Wie versteht das Parlament die direkte Demokratie? Diese Frage wirft das von der SPD geforderte Volksbegehren zu kostenfreien Kitas im Land auf. Der Verfassungsgerichtshof bittet um Positionierung.

Stuttgart - Am Donnerstag wird es im Ständigen Ausschuss des Landtags ungewohnt spannend: Dann positioniert sich das für Verfassungsfragen zuständige Parlamentsgremium zu dem von der SPD beantragten Volksbegehren über eine kostenfreie Kinderbetreuung. Das Volksbegehren war vom CDU-geführten Innenministerium als rechtswidrig verworfen worden. Der Verfassungsgerichtshof des Landes, den die Sozialdemokraten anriefen, bittet nun das Parlament um eine Stellungnahme. Bei dem Rechtsstreit geht es im Kern um die Frage, ob Volksbegehren und Volksabstimmungen auch dann zulässig sind, wenn sie den Landesetat nennenswert belasten. Da nicht alle, aber die meisten politischen Fragen von Bedeutung mit Geld verbunden sind, werden die Richter auch über die Reichweite der direkten Demokratie entscheiden. Für Herbst – September oder Oktober – ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen. Bei der kostenfreien Kita geht es um mindestens eine halbe Milliarde Euro jährlich.

 

In der Landesverfassung heißt es, über das Staatshaushaltsgesetz fänden keine Volksabstimmungen statt. Das Innenministerium legt diese Formulierung in dem Sinne aus, dass damit alle relevant finanzwirksamen Gesetze von der direkten Demokratie ausgenommen sind. Die SPD sieht das anders – und beruft sich dabei auf den CDU-Abgeordneten Stefan Scheffold, den Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses, der im Juni vergangenen Jahres in einer Parlamentsdebatte über einen AfD-Gesetzentwurf zur Stärkung der direkten Demokratie gesagt hatte: „Es gibt in Baden-Württemberg keinen Finanzvorbehalt.“ Damit befinden sich der CDU-Mann Scheffold und die SPD in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur zur Landesverfassung. Demnach ist nur das laufende Staatshaushaltsgesetz von der direkten Demokratie ausgenommen.

Die SPD reagiert verwundert

Für SPD-Generalsekretär Sascha Binder ist klar: „Das Innenministerium vertritt eine andere Auslegung, als der Landtag in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber dies gewollt hat.“ Umso größer war Binders Verwunderung, als er gewahr wurde, dass die Landtagsverwaltung in ihrer Vorlage für die Sitzung des Ständigen Ausschusses vorschlägt, das Parlament solle dem Verfassungsgerichtshof keine eigene Stellungnahme zuleiten.

Die Begründung: Über die Gebührenfreiheit von Kitas bestehe im Landtag kein Konsens. In solchen Fällen verzichte der Landtag auf eine Stellungnahme. Binder hält diese Argumentation für verfehlt. Das Gericht bitte den Landtag nicht um seine Meinung zu beitragsfreien Kitas. Es erkundige sich danach, was der Verfassungsgesetzgeber gemeint habe, als er Regelungen zur direkten Demokratie schuf.