Frust im Pokal, Freude in der Königsklasse: Allianz MTV Stuttgart durchlebt eine Woche der Extreme. Zudem muss Sportdirektorin Kim Renkema die Fragen nach dem künftigen Kader beantworten.

Stuttgart - Hohe Hürde für die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart in der Königsklasse – und dennoch freuen sich alle auf das Viertelfinale.

 

Frau Renkema, Allianz MTV Stuttgart trifft im Viertelfinale der Champions League auf Imoco Volley Conegliano aus Italien. Sind Sie zufrieden mit der Auslosung?

(lacht) Natürlich. Es kann doch nur Spaß machen, gegen das beste Team der Welt zu spielen. Conegliano ist nicht nur Club-Weltmeister, sondern für mich auch großer Favorit auf den Gewinn der Champions League.

Gibt es zumindest eine kleine Chance, das Halbfinale zu erreichen?

Was soll ich darauf sagen? Wir werden es genießen, die größten Stars des Volleyballs in Stuttgart zu haben und gegen sie anzutreten.

Ihr Team zählt wie 2019 zu den besten acht in Europa. Was bedeutet das?

Es ist einfach cool, und es ist auch eine Leistung, auf die wir stolz sein können. Als ich die anderen sieben Namen gesehen habe, musste ich schon mal kurz schlucken. Mit den Etats dieser Vereine können wir uns bei weitem nicht vergleichen.

Und trotzdem . . .

. . . spielt Volleyball-Deutschland dank uns, Schwerin, Dresden, Potsdam und Aachen in Europa eine immer bessere Rolle. Das ist wichtig für die Reputation der Bundesliga, die sicher für die Zukunft wieder zwei Startplätze in der Königsklasse verdient hätte.

Wiegt der Erfolg in der Champions League den Frust über die Pleite im Pokalfinale auf?

Das sind zwei verschiedene Wettbewerbe. International hat unser Team keinen Druck, spielt auf einem wesentlich höheren Niveau und hat sein Ziel erreicht.

Anders als im Pokal.

Das stimmt – für das Finale. Wer fünf Matchbälle hat, der muss, auch wenn der Gegner enorm stark und mutig war, ein Spiel gewinnen. Das steht außer Frage und wird auch noch eine Weile weh tun. Ein bisschen schade finde ich, dass vergessen wird, wie wir im Halbfinale den SSC Schwerin geschlagen haben. Ohne diese herausragende Leistung wären wir gar nicht ins Endspiel gekommen.

Trotzdem haben Sie und Geschäftsführer Aurel Irion das Team nach dem 2:3 gegen Dresden öffentlich angezählt.

Wir haben zurecht Kritik geäußert, weil einige Dinge nicht so gemacht wurden, wie sie vom Potenzial der Mannschaft her hätten gemacht werden können.

„Es ist logisch, dass man sich als Meister hohe Ziele setzen muss“

Der Gewinn des Pokals hätte die laufende Saison schon jetzt zu einer erfolgreichen gemacht. Gibt es auch den Umkehrschluss?

Für mich nicht. Wenn wir am Ende keinen Titel geholt haben sollten, heißt das nicht automatisch, dass die Saison schlecht war.

Warum nicht? Es war doch das erklärte Ziel, einen Titel zu gewinnen.

Es ist logisch, dass man sich als amtierender Meister hohe Ziele setzen muss. Trotzdem denke ich, dass man den Sport nicht nur schwarz oder weiß sehen kann – ansonsten hinge ja alles an einem Matchball, der verwandelt wird oder nicht. Zudem haben wir so starke Konkurrenz, dass wir uns einen Titel nicht durch das Verpflichten individueller Klasse kaufen können. Es muss auch ein Team daraus werden, und das geht nicht von heute auf morgen.

Was heißt das für den künftigen Kader?

Erst einmal stehen wir voll hinter der Mannschaft, die wir zusammengestellt haben. Wie wir alle – Spielerinnen, Trainer, Management – es geschafft haben, uns in dieser Saison mit den vielen personellen Problemen immer wieder neu aufzustellen und zu finden, das ist etwas Besonderes.

Dennoch haben Sie gesagt, dass Ihnen Identifikationsfiguren fehlen.

Und dazu stehe ich auch. Wir haben in Krystal Rivers, deren Namen jede junge Volleyballerin in Stuttgart kennt, und Roosa Koskelo, zwei Gesichter der Mannschaft. Allerdings brauchen wir auch wieder deutsche Identifikationsfiguren. Diese müssen wir neu aufbauen. Wir müssen schauen, wen wir neben Pia Kästner und Annie Cesar noch holen und längerfristig an uns binden können.

Das ist nicht einfach.

Stimmt. Momentan gibt es nicht genügend deutsche Nachwuchsspielerinnen, um die ganze Bundesliga zu füllen. Von daher benötigen wir ausländische Spielerinnen, um das hohe Niveau der Liga halten zu können.

Wäre Diagonalangreiferin Lena Große Scharmann, die aus Stuttgart stammt und aktuell in Straubing spielt, eine Kandidatin für Ihr Team?

Sie hat sich super entwickelt. Wir beobachten sie natürlich ganz genau.

„Es ist nicht unser Ziel, jedes Jahr den Kader nahezu komplett auszutauschen“

Wie weit sind Sie mit den Planungen für die nächste Saison?

Wir hatten diese Saison Höhen und Tiefen. Doch ein enttäuschendes Pokalfinale bedeutet nicht automatisch, dass es wieder einen großen Umbruch geben wird. Aktuell sind wir noch nicht an dem Punkt, an dem wir sagen können, wen wir von denjenigen, deren Vertrag ausläuft, halten wollen und wen nicht. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass wir Spielerinnen im Kader haben, die wir weiterentwickeln möchten – wenn auch sie es wollen.

Was wird aus ihrem Superstar Krystal Rivers? Sie hat zwar einen Vertrag, aber auch eine Ausstiegsklausel.

Wir haben in den Verhandlungen mit ihr einen sehr guten Job gemacht. Der Zwei-Jahres-Vertrag, den sie unterschrieben hat, erhöht die Chancen, dass sie bleiben wird, deutlich. Ich bin optimistisch.

Und wenn sie doch geht?

Sie ist unsere Schlüsselfigur. Aktuell, aber auch in den Planungen. Sie zu ersetzen wäre nicht möglich. Wenn sie geht, müssen wir komplett umdenken. Deshalb müssen wir zuerst mit ihr klären, wie es weitergeht, ehe wir in die große Planung einsteigen können.

Gibt es Positionen, auf denen klar ist, dass es Veränderungen geben wird?

Weil wir nicht wissen, wie es mit der seit Oktober verletzten Pia Kästner weitergeht, müssen wir sicher auf das Zuspiel schauen.

Und sonst?

Ist nicht unser Ziel, den Kader jedes Jahr nahezu komplett auszutauschen.