Die Stuttgarter Bundesliga-Volleyballerinnen wollen endlich erstmals Meister werden. Trainer Giannis Athanasopoulos ist zuversichtlich. Und könnte anschließend doch nicht lange feiern. Weil er einen neuen Nebenjob hat.

Stuttgart - Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart stehen vor der entscheidenden Phase der Saison. An diesem Donnerstag (18.30 Uhr/Scharrena) beginnt die Halbfinalserie der Play-offs. „Wir wollen unbedingt Meister werden“, sagt Trainer Giannis Athanasopoulos, „aber zuerst müssen wir Aachen schlagen.“

 

Herr Athanasopoulos, wie froh sind Sie, einen Ihrer Freunde vorerst nicht zu treffen?

Wen meinen Sie?

Guillermo Naranjo Hernández, früher Coach in Stuttgart, jetzt Trainer des SC Potsdam.

Der Gegner spielt für mich keine Rolle. In den Play-offs gibt es keine Freundschaft.

Im Halbfinale geht es statt gegen den SC Potsdam nun gegen den Bundesliga-Sechsten Ladies in Black Aachen, der im Viertelfinale überraschend den hohen Favoriten Dresdner SC ausgeschaltet hat. Passt Ihnen diese Konstellation?

Ich hatte nie eine Präferenz. Wir sind besser als der SC Potsdam, und wir sind auch besser als die Ladies in Black Aachen – aber dies müssen wir nun auch beweisen.

Was macht das Team aus Aachen aus?

Dieser Gegner ist schwer zu schlagen, weil er so gut wie keine Fehler macht und über ein sehr gutes Passspiel verfügt. Der Dresdner SC hat dagegen keine Lösung gefunden.

Wie sieht Ihr Plan aus?

Wir kennen die Schwachstellen der Aachenerinnen und arbeiten seit Samstag hart daran, diese auch für uns nutzen zu können. Klar ist für mich: Wenn wir siegen wollen, müssen wir unsere beste Leistung zeigen. Und wir dürfen noch keinen Gedanken ans Finale verschwenden.

„Das Team hat sich positiv entwickelt“

Das wird nicht einfach. Wäre es eine Saison zum Vergessen, wenn Ihr Team erneut Vizemeister werden oder gar schon im Halbfinale scheitern würde?

Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir zumindest einen Titel holen wollen – und dies bleibt unser Ziel. Wir werden alles dafür tun, um Meister zu werden.

Das war keine Antwort auf die Frage.

Wir haben 20 von 22 Bundesliga-Spielen gewonnen, standen am Ende der Hauptrunde auf Platz eins. Jeder, der in die Scharrena kommt, genießt diesen Besuch. Wir waren im Viertelfinale der Champions League, als Verein mit dem deutlich kleinsten Budget. Und wir haben das Pokalfinale erreicht . . .

. . . in dem es nach enttäuschender Leistung ein 0:3 gegen den SSC Schwerin gab . . .

. . . das ist richtig. Und trotzdem sage ich: Das Team hat sich positiv entwickelt, und wir haben bisher eine erfolgreiche Saison gespielt. Egal ob Spielerinnen, Trainerstab, Management oder Betreuerteam – alle wollen nun auch erstmals die Meisterschaft gewinnen. Allerdings ist eines auch klar: Für Titel gibt es keine Garantie.

„Ich bin mir sicher, dass wir uns noch weiter steigern können“

Am Ende der Bundesliga-Saison befand sich Ihr Team in einem kleinen Formtief. Reicht der aktuelle Leistungsstand aus, um auch in einer Endspielserie zu bestehen?

Unser Problem war, dass wir aufgrund der vielen Spiele kaum noch trainieren konnten. Das ist jetzt anders. Schon im Viertelfinale gegen den VC Wiesbaden war zu sehen, dass die Form besser geworden ist, und ich bin mir sicher, dass wir uns noch weiter steigern können.

Bisher haben vier Spielerinnen einen Vertrag für die nächste Saison unterschrieben. Ein Großteil Ihres Kaders weiß folglich noch nicht, wie es weitergehen wird. Könnte dies zum Problem werden?

Nein.

Warum nicht?

Weil dies keine spezielle Situation ist, sondern absolut üblich im professionellen Volleyball. Damit muss und damit kann jede Spielerin leben.

Und der Trainer?

Auch.

Könnte es sein, dass Ihr Team Meister wird und danach trotzdem ein großer personeller Umbruch folgt?

Natürlich kann es, unabhängig vom Ausgang der Saison, den einen oder anderen Wechsel geben. Aber niemand weiß aktuell, wie viele es sein werden. Das werden wir mit den Spielerinnen nach der letzten Partie der Play-offs diskutieren.

„Das finanzielle Angebot war sehr gut“

Sicher ist, dass Sie ab Mai einen zweiten Job haben werden – als Trainer des tschechischen Frauen-Nationalteams. Sind Sie in Stuttgart nicht ausgelastet?

(lacht) Doch. Sehr gut sogar. Ich versuche, mir pro Tag ein bis zwei Stunden Zeit für meinen zweijährigen Sohn zu nehmen. Der Rest meines Lebens ist Volleyball.

Warum dann dieser zusätzliche Stress?

Weil es eine Ehre ist, ein Nationalteam zu trainieren. Weil das Projekt in Tschechien, mit sehr interessanten Spielerinnen einen Neuanfang zu starten, eine Herausforderung ist. Weil ich auf höchstem Niveau Erfahrungen sammeln kann, die mich zu einem besseren Trainer machen. Und weil das finanzielle Angebot sehr gut war.

Dafür bleibt kaum Zeit zur Regeneration.

Ich werde dieses Jahr zwei oder drei Wochen Urlaub haben, je nachdem, wann in Stuttgart die Saison endet.

Das ist nicht viel.

Stimmt. Deshalb muss ich das richtige tun.

Was?

Ich werde meine Mutter in Griechenland besuchen und danach in einem schönen Hotel an den Pool liegen. Das muss reichen.

Wie sehr belastet Ihr Engagement in Tschechien Ihren Job in Stuttgart?

Überhaupt nicht.

„Volleyball ist nicht nur mein Beruf“

Überhaupt nicht?

Wenn es ein Problem geben würde, hätte ich den Tschechen abgesagt. Auch während ich mit dem Nationalteam unterwegs bin, werde ich für den Verein arbeiten – ich werde scouten, Videos anschauen, Kontakte knüpfen. Volleyball ist nicht nur mein Beruf, sondern auch meine Berufung.

Wird sich das Trainer-Team bei Allianz MTV Stuttgart verändern?

Es muss größer werden, zum Beispiel wird mich Nachwuchscoach Sebastian Schmitz in Zukunft noch mehr unterstützen. Aber dies ist eine Entwicklung, die wir ohnehin anstoßen wollten.

Gibt es Bereiche, in denen Ihr Verein von Ihrem Nebenjob profitieren kann?

Ich werde viele internationale Spiele coachen und noch mehr sehen. Das vergrößert mein Wissen und die Zahl meiner Kontakte zu interessanten Spielerinnen. Ich hoffe, dass dies auch zu einer Weiterentwicklung von Allianz MTV Stuttgart beitragen wird.