In Nordamerika ist die Vogel-Population in den vergangenen 50 Jahren um fast ein Drittel zurückgegangen. Hauptgrund für das Artensterben ist die Intensivlandwirtschaft und der exorbitante Einsatz von Pestiziden. Auch der Klimawandel setzt den meisten Vogelarten zu.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

New York - Die Zahl der Vögel in Nordamerika ist laut einer wissenschaftlichen Studie binnen 50 Jahren um fast ein Drittel zurückgegangen. Die Zahl der Vögel in den USA und Kanada fiel seit 1970 um 29 Prozent, wie aus der am Donnerstag im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichten Untersuchung hervorgeht. Die Forscher sprachen von einer ökologischen Krise.

 

Am schwersten betroffen sind in Feld- und Wiesenlandschaften lebende Vogelarten. Grund für ihren Rückgang ist das Verschwinden von Prärielandschaften und der Vormarsch der Landwirtschaft sowie der Einsatz von Pestiziden. Aber auch Waldvögel oder Arten, die in verschiedenen Lebensräumen vorkommen, sind betroffen.

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Kein Platz mehr für Tiere

Die intensive Landwirtschaft setze die Vogelpopulationen unter großen Druck, sagte der Ornithologe Ken Rosenberg von der Cornell University, einer der Autoren der Studie. „Heute sieht man Maisfelder, die sich bis zum Horizont erstrecken. Alles ist keimfrei und mechanisiert, für Vögel, Wildtiere und Natur ist kein Platz mehr.“

Mehr als 90 Prozent des Rückgangs entfallen auf zwölf Vogelarten, darunter Spatzen, Finken, Drosseln und Grasmücken.

Vögel passen sich zu langsam an globale Erwärmung an

Vögel können sich zwar mit verschiedenen Strategien dem Klimawandel anpassen. Allerdings halten sie mit dessen Tempo kaum mit, so dass auch anpassungsfähige Arten wie Kohlmeise, Rauchschwalbe und Elster langfristig bedroht sind.

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und internationale Kollegen nach einer Auswertung von Daten aus 71 Studien. Die Wissenschaftler untersuchten 17 Vogelarten. Die Ergebnisse wurden im Journal „Nature Communications“ veröffentlicht.

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Studie liefert beunruhigende Ergebnisse

„Manche Arten wie Blaumeise, Kohlmeise, Rötelfalke und Eichelhäher legen ihre Eier früher im Jahr und sie legen insgesamt mehr Eier, doch langfristig reicht das Tempo der Anpassung nicht aus, um die Art zu erhalten“, sagt Hauptautorin Viktoriia Radchuk vom Leibniz-IZW. „Es gibt trotzdem noch eine Lücke zwischen der eigentlichen Brutzeit und der optimalen Brutzeit.“ Optimal sei die Brutzeit unter anderem, wenn die Natur am meisten Nahrung biete.

Bei manchen Arten funktioniere die Anpassung gar nicht, etwa bei der Trottellumme. „Die Vögel spüren nicht, dass sich die Bedingungen verändern und sie auch ihre Fortpflanzungszyklus anpassen müssen“, so Radchuk. Die Ergebnisse seien beunruhigend.

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Selbst gut angepasste Arten sind bedroht

Noch beunruhigender sei die Tatsache, dass die analysierten Daten überwiegend häufige Arten umfassten, von denen bekannt ist, dass sie mit dem Klimawandel relativ gut umgehen. „Vergleichbare Anpassungen bei seltenen oder gefährdeten Arten müssen noch analysiert werden. Wir befürchten, dass die Prognosen zum Überleben für solche Arten, die für den Naturschutz von Belang sind, noch pessimistischer sein werden“, sagt Stephanie Kramer-Schadt, Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamiken am Leibniz-IZW.

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