Die Durststrecke war lang. Doch nun gibt sich Andreas Renschler, Nutzfahrzeugvorstand von VW, zuversichtlich. Mit der Erholung in Brasilien soll sich die Lage des gesamten Bereichs verbessern.

München - Nach einer längeren Durststrecke sieht VW-Nutzfahrzeugvorstand Andreas Renschler Licht am Ende des Tunnels in Brasilien. In den vergangenen Jahren ist der Lkw- und Busmarkt der größten südamerikanischen Wirtschaftsnation immer weiter eingebrochen. Mittlerweile werden dort nur noch so viele Fahrzeuge verkauft wie schon 1999. Doch nun soll die Trendwende kommen. „Die Talsohle scheint durchschritten“, sagte Renschler. In der zweiten Jahreshälfte werden dort positive Impulse erwartet. Nachdem dort seit 2014 Stellen gestrichen wurden, sollen nun laut Renschler in Brasilien in den kommenden Jahren 420 Millionen Euro vor allem in neue Modelle investiert werden.

 

Die Entwicklung in Brasilien spielt eine Schlüsselrolle für die weitere Ertragsentwicklung des unter dem Dach der Holding Volkswagen Truck & Bus zusammengefassten Geschäfts mit Lastwagen und Bussen des Wolfsburger Autokonzerns. Die Marken VW und Scania sind in Brasilien nach Angaben des Unternehmens mit 37 Prozent Marktanteil die Nummer eins. Die Ertragslage werde sich deutlich verbessern, wenn die Talfahrt in Brasilien gestoppt sei, sagte Matthias Gründler, der Finanzchef der Holding. Im vergangenen Jahr legte die operative Umsatzrendite leicht auf 6,1 Prozent zu. Es war das erste volle Jahr der neuen Holding, die der von Daimler abgeworbene Renschler zum weltweit profitabelsten Anbieter von Trucks und Bussen machen will.

Börsengang nicht ausgeschlossen

Bis dahin ist der Weg indes noch weit. Renschler hat als Ziel eine Rendite von neun Prozent gesteckt. Auch einen Börsengang der Holding will der VW-Vorstand nicht grundsätzlich ausschließen. „Auf dem Weg zum globalen Champion sind alle Optionen offen, auch ein Börsengang“, sagte Renschler.

Eine engere Zusammenarbeit der beiden Marken MAN und Scania bei Einkauf und Entwicklung soll die Ertragskraft deutlich verbessern. Bis 2025 sollen Kostenvorteile von einer Milliarde Euro gehoben werden. Jeweils eine Marke soll bei Entwicklungsprojekten die Führung übernehmen. So ist laut Renschler beispielsweise Scania für die Entwicklung von neuen Motoren ab 13 Liter Hubraum zuständig, während MAN die Verantwortung für Motoren mit fünf bis neun Liter Hubraum hat. Die Motoren sollen dann in Fahrzeuge beider Marken eingebaut werden. Zudem werden neue Achsen und Getriebe entwickelt. „Wenn wir unsere Kompetenzen im Entwicklungsbereich bündeln, bringen wir die Produkte schneller und kostengünstiger auf den Markt“, sagte Renschler.

Scania ist deutlich profitabler

Die Ertragskraft von Scania und MAN ist sehr unterschiedlich. Während die Schweden, die sich auf schwere Lastwagen konzentrieren, hoch profitabel sind, sind die Nutzfahrzeuge von MAN im vergangenen Jahr gerade wieder aus den roten Zahlen gekommen. Scania erreichte eine operative Rendite von 9,5 Prozent, bei MAN waren es magere 2,3 Prozent. Bei MAN läuft ein Sparprogramm, zu dem auch in diesem Jahr ein weiterer Stellenabbau gehört. Die Sanierung soll laut Renschler in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Große Erwartungen setzt der VW-Vorstand in eine strategische Allianz mit dem amerikanischen Lkw-Hersteller Navistar. Die Partnerschaft mit Navistar soll für die Truck-Sparte von VW die Tür zum US-Markt aufstoßen, der bis jetzt ein weißer Fleck ist. Zudem soll eine Bündelung der Kräfte Kostenvorteile bringen. Anfang dieses Monats hat VW wie angekündigt eine Beteiligung in Höhe von 16,6 Prozent an Navistar erworben. Geplant sind ein gemeinsamer Einkauf von Teilen und auch eine Entwicklungspartnerschaft.

Navistar kämpft mit Altlasten

Der US-Hersteller kämpft allerdings noch mit Altlasten und schreibt rote Zahlen. Vor etlichen Jahren hat Navistar auf eine falsche Motorentechnik gesetzt und muss nun die Trucks enttäuschter Kunden zurückkaufen. Renschler zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass diese Probleme bald beseitigt sein werden. „Navistar ist auf einem sehr guten Weg“, sagte der VW-Vorstand. Der US-Hersteller habe einige gute neue Produkte in der Pipeline. Vom Markt kann Navistar in diesem Jahr indes kaum Rückenwind erwarten. Hier wird vielmehr mit einem weiteren Rückgang gerechnet.

Zusätzliches Geschäft sollen der VW-Tochter neue digitale Dienste bringen, die unter dem Markennamen Rio gebündelt werden. Auf der Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover wurde dieses neue Projekt im vergangenen Herbst vorgestellt. Geplant ist eine cloud-basierte Plattform, die auch anderen Unternehmen offensteht. In diesem Jahr sollen die ersten Angebote auf den Markt kommen. Dazu hat sich die VW-Tochter auch an einem Start-up beteiligt, das eine Frachtbörse entwickelt hat. Dort können Logistikunternehmen zusätzliche Ladung auf der Route ihrer Lkw erhalten. Damit sollen die Trucks besser ausgelastet werden.