David Gerstmeier und Tobias Miltenberger von Pro Biene starten ein Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt in Baden-Württemberg. Mit einem Aktionstag auf dem Züblin-Parkhaus geht es los.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Bienen zu halten ist ein Trend geworden. Nun bedeutet Bienen zu halten eben noch lange nicht Bienen zu schützen. David Gerstmeier macht sich schon lange Sorgen um die Bienen. Bereits vor einem Jahr warnte der Stuttgarter Imkermeister: „Die Bienen liegen auf der Intensivstation. Wenn man sich nicht um sie kümmert, werden sie verschwinden.“ Konkret geht es um die Wildbienen, nicht, wie oft irrtümlicherweise angenommen, um die Honigbienen. Gerstmeier ist Mitgründer und Gesellschafter des Instituts für ökologische Bienenhaltung Pro Biene. Mit seinem Partner Tobias Miltenberger setzt er sich für die Arterhaltung und ökologisch, nachhaltiges Imkern ein.

 

Bienenschützer initiieren das Volksbegehren

Aber nicht nur die Wildbienen sind bedroht. Das Artensterben umfasst unzählige Tierarten. „Wir sind die Generation, die entscheiden muss, ob unsere Kinder und Enkel verschiedene Arten von Bienen, Schmetterlingen, Amphibien, Reptilien oder auch Wildkräutern noch vorfinden“, sagt David Gerstmeier. Die beiden Geschäftsführer von Pro Biene initiieren deshalb das Volksbegehren Artenschutz in Baden-Württemberg. „Ohne ein schnelles Umsteuern verdrängt der Mensch die Lebensgrundlage, die uns die Natur bietet, von dieser Welt“, betont Miltenberger. In Baden-Württemberg sind zum Beispiel außer den Wildbienen – von den 481 Arten stehen 208 auf der Roten Liste der bedrohten Tiere und 36 auf der sogenannten „Vorwarnliste“ – auch der Feldhamster oder das Rebhuhn durch Ackergifte, fehlende Lebensräume, die moderne Landwirtschaft und Nahrungsmangel stark bedroht.

Anlässlich des Weltbienentages am Sonntag, 19. Mai, starten Gerstmeier und Miltenberger ihre Unterschriftenaktion mit einem Bienen-Aktionstag ab 11 Uhr auf dem Züblin-Parkhaus in Stuttgart. Zu den Forderungen der Initiative gehören: 50 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2035, 100 Prozent der Staatsflächen im Land sollen ökologisch bewirtschaftet werden und die Pestizidmenge soll die Landesregierung ebenfalls bis 2025 halbieren. Darüber hinaus soll die Regierung den Biotopverbund erweitern und die Wiesenbewirtschaftung extensivieren.

Das Volksbegehren „Rettet die Biene“ war in Bayern äußerst erfolgreich

Ein ähnliches Volksbegehren haben Naturschützer in Bayern gestartet. Es gilt als das bislang erfolgreichste Volksbegehren im Freistaat. Seitdem soll ja auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ein großer Bienenfreund sein. Die Landesregierung berief einen Runden Tisch ein, Söder nannte das Ergebnis auf Twitter ein „Volksbegehren XXL“.

Der Entomologe Andreas Haselböck vom Stuttgarter Naturkundemuseum bewertet die Ergebnisse des bayerischen Volksbegehrens nicht ganz so euphorisch: „Es ist kein Artenschutz XXL, sondern eher M.“ Grundsätzlich stimmt Haselböck den Forderungen für Baden-Württemberg zu. Es seien alles Punkte, die dringend angegangen werden müssten: „Besonders der Punkt Biotopverbund, den ich unter anderem als Vernetzung der bestehenden Naturschutzgebiete verstehe, ist ein oft vernachlässigter Faktor bei uns im Land.“

Die Naturschutzgebiete in Baden-Württemberg, aber auch im Rest von Deutschland, seien meistens kleine Inseln inmitten von ausgedehnten Agrarflächen. „Dadurch kann kein genetischer Austausch zwischen den Arten mehr stattfinden.“ Das führe zu vermehrter Inzucht und damit zum Zusammenbrechen von Populationen. Was er aber, wie auch schon beim Volksbegehren in Bayern, kritisiere, sei die Fokussierung auf die Honigbiene: „Honigbienen sind in ihrem Bestand nicht gefährdet und kein Bestandteil der heimischen Artenvielfalt.“

Alles Wissenswerte über das Insektensterben lesen Sie hier in unserem Multimediaprojekt.

Zunächst brauchen die Artenschützer 1000 Unterschriften

Die Hürden für Bürgerbegehren in Baden-Württemberg sind recht hoch. Zunächst brauchen die Artenschützer 10 000 Unterschriften allein für die Beantragung ihres Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ beim baden-württembergischen Innenministerium. „Der Zuspruch der letzten Wochen hat uns gezeigt, die Gesellschaft hat die Artenvielfalt als Lebensgrundlage erkannt“, sagt Tobias Miltenberger. Inzwischen haben bereits mehr als 60 Verbände, Unternehmen und Vereine aus dem Land ihre Unterstützung signalisiert. Dabei sind natürlich der Nabu und der BUND.

Sarah Händel, Geschäftsführerin des Vereins Mehr Demokratie Baden-Württemberg, unterstützt Bürgerbegehren generell. Ihr Verein setzt sich für direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sowie Reformen des Wahlrechts in Deutschland und der Europäischen Union ein. „Für viele Leute ist das total toll, wenn sie selbst mitbestimmen und sich für eine Sache engagieren können“, sagt Händel, die viele kommunale Begehren in Baden-Württemberg beratend begleitet hat.

Durch Bürgerbegehren gestützte Entscheidungen erhalten mehr Rückhalt

Indem Bürger selbst Themen auf politischer Ebene einbringen, könnten sie sich aktiv an der Demokratie beteiligen. Und, wer sich intensiv mit Themen beschäftige, merke tatsächlich selbst, wie kompliziert Entscheidungsprozesse sein können. „Selbst mitzumachen, wirkt auch dem Gefühl entgegen, nicht ernst genommen zu werden“, so ihre Erfahrung. Initiativen aus dem Volk haben auch für die andere Seite Vorteile, wie Händels Kollege Christian König anmerkt: „Das ist auch für Gemeinden oder das Land attraktiv, weil Entscheidungen dann mehr Legitimation und dadurch mehr Rückhalt in der Bevölkerung genießen.“

Auch wirkten Bürgerbegehren populistischen Strömungen entgehen, die gerne behaupten: Wir sind das Volk. „Oft entscheiden dann nämlich 80 Prozent genau anders“, sagt Händel. „Alle paar Jahre eine Dosis direkte Demokratie wäre gesund“, so ihr Fazit.