilandhühner derzeit nur schwer an den Mann. „Ich finde schon, dass wir vom Verbraucher gestraft werden“, sagt er. Er hat sich ebenfalls einen Mobilstall zugelegt und sich auf die Wünsche der Kunden eingestellt: „Die wollen pickende Hühner auf dem Feld sehen“, sagt er. Dies idyllische Bild kann Lindner momentan nicht bieten. Stattdessen steht auf seiner Wiese ein riesiges Partyzelt für 600 Euro. „Das haben wir für unsere Hühner gekauft, damit sie überdacht sind und trotzdem Platz haben“, sagt Lindner.